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Ostschweiz
Im Thurgau gilt jetzt die höchste Sprachhürde für Einbürgerungen. Wer dort Schweizer werden will, muss Deutsch mündlich auf Niveau B2 und schriftlich auf Niveau B1 beherrschen. Auszüge aus Prüfungen zeigen, was das bedeutet.
Katharina Brenner
Die Sprachniveaus B1 und B2 klingen wie Roboternamen. Statt um Technik geht es hier aber um Grammatik, Vokabeln, Hörverstehen. Und künftig auch darum, ob eine Person im Thurgau eingebürgert wird. Der Grosse Rat hat gestern eine neue Regelung verabschiedet: Schriftlich müssen Einbürgerungswillige das Niveau B1 erreichen, mündlich B2. Damit hat der Kanton die höchste Sprachhürde der Schweiz. Der Bund verlangt ab 2018 schriftlich das Niveau A2 und mündlich B1. Was steckt hinter diesen Formeln?
Sie entstammen dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Er will verschiedene europäische Sprachzertifikate untereinander vergleichbar machen. Besteht eine Person einen der anerkannten Tests, wird ihr ein bestimmtes Niveau bescheinigt. Behörden und Arbeitgeber, egal ob in der Ostschweiz oder in Westfrankreich, wissen dann, wie gut diese Person Deutsch kann.
Der GER kennt sechs Stufen: vom Anfängerniveau A1 über A2, B1, B2 und C1 bis zum Muttersprachlerniveau C2. «B1 gilt als Schwellenniveau. Ab diesem Niveau können Fremdsprachige solide und gut auf Deutsch kommunizieren», sagt Lukas Bleichenbacher, Bereichsleiter Institut Fachdidaktik Sprachen an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen. Alles, was darüber hinausgehe, setze eine hohe Bildung voraus. So sei das Niveau B2 in einer Fremdsprache nötig, um eine gymnasiale Maturität zu bestehen.
Um das Sprachniveau zu testen, werden Lesen, Schreiben, Sprechen und Hörverstehen abgefragt. Ein Anbieter von Prüfungen ist das Goethe-Institut. Auch Ostschweizer Sprachschulen bieten Tests der weltweit aktiven deutschen Kultureinrichtung an. Diese sind, wie die Materialien anderer Anbieter, allerdings auf deutsche Städte und Gegebenheiten ausgerichtet, was für hiesige Sprachschüler schwierig sein kann. Die Aufgaben auf dieser Seite stammen aus Modellprüfungen des Goethe-Instituts.
Niveau B2: Wer Deutsch auf B2-Niveau beherrscht, kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen. Er kann sich so spontan und fliessend verständigen, dass ein Gespräch mit Muttersprachlern ohne grössere Anstrengung möglich ist. In vertrauten Situationen kann er sich aktiv an einer Diskussion beteiligen, Ansichten begründen und verteidigen. Und er kann einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern, Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.
Beispieltext Niveau B2: Risiken eines Lottogewinns
«Liebling, wir haben diese Nummern», sagte J. R. Fisher (69) zu seiner Frau Peggy und war nach 47 Jahren als Fernfahrer plötzlich vielfacher Millionär: Bei der Lottoziehung hatte er unglaubliche 239 Millionen Dollar gewonnen! Als er seinen Gewinn entgegennahm, versprach der Rentner, mit dem Geld «weise» umzugehen. Fachleute warnen indessen vor zu grosser Euphorie nach Rekordgewinnen. Neben einer Flut von ärgerlichen bis bedrohlichen Bettelbriefen müssen die Betroffenen oft über Nacht mit einem völlig neuen Leben klar kommen. Die Fishers scheinen aber die Bodenhaftung noch nicht verloren zu haben. J. R. Fisher vor den Fernsehkameras: «Bis zum heutigen Tag regt mich das alles nicht besonders auf. Ich war ein armer Mann, jetzt bin ich halt ein reicher.»
Schreiben Sie als Reaktion auf diesen Artikel an die Zeitung.
Sagen Sie,
– ob Sie selber Lotto spielen.
– was Sie machen würden, wenn Sie einen so unerwarteten Riesengewinn erzielen würden.
