VEREIN TIPITI
Mamis und Papis auf Zeit gesucht

Der Verein Tipiti sucht Familien, die vorübergehend Säuglinge und Kleinkinder bei sich aufnehmen.

Gert Bruderer
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Patrick Horber und Jasmine Häni liegt das Wohl von Kindern besonders am Herzen. Für ihren Arbeitgeber, den Verein Tipiti, suchen sie nun weitere Familien, die vorübergehend ein Kind bei sich aufnehmen können.

Patrick Horber und Jasmine Häni liegt das Wohl von Kindern besonders am Herzen. Für ihren Arbeitgeber, den Verein Tipiti, suchen sie nun weitere Familien, die vorübergehend ein Kind bei sich aufnehmen können.

Bild: Gert Bruderer

Der in Lüchingen lebende Patrick Horber und Jasmine Häni aus Rebstein arbeiten bei Tipiti in einem zehnköpfigen Team. Horber leitet den Bereich «Familienangebot für Kinder», die ehemalige Bellevue-Werkstattleiterin Jasmine Häni ist seit Anfang Jahr für die gleiche Abteilung tätig. Sie bezeichnet es als «megaschön», Kindern, die sonst in ein Heim kämen, einen Platz in einer passenden Familie zu verschaffen.

Verein arbeitet schon mit 20 Familien zusammen

Es kommt aus verschiedenen Gründen vor, dass Säuglinge oder Kleinkinder nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können. Hat eine Mutter oder haben Eltern vor, ihr Neugeborenes zur Adoption freizugeben, wird für dieses Kind eine Übergangspflegefamilie gesucht. Dort soll es bleiben können, bis seine Perspektive geklärt und eine Anschlusslösung gefunden ist.

Auch Säuglinge und Kleinkinder, deren Mütter oder Eltern sich in einer persönlichen Krise befinden, sollen in einem schönen Zuhause das bekommen, was sie für eine gesunde Entwicklung benötigen.

Der Verein arbeitet mit rund 20 Familien zusammen, die für eine «Übergangspflege» in Frage kommen. Diese Familien sind vor allem in den Kantonen Zürich, Aargau und Bern zu Hause. Tipiti ist nun bestrebt, vor allem in der Ostschweiz – und mit Blick auch aufs St.Galler Rheintal – fünf zusätzliche Familien dazuzugewinnen.

Im ehemaligen Union-Gebäude in Altstätten unterrichtet Tipiti Flüchtlingskinder.

Im ehemaligen Union-Gebäude in Altstätten unterrichtet Tipiti Flüchtlingskinder.

Bild: Gert Bruderer

Wie es dazu kommen kann, dass für ein Kleinkind oder einen Säugling für eine gewisse Zeit eine Pflegefamilie zu finden ist, beschreibt das unten stehende Fallbeispiel («Oft will Mutter Kind zurück»). Es kommt auch vor, dass eine Mutter bzw. die Eltern eines Kindes schon vor der Geburt beschliessen, ihr Kind zur Adoption freizugeben. Die Adoptionsfreigabe kann frühestens sechs Wochen nach der Geburt unterschrieben werden; weitere sechs Wochen dienen der Möglichkeit, den Entscheid zu widerrufen. Verstreicht diese Frist, wird die Adoptionsfrei­gabe rechtskräftig. Etwa ein Drittel der Mütter oder Eltern zögen den Entscheid in den ersten zwölf Wochen zurück, weiss Pat­rick Horber. Die durchschnittliche Dauer einer Übergangsplatzierung gibt er mit neun Monaten an.

Weil nicht alle Mütter oder Eltern in der Lage seien, selbst täglich für ihr Kind zu sorgen, kommen einige Kinder nach der Übergangspflege in eine Langzeitpflegefamilie.

Tipiti-Vorschulunterricht fürs Bundesasylzentrum

Der Verein Tipiti ist auch in anderen Bereichen aktiv. In Altstätten führt der Verein den Volksschulunterricht für das im Ort angesiedelte Bundesasylzentrum. Den Auftrag hierzu hat Tipiti vom kantonalen Bildungsdepartement. Der Schulraum befindet sich im ehemaligen Union-Gebäude an der Bahnhofstrasse.

Die Kinder und Jugendlichen halten sich während rund drei Monaten im Bundesasylzentrum auf. In dieser Zeit werden sie von Lehrpersonen umfassend gefördert. Deutsch, Mathematik sowie Selbst- und Sozialkompetenz sind die Schwerpunkte. Im kantonalen Schulblatt vom Oktober 2019 beschrieb die frühere «Rheintaler»-Redaktorin Marion Loher das Tipiti-Wirken in Altstätten und stellte fest: «Den Kindern gibt der schulische Alltag Si­cherheit in einer ungewissen Zeit.»

Unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge betreut

Im Auftrag des Kantons Ap­penzell Ausserrhoden betreut der Verein Tipiti alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge MNA (mineurs non accompagnés), die dem Kanton vom Staatssekretariat für Migration SEM via die Bundesempfangsstellen für Asylsuchende zugewiesen werden. Weil die Zahl der zugewiesenen MNA seit 2017 kontinuierlich abnimmt, hat der Verein vorletztes Jahr die Bereiche «Flüchtlinge» und «Jugendliche» zusammengelegt. Alle Jugendlichen, egal welcher Herkunft und ungeachtet ihres Status, werden nun vom St.Galler Tipiti-Büro betreut.