Weihnachten ohne Hunkeler

Lange schon hatte es Hunkeler geplant: Weihnachten sollte ohne ihn stattfinden. Er würde verreisen. Pfarrer Daniel Mauerhofer erzählt eine Weihnachtsgeschichte.

Daniel Mauerhofer
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Dieses Jahr hat es Hunkeler geschafft. Er sitzt im Flugzeug nach Thailand. Weihnachten wird ohne ihn stattfinden. (Bild: Shutterstock)

Dieses Jahr hat es Hunkeler geschafft. Er sitzt im Flugzeug nach Thailand. Weihnachten wird ohne ihn stattfinden. (Bild: Shutterstock)

Hunkeler lehnte sich in seinen Sitz zurück und nippte zufrieden an seinem Campari Orange, den ihm die Stewardess gebracht hatte. Dieses Jahr hatte er es geschafft. Dieses Jahr würde Weihnachten ohne ihn stattfinden. Kein Stress mit den Geschenken, keine langweiligen Familienfeiern, keine öden Weihnachtsgottesdienste. Ja, dieses Jahr musste Weihnachten ohne Hunkeler auskommen. Diesmal streikte er.

Kurzentschlossen hatte er zwei Wochen in einem Ferienresort an Thailands Westküste gebucht. Zwei Wochen Sonne, Meer und Strand.

Es begann schon am zweiten Tag. Hunkeler ertappte sich dabei, wie er an der Hotelbar plötzlich an Glühwein und Weihnachtsguetzli dachte. Sofort verscheuchte er diesen Gedanken. Wie konnte er nur! Nun war er doch extra nach Thailand geflohen, um dem Weihnachtsrummel zu entkommen.

Das sollte ein einmaliger Ausrutscher gewesen sein. Ab jetzt würde er die ganzen zwei Wochen nie mehr an Weihnachten denken.

Hunkelers Verdängungsstrategie war erfolgreich. Allerdings nur bis zum nächsten Tag. Als er am Strand liegend den Palmen zuschaute, die sich im Wind hin- und herbewegten, schweiften seine Gedanken plötzlich zum Christbaum, der früher – in seiner Kindheit – immer in der Stube gestanden hatte. Die Mutter hatte ihn immer liebevoll geschmückt.

Stop! Hunkeler ärgerte sich über sich selbst. Schon wieder hatte ihn Weihnachten eingeholt. Ab jetzt würde er jeden Gedanken an Weihnachten im Keim ersticken.

Am folgenden Tag ging Hunkeler wie jeden Tag als Erstes unter die Dusche. Wie jeden Tag sang er dabei aus voller Kehle. Erst bei der dritten Strophe realisierte Hunkeler, dass er – ohne es zu merken – «O du fröhliche» gesungen hatte. Da musste er sich eingestehen: Weihnachten konnte ohne Hunkeler auskommen. Aber Hunkeler offenbar nicht ohne Weihnachten.

In Gedanken überschlug Hunkeler sein Reiseprogramm. Am Abend vor Dreikönig würde er nach Hause kommen. In seiner Wohnung würde kein Christbaum stehen, in seiner Küche gab es keine Weihnachtsguetzli und in seinem CD-Gestell befand sich keine Weihnachtsmusik.

Aber er fasste einen Entschluss: Er würde am Dreikönigstag – ganz gegen seine Gewohnheit – in den Gottesdienst in seiner Kirche gehen. Die Heiligen Drei Könige waren ja schliesslich auch mit etwas Verspätung beim Jesuskind angekommen. Und so würde dieses Jahr halt auch Hunkeler mit Verspätung Weihnachten feiern. Er hatte schliesslich etwas nachzuholen.