– wie Sie die bisherige Reaktion der Fishers nach ihrem Rekordgewinn beurteilen.
– wie sich die Erwartung solcher Rekordgewinne auf das Spielverhalten auswirkt.
Bei der Beurteilung wird unter anderem darauf geachtet,
– wie korrekt Sie schreiben.
– wie gut Sätze und Abschnitte sprachlich miteinander verknüpft sind.
Niveau B1: Wer Deutsch auf B1-Niveau beherrscht, kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äussern. Auf dieser Stufe kann man über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben sowie Pläne und Ansichten kurz begründen. Und man kann über Themen, die einem vertraut sind oder einen interessieren, einfache zusammenhängende Texte schreiben und in persönlichen Briefen von Erfahrungen und Eindrücken berichten.
Niveau B1: Anspruchsvolle Schreibübung
Aufgabe 1: Sie haben vor einer Woche Ihren Geburtstag gefeiert. Ein Freund oder eine Freundin von Ihnen konnte nicht zu Ihrer Feier kommen, weil er oder sie krank
war.
– Beschreiben Sie: Wie war die Feier?
– Begründen Sie: Welches Geschenk finden Sie besonders toll und warum?
– Machen Sie einen Vorschlag für ein Treffen.
Schreiben Sie eine E-Mail (zirka 80 Wörter). Schreiben Sie etwas zu allen drei Punkten. Achten Sie auf den Textaufbau (Anrede, Einleitung, Reihenfolge der Inhaltspunkte, Schluss).
Aufgabe 2:
Sie haben im Fernsehen eine Diskussionssendung zum Thema «Persönliche Kontakte und Internet» gesehen. Im Online-Gästebuch der Sendung finden Sie folgende Meinung:
«Ich finde es schlimm, dass persönliche Treffen immer seltener werden. Freunde wohnen oft sehr weit auseinander. Und da ist man dann schon froh über das Internet. Aber Kontakte im Internet können doch persönliche Treffen nicht ersetzen!»
Schreiben Sie nun Ihre Meinung zum Thema (zirka 80 Wörter).
Niveau A2: Mit einfachen Mitteln kann eine Person auf A2-Niveau die eigene Herkunft und Ausbildung, die Umgebung und Dinge im Zusammenhang mit unmittelbaren Bedürfnissen beschreiben. Sie versteht Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke wie Informationen zur Person und Familie, zum Einkaufen oder zur Arbeit. Und sie kann sich in einfachen, routinemässigen Situationen verständigen. Schriftlich bedeutet A2, dass man kurze, einfache Notizen und einfache persönliche Briefe schreiben kann.
Niveau A2: Einfache Schreibübung
Aufgabe 1: Sie sind unterwegs in der Stadt und schreiben eine SMS an Ihre Freundin Ekaterini.
– Entschuldigen Sie sich, dass Sie zu spät kommen.
– Schreiben Sie, warum.
– Nennen Sie einen neuen Ort und eine neue Uhrzeit für das Treffen.
Schreiben Sie 20–30 Wörter. Schreiben Sie zu allen drei Punkten.
Aufgabe 2:
Ihr Chef, Herr Lehmann, hat bald Geburtstag. Er hat Ihnen eine Einladung zu seiner Feier geschickt. Schreiben Sie Herrn Lehmann eine E-Mail:
– Bedanken Sie sich und sagen Sie, dass Sie kommen.
– Informieren Sie, dass Sie jemanden mitbringen.
– Fragen Sie nach dem Weg.
Schreiben Sie 30–40 Wörter. Schreiben Sie zu allen drei Punkten.
Bei den Aufgaben handelt es sich um Auszüge aus Modellprüfungen des Goethe-Instituts. Für die beiden Aufgaben auf dem Niveau A2 haben die Prüflinge insgesamt 30 Minuten Zeit. Für die Schreibübungen auf dem Niveau B1 haben sie 60 Minuten, für die auf dem Niveau B2 80 Minuten. Bei den beiden höheren Niveaus ist hier nur ein Teil der Aufgaben abgedruckt.
Unter nachfolgenden Links können Sie ebenfalls testen, wie hoch die Anforderungen sind:
A2
B1
B2