Asbest-Fall nicht ernst genommen

MÖRSCHWIL. In Mörschwil wurde ein Haus mit asbesthaltiger Fassade ohne Schutzmassnahmen abgebrochen. Einwohner machten die Gemeinde darauf aufmerksam. Diese wiederum informierte die Baufirma. Passiert ist nichts.

Martina Kaiser
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Eigentlich hat Benno Bissegger nichts mit der Sache zu tun. Der Mörschwiler Architekt wohnt weder neben noch in der Nähe des abgebrochenen Hauses. Und doch ärgert er sich. Über die Gemeinde. Über die Baufirma und das zuständige Architekturbüro. Seiner Meinung nach handelten alle drei Parteien fahrlässig. Was letztere freilich in Abrede stellen.

Obwohl Bissegger auf die Gefahren von Asbest hingewiesen und einen Baustop verlangt hatte, blieb eine Reaktion aus. Nun ist das Haus abgebrochen, die Fassadenplatten zerbrochen, die krebserregenden Fasern in der Luft. Kurt Dieziger vom beauftragten Bauunternehmen W. Dieziger AG ist sich indes keiner Schuld bewusst.

Baufirma: Abbruch fachgerecht

Das Wohnhaus sei fachgerecht abgebrochen worden, und die Arbeiter hätten – wie vorgeschrieben – einen Mundschutz getragen, betont der Bauunternehmer.

Eine Schutzbekleidung brauche es bei dieser Form von Asbest nicht. Gemäss dem Merkblatt «Asbest erkennen – richtig handeln» der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva sind Mundschutz, Schutzbekleidung sowie Handschuhe bei jeder Form von Asbest Pflicht. Dazu wollte Kurt Dieziger jedoch keine Stellung nehmen. Auch das zuständige Architekturbüro Klaiber Partnership AG in St. Gallen hat dem auf Anfrage nichts hinzuzufügen.

Sofortigen Baustop verlangt

Ein Blick zurück. Auf seinem Heimweg bemerkt Bruno Bissegger, dass ein altes Wohnhaus an der Ackerstrasse abgebrochen wird. Am nächsten Tag erzählt ihm ein befreundeter Anwohner, er habe wegen Asbestverdachts bereits die Gemeindeverwaltung informiert. Passiert ist nichts. Am 8. Juli schreibt Bissegger Gemeindepräsident Paul Bühler einen Brief mit folgendem Inhalt: «…Die Eternitfassade des Wohnhauses wurde ohne Schutzmassnahme demontiert.

Da aufgrund des Alters des Gebäudes dringender Asbestverdacht besteht, verstehe ich den sorglosen Umgang absolut nicht.» Und weiter: «Ich erwarte entweder seitens der Behörden eine klare Information über die Unbedenklichkeit des Materials oder einen sofortigen Baustop mit Anordnung der fachgerechten Entsorgung der Eternitplatten.»

Einen Tag später erhält er Antwort von der Politischen Gemeinde. Paul Bühler schreibt, der Bauherr habe ihm telefonisch versichert, dass er die zuständige W. Dieziger AG mit einem fachgerechten Rückbau des Wohnhauses beauftragt habe. Zusätzlich habe er, Paul Bühler, Kurt Dieziger telefonisch nochmals aufgefordert, die mit dem Bauherr eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen einzuhalten. Dies sei ihm zugesichert worden. Dem Brief liegt ein Schreiben der W. Dieziger AG bei. Darin steht, es sei nicht bewiesen, dass die besagten Eternitschindeln asbesthaltig seien.

Dennoch habe die Firma kein Risiko für ihre Mitarbeiter und die Nachbarschaft eingehen wollen und darum die Eternitschindeln so entfernt, als ob Asbest darin vorkommen würde.

Zusicherung nicht eingehalten

Als Benno Bissegger 14 Tage später aus den Ferien zurückkehrt, ist das Haus weg. Die Fotos des Anwohners zeigen, dass die Zusicherung der Bauunternehmung nicht eingehalten wurde: Zu sehen sind zerbrochene Eternitschindeln und Bauarbeiter ohne Schutzbekleidung.

Benno Bissegger schickt der Firma GSA Becker in Dübendorf eine zuvor von der Baustelle entwendete Materialprobe zur Analyse ein. Am 19. August dann der Befund: Die Eternitplatten sind asbesthaltig. Daraufhin wendet sich Bissegger erneut an den Gemeindepräsidenten. Im Brief äussert er sich enttäuscht, denn trotz der Zusicherungen, schreibt er, habe sich nichts geändert: Weder beim Personenschutz noch bei der Behandlung des Materials seien die Vorschriften eingehalten worden.

Dass das Material asbesthaltig sei, habe sich ja nun herausgestellt. Und weiter: «Wenn klar gegen Vorschriften verstossen wird, hat die Gemeinde einzugreifen, auch wenn die betroffenen Personen gute Steuerzahler sind.» Bissegger verlangt innert zwei Wochen eine Stellungnahme der Gemeinde, wie sie künftig einen fachgerechten Rückbau von Asbest sicherstellen wird.

Sache des Arbeitgebers

Exakt 14 Arbeitstage später schreibt Paul Bühler im Namen des Gemeinderats: Die Einhaltung und Überwachung der geltenden Bestimmungen bezüglich Arbeits- und Personenschutz auf den Baustellen sei Sache des jeweiligen Arbeitgebers respektive des Architekturbüros und nicht der Politischen Gemeinde. Ausserdem sei die Gesetzeslage so, dass es Aufgabe der Baufirmen sei, sich bei Abbrucharbeiten um eine mögliche Asbestgefährdung zu kümmern und den richtigen Umgang mit den Stoffen zu garantieren.

Paul Bühler zeigt sich enttäuscht über die nicht eingehaltenen Zusicherungen der Bauleitung und der Abbruchfirma. Künftig werde bei Abbruchgesuchen für Objekte in diesem Alter bereits im Vorfeld eine Asbestuntersuchung verlangt, und die Abbrucharbeiten würden jeweils von der Bauverwaltung überwacht, schreibt er. Den Vorwurf, er habe nichts unternommen, weil der Hausbesitzer ein guter Steuerzahler sei, lässt Bühler nicht gelten: «Wir bearbeiten Baugesuche unabhängig von der Person.»

Zerbrochene Eternitplatten: Der Abbruch eines Hauses in Mörschwil löst Diskussionen über Asbest aus. (Bilder: pd)

Zerbrochene Eternitplatten: Der Abbruch eines Hauses in Mörschwil löst Diskussionen über Asbest aus. (Bilder: pd)