Am Dies academicus der Universität St.Gallen dominierten die nachdenklichen Töne. Rektor Thomas Bieger beteuerte, dass die HSG die Lehren aus den jüngsten Skandalen gezogen habe.
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Zum Einzug der Professoren und Ehrengäste spielte die Band Amplify den Klassiker «Fly Me To The Moon». Doch Rektor Thomas Bieger holte das Publikum gleich zu Beginn seiner Rede auf den Boden der Realität zurück. Neben vielen Erfolgen sei die Universität St.Gallen im vergangenen Jahr von Ereignissen betroffen gewesen, die Vertrauen gekostet hätten.
«Das hat uns gezwungen, unser Handeln zu überprüfen und zu überdenken.»
Gestern feierte die HSG ihren höchsten Feiertag, den Dies academicus. Ein Tag, an dem die Uni über «Entwicklungen und Herausforderungen» informierte. Es wurde ein ausgesprochen selbstkritischer Rückblick vor Gästen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Bevölkerung. In einem grossen Teil seiner Ansprache nahm der Rektor Bieger Stellung zu den Skandalen des vergangenen Jahres Stellung: zur Spesenaffäre, zum Nebenerwerb von Professoren, zu potenziellen Interessenkonflikten und zum Umgang mit selbsterwirtschafteten Mitteln.
Die HSG habe eine Kultur informeller Prozesse, grosser Dezentralität und selbstgesteuerten Unternehmertums, sagte Thomas Bieger. «Ohne dieses Modell wäre die internationale Ausstrahlung der Universität nie möglich gewesen.» Gleichzeitig betonte der Rektor, dass die HSG auch auf die Grundfinanzierung durch Kantone und Bund angewiesen sei. Und diese Grundfinanzierung hänge vom Vertrauen der Region in die HSG als gut funktionierende Institution ab.
«Es braucht das Vertrauen, dass sorgsam mit Mitteln umgegangen wird – dass Forschung und Lehre interessenfrei erfolgen.»
Bieger verwies darauf, dass die Ansprüche der Öffentlichkeit an das Verhalten von Universitäten berechtigterweise gestiegen seien. «Man kann uns vielleicht vorwerfen, die Zeichen der Zeit zu wenig rasch erkannt zu haben.» Die Universität sei in der Vergangenheit vielleicht zu sehr mit strategischen Ausbauprojekten beschäftigt gewesen. Nun wolle die HSG mit einem Massnahmenplan im Bereich Compliance die Grundlage für ein neues Vertrauen legen. Der Plan beinhaltet eine Reihe von Sonderprüfungen, die Reform von Reglementen sowie einen internen Verhaltenskodex. «Dinge, die früher einfach informell funktioniert haben, muss man heute explizit machen», sagte Bieger.
In seiner Rede warb Thomas Bieger immer wieder um das Vertrauen der Bevölkerung des Kantons St.Gallen, «den eigentlichen Eigentümern unserer Universität». Dabei hob er zwei kantonale Abstimmungserfolge hervor. Den Joint Medical Master, der ab 2020 Masterstudenten in St.Gallen eine Ausbildung in Humanmedizin ermöglicht. Und die kürzlich angenommene IT-Bildungsoffensive, die an der HSG den Aufbau eines Bachelor- und Masterstudiengangs in technischer Wirtschaftsinformatik einschliesst. Und natürlich bat Bieger auch um Unterstützung für das dritte politische Vorhaben, das Ende Juni an die Urne kommt: den Bau des neuen Campus am Platztor.
Prominentester Festredner war Bundesrat Ignazio Cassis. Er nutzte seinen Auftritt als Werbeplattform für eine Karriere in der Diplomatie. Im Publikum sassen zwar nur wenige Studierende, doch davon liess sich der Aussenminister nicht beirren. Zahlreiche HSG-Absolventen arbeiteten heute im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), sagte Cassis. So zum Beispiel EDA-Generalsekretär Markus Seiler. Die Studienrichtung spiele für eine Laufbahn im EDA keine entscheidende Rolle. «Schauen Sie mich an, ich bin Arzt», sagte Cassis.
Der Präsident der Studentenschaft, Yannik Breitenstein, machte sich in seiner Rede Gedanken über die Rolle der Universität in der Gesellschaft. Die HSG stehe vor einer Gratwanderung: Sie müsse international wettbewerbsfähig sein und gleichzeitig ihre Rolle als staatliche Universität in der Gesellschaft legitimieren. «Forschung und Lehre dürfen dabei nicht nur unter ökonomischen Aspekten betrachtet werden.»
Die HSG ernannte Kurt Weigelt, den ehemaligen Direktor der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell, zum Ehrensenator. Mit der Ehrendoktorwürde wurden vier Wissenschaftler geehrt: Andreas Kley (Universität Zürich), Charles Kupchan (Georgetown University, USA), Ann Tarca (University of Western Australia) und Alice Kaplan (Yale University, USA).
Den Latsis-Preis zur Förderung junger Forscherinnen und Forscher erhielt Beatrix Eugster. Der Lateinamerikapreis zur Förderung der Lateinamerikaforschung an der HSG ging an Micaela Diaz Rosaenz und Annatina Aerne.
Zum zweiten Mal wurden mit dem «HSG Impact Award» drei Forschungsprojekte mit sozialer und wirtschaftlicher Bedeutung ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehören Roland Hodler, Mirjam Anna Brüderle, Stephan Böhm und Team, Felix Wortmann, Andre Dahlinger, Ben Ryder, Bernhard Gahr, und Mathieu Chanson.
Auch die Studentenschaft verlieh zwei Preise: Die Auszeichnung für exzellente Lehre ging an Andreas Wittmer. Den Mentorpreis erhielt das Ressort Immobilien der Universität St.Gallen.