Stalking-Opfer besser schützen

ST. GALLEN. Der Kanton St. Gallen war Wegbereiter bei der Bekämpfung der häuslichen Gewalt. Zehn Jahre nach Einführung des Wegweisungsartikels will die Regierung die Massnahmen erweitern. Geplant ist auch ein Kontaktverbot für Stalker.

David Scarano
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Stalking-Opfer werden häufig von ihren ehemaligen Partnern oder Partnerinnen mit unzähligen Telefonanrufen bedrängt. (Bild: fotolia/Jeremias Münch)

Stalking-Opfer werden häufig von ihren ehemaligen Partnern oder Partnerinnen mit unzähligen Telefonanrufen bedrängt. (Bild: fotolia/Jeremias Münch)

Eine Frau hat sich von ihrem Partner getrennt. Wochen- oder gar monatelang lässt er sie aber nicht in Ruhe. Er lauert ihr auf, bedroht sie, belästigt sie mit Hunderten von SMS und Telefonanrufen. Stalking bei Trennungen und Scheidungen hat auch im Kanton St. Gallen zugenommen – griffige Massnahmen fehlten jedoch, nicht nur weil Stalking in der Schweiz keinen Straftatbestand darstellt. Die Opfer mussten bislang den beschwerlichen Weg ans Kreisgericht nehmen, um ein Kontaktverbot zu beantragen. Für viele ist die Hemmschwelle aber zu hoch. Die St. Galler Regierung will die Stalking-Opfer in Zukunft besser schützen und entlasten. Wie Sicherheitsdirektor Fredy Fässler gestern vor den Medien bekanntgab, soll das Polizeigesetz dahingehend ergänzt werden, dass die Polizei neu ein zehntägiges Annäherungs- und Kontaktverbot gegen Stalker aussprechen kann.

«Belohnter Mut»

Beim Stalking-Artikel gehört der Kanton St. Gallen nicht zu den Vorreitern – in der Ostschweiz haben Ausserrhoden und der Thurgau ihre Gesetze vor einigen Jahren angepasst (siehe Text unten). Bei der Bekämpfung der häuslichen Gewalt ist St. Gallen jedoch Pionier. Als «wichtigen Schritt» bezeichnete Fässler die Einführung des Wegweisungsartikels 2003. «Der Mut, voranzuschreiten, hat sich gelohnt», sagte Miriam Reber, Leiterin Koordinationsstelle Häusliche Gewalt. «Die Polizei hat ein Instrument erhalten, das den Betroffenen Zeit gibt, durchzuatmen, sich beraten zu lassen und sich Schritte in eine Zukunft ohne Gewalt zu überlegen.»

Trotz des Erfolgs: Ein Bericht über die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre zeigt: Es besteht noch Verbesserungsbedarf. Nicht nur im Bereich Stalking, sondern auch bezüglich Bedrohungsmanagement sowie bei der Täter- und Opferberatung werden Gesetzesanpassungen vorbereitet.

Früherkennung verbessern

Häusliche Gewalt endet häufig tödlich: Schlagzeilen verursachte etwa der brutale Fall 2011 in der Stadt St. Gallen, als ein Mann seine Ex-Frau überfuhr und anschliessend totschlug. Um solche Risikosituationen frühzeitig zu erkennen, startet der Kanton 2014 ein Pilotprojekt für ein verbessertes Bedrohungsmanagement. Konkret sollen Schulen, Sozialämter oder Erwachsenenschutzbehörden die Polizei über Drohungen informieren können. Dazu sind Anpassungen beim Datenschutz notwendig. Zudem wird eine Software erprobt, die dank der Auswertung eines vorgegebenen Fragenkatalogs eine Risikoeinschätzung vornimmt und allenfalls Alarm auslöst.

Personalien weiterleiten

Um Gewalttaten zu verhindern, sind auch Beratungen von grosser Bedeutung. Im Kanton St. Gallen müssen bei einer polizeilichen Wegweisung Täter und Opfer einverstanden sein, dass ihre Personalien den zuständigen Stellen weitergeleitet werden. Doch nur zwei Drittel der Opfer und ein Fünftel der Täter stimmen dem zu. Neu soll die Polizei die Beratungsstellen in jedem Fall informieren.

Von häuslicher Gewalt sind häufig Kinder betroffen – «und diese sind bisher zu kurz gekommen», hielt der Sicherheitsdirektor fest. Nun sind Massnahmen geplant, die sich an ein Berner Pilotprojekt anlehnen. Dort wurde unter anderem ein Beratungsstandard entwickelt. St. Gallen möchte Teile davon übernehmen. Gemäss Fässler steht zunächst aber die Konzeptarbeit an.