«Zürich wäre nicht meine Welt»

Diesen Freitag geht der Niederlassungsleiter der St. Galler Kantonalbank in Altstätten, Jean-Pierre Villommet, in Pension, ein Banquier von altem Schrot und Korn. Jetzt muss er sich Hobbies suchen: Sein Beruf war ihm stets Hobby genug.

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Jean-Pierre Villommet: Ein Bankfachmann von altem Schrot und Korn geht in Pension. (Bild: Max Tinner)

Jean-Pierre Villommet: Ein Bankfachmann von altem Schrot und Korn geht in Pension. (Bild: Max Tinner)

Wochenlang schien sich alles ums Geld zu drehen, um die Währungs- und Börsenkurse. Für einen Finanzspezialisten wie Sie muss das sehr spannend sein?

Jean-Pierre Villommet: Wie man's nimmt. Mir macht es eher etwas Bauchweh. Dass eine Nationalbank kaum mehr Möglichkeiten hat, sich zu wehren, wenn die heutige weltweite Spekulation gegen sie spielt, gibt mir schon zu denken.

In den letzten Jahren geriet das Bankwesen schwer in Kritik. War man in dieser Zeit gerne Banker, oder wäre man lieber Schreiner oder Bäcker gewesen?

Villommet: Das Image des Bankers hat stark gelitten. Aber ich denke, hier auf dem Land dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, noch Banquiers von altem Schrot und Korn zu sein.

Sie haben fast das ganze Berufsleben für denselben Arbeitgeber gearbeitet.

Villommet: Ja. Vielleicht weil man mir schon als sehr jungem Mitarbeiter viel Verantwortung zugetraut hat. Ich war damals der jüngste Handlungsbevollmächtigte. Und mit 24 wurde mir die Prokura erteilt, eine Beförderung, für die man in der Regel unter 30-Jährige nicht in Betracht zog.

Einen Grossteil ihres Berufslebens haben Sie im Rheintal gearbeitet. Fühlen Sie sich mittlerweile als Rheintaler?

Villommet: Ein wenig schon. Ich hab mich hier immer sehr wohl gefühlt. Für die Rheintaler Mundart fehlt mir aber das Talent.

Ist der Rheintaler ein guter Bankkunde? Kann er mit Geld umgehen?

Villommet: Ich sehe keine regionalen Unterschiede. Es gibt überall Leute, die besser, und Leute, die weniger gut mit Geld umgehen können. Aber ich denke der Rheintaler ist offen, ehrlich und vergleichsweise bescheiden. Vielleicht gefällts mir gerade darum hier so gut. Zürich wäre weniger meine Welt.

Altstätten ist aber mit seinen vielen Banken fast ein wenig der Paradeplatz des Rheintals.

Villommet: Das ist historisch bedingt. Altstätten hat Zentrumsbedeutung, früher allerdings mehr als heute.

Wenn Altstätten an Bedeutung verloren hat, aber immer noch gleich viele Banken hier sind, bedeutet dies dann, dass man sich gegenseitig auf die Füsse steht?

Villommet: Während in früheren Jahren «Leben und leben lassen» grösstenteils die Devise war, so ist heute der Verdrängungswettbewerb sicher härter geworden, spielt sich aber im sportlichen Rahmen ab.

Auch das Bankwesen selbst hat sich gewandelt.

Villommet: Und wie! Man denke nur an die Möglichkeiten, die der Computer geschaffen hat. Die erste elektronische Rechenmaschine, mit der ich auf der Bank zu tun hatte, kostete noch so viel wie ein VW. Wahnsinn! Dann kam das Internet mit nochmals neuen Möglichkeiten. Wir sind in eine spannende Zeit hineingeboren worden. Der innert kurzer Zeit erzielte Fortschritt ist gewaltig. Die Arbeit bei einer Bank ist dadurch interessanter geworden, aber auch anspruchsvoller und hektischer. Das hat auch zu Spezialisierungen in unserem Beruf geführt. Aber ehrlich gesagt: Mir hat die Zeit, als man auf der Bank noch Generalist war, besser gefallen.

Wird es Ihnen im Ruhestand nicht bald zu langweilig werden?

Villommet: Ich habe eine neue Aufgabe im Verwaltungsrat Haus Viva übernommen. Das wird mir ein wenig zu tun geben. Ich suche aber nicht aktiv Ämtli. Ich kann auch gut nur für mich sein. Ich brauche keine dauernde Action. Sollte es mir doch langweilig werden, wird sich sicher eine Aufgabe finden. Ich habe auch sieben Enkelkinder, für die ich jetzt mehr Zeit habe. Ausserdem haben mir meine Kinder wieder einen Hund geschenkt, einen Labradoodle; das ist ein Mischling Labrador-Zwergpudel.

Der möchte, dass man viel mit ihm spazieren geht ...

Villommet: Richtig. Das wird mir fürs Erste etwas Tagesstruktur geben. Das ist genau das Problem: Bislang hatte ich keine Zeit für Hobbies. Mir war die Arbeit Hobby genug. Interview: Max Tinner