Securitas-Mitarbeiter im Zwielicht

ST.GALLEN. Ein Securitas-Mitarbeiter hat einen Fussballfan belastet, der gegen einen anderen Sicherheitsmann angeblich tätlich geworden war. Nun steht der Mann Ende Monat selbst vor Gericht. Der Vorwurf: Falschaussage.

Daniel Walt
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Wenn Basel in St.Gallen spielt, ist der Gästesektor immer gut gefüllt. (Bild: Archiv/Michel Canonica (Symbolbild))

Wenn Basel in St.Gallen spielt, ist der Gästesektor immer gut gefüllt. (Bild: Archiv/Michel Canonica (Symbolbild))

"Dieser Fall zeigt, dass sich die Richter künftig genauer überlegen sollten, ob sie im Zweifelsfall Sicherheitskräften mehr glauben als Fussballfans", sagt Manuela Schiller. Die Zürcher Anwältin vertritt immer wieder Anhänger, die ins Visier der Justiz geraten sind. Sie war auch in einen St.Galler Fall involviert, der bereits vor zwei Jahren für Schlagzeilen sorgte (siehe Kasten) - und der nun in die Gerichtsverhandlung gegen einen Securitas-Angestellten mündet. Der Mann soll als Zeuge gegen einen Fan des FC Basel falsch ausgesagt haben. Ende vergangenen Jahres erhielt der Mann deswegen einen Strafbefehl der St.Galler Staatsanwaltschaft. Weil er gegen diesen Einsprache erhob, wird der Fall nun Ende Juni vor dem Kreisgericht verhandelt.

Ausschreitungen beim Stadion
Der Streit um Schuld oder Unschuld des Securitas-Angestellten hat seinen Ursprung beim Spiel FC St.Gallen – FC Basel von Ende August 2012 in der AFG Arena. Vor der Partie kam es im Eingangsbereich des Gästesektors zu Ausschreitungen, nachdem ein Anhänger des FC Basel mit Pyros erwischt worden war. In der Folge wurde ein damals 18-jähriger FCB-Fan vor Gericht vom Vorwurf freigesprochen, einen Sicherheitsmann angegriffen zu haben. Dies allerdings nur, weil im letzten Moment entlastende Videobilder auftauchten. Zuvor hatten zwei Securitas-Angestellte, die an jenem Spiel im Einsatz standen, den Mann belastet.

"Gewusst oder in Kauf genommen"
Vor Gericht verantworten muss sich Ende Juni nun zunächst jener Securitas-Angestellte, der seinem angeblich angegriffenen Kollegen vor Gericht Rückendeckung gegeben hatte. Er sei sich sicher, dass es sein Kollege gewesen sei, der den Beschuldigten abgetastet habe, gab der Mann damals zu Protokoll – er fungierte bei jenem Spiel als Einsatzleiter der Securitas. Er sagte zudem aus, er habe gehört, wie sein Kollege den Basler Fan mehrfach vergeblich dazu aufgefordert habe, ins Stadion zu gehen. Dann habe er gesehen, wie der Fan gegenüber dem Securitas-Kollegen tätlich geworden sei. Laut dem Strafbefehl zeigt die Auswertung des Videomaterials das Gegenteil. Der fragliche Securitas-Mitarbeiter tastete den Basler Fan gar nicht ab – und laut Staatsanwaltschaft kann der Einsatzleiter weder Gespräche zwischen seinem Berufskollegen und dem Fan gehört noch angebliche Tätlichkeiten des Basler Anhängers gesehen haben. Der Einsatzleiter habe bei seiner Aussage "gewusst oder zumindest in Kauf genommen", dass er die falsche Person beschuldige. Trotzdem habe er seine Aussagen selbst nach Sichtung des Videomaterials weder relativiert noch darauf hingewiesen, dass in einer derartigen Auseinandersetzung Verwechslungen möglich seien.

"Das muss sich ändern"
Manuela Schiller wird dem Prozess gegen den Securitas-Mann Ende Juni vor dem St.Galler Kreisgericht beiwohnen – sie hatte die Ermittlungen gegen die Sicherheitsleute im Auftrag des zu Unrecht beschuldigten Basler Fans mit einer Anzeige ins Rollen gebracht. Sie hofft unabhängig vom Urteil, welches das Kreisgericht fällen wird, dass die Angelegenheit in künftigen Prozessen gegen Fussballfans ihre Wirkung entfalten wird. Jeder Einzelfall müsse genau geprüft werden, fordert sie. Und fügt an: "Ich staune oftmals, wie rasch Richter bereit sind zu glauben, es gebe keine begründeten Zweifel an den Aussagen von Sicherheitskräften. Das muss sich ändern."

Polizei übersah fragliche Szene

Anfang 2013 beschäftigte der Fall des jungen, zu Unrecht beschuldigten Basler Fans die Öffentlichkeit bereits einmal. Der Mann hatte gemäss seiner Anwältin Manuela Schiller von Anfang an erklärt, er habe den Securitas-Angestellten nicht getreten, und es gebe sicherlich Aufnahmen der Überwachungskameras, die seine Unschuld bewiesen. Als seine Anwältin versuchte, an die Videobilder zu kommen, hiess es von Seiten der St.Galler Staatsanwaltschaft wiederholt, es gebe keine beweisrelevanten Aufnahmen. Basler Fans spielten Schiller in der Folge eigene, den Angeklagten entlastende Aufnahmen zu. Schliesslich machte die Staatsanwaltschaft die offiziellen Videoaufnahmen doch noch zugänglich – sie bestätigten die Aussagen des Fans weitgehend. Der Fehler war laut der Staatsanwaltschaft bei der Polizei passiert: Der damalige Kommandant Pius Valier bestätigte gegenüber unserer Zeitung, dass es den Auswertern entgangen war, dass die den Fan entlastende Szene eben doch aufgenommen worden war. (dwa)