So schmeckt das Rheintal

Kantinen gehören zum Arbeitsleben vieler Rheintaler wie Schraubenzieher und Bürostuhl. Wir haben uns durchgegessen – von SFS über Jansen und Leica bis zur Kantonsschule. Ein Frontbericht von Seraina Hess (Vegi-für-ein-paar-Tage) und Samuel Tanner (Menü-1-Aficionado) Kanti: In der Lobby Leica: Abzug bei der Optik SFS: Aber bitte mit Karte Jansen: Kindsgi oder Atelier

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Bild: Quelle

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Vielleicht für den Fall, dass sich Schüler über eine fehlende Lobby beklagen, hat man ihnen an der Kantonsschule Heerbrugg schon mal eine gebaut. An diesem Dienstagmittag, 11.58 Uhr, sieht die Mensa der Kanti aus wie die überlaufene Lobby eines Hilton-Hotels. Ein hoher Raum, viel Neonlicht, viel Braun und Grau. Zuständig für die Farbe: die Schülerinnen und Schüler. Wir essen hier mit der Elite von morgen, darunter kritische Zeitgenossen. Hauptsache mehr Wasser als Gemüse, kommentiert einer den Beilagentopf.

Nicht so vorschnell!, würden Lehrer mahnen.

Und tatsächlich: Das Menü 1 schmeckt. Es gibt Cervelats, mit Speck umwickelt und mit Käse gefüllt. Dazu Zucchetti, Blumenkohl und Rüebli (angenehm guter Biss), Kartoffelschnitze mit feinem Gewürz und Zwiebelsauce für 7.90 Franken. Ein Menü wie aus der 30-Minuten-Küche von Jamie Oliver. Irgendwie hip, irgendwie nicht ganz ungesund. Mein einziges Problem mit diesem Zmittag: Entweder zu viel Kartoffelschnitze oder zu wenig Sauce.

Das ist natürlich eine Huhn-Ei-Diskussion!, würden Lehrer sagen.

Die Kollegin Vegi ist derweil ziemlich angetan von ihrem Brain Food – Futter fürs Hirn, sozusagen. Sie hat sich diese kleine Box mit Cashew-Nüssen und Cranberries zusätzlich zum selber gemachten Eistee und zum Vegi-Menü geholt: Kartoffel-Blumenkohl-Zucchetti-Auflauf (insgesamt 11.80 Franken). Gut gewürzt, aber wässrig, sagt sie. Gut gemeint, aber langweilig, denke ich.

Vorbildlich!, würden Lehrer loben.

Was uns gefiel: Eine Karte, die bei zwölf Punkten eine Sonnenbrille, einen Ball oder einen Turnsack verspricht. Der Koch, der darauf hinweist, dass Brot gratis ist. Der Salat, der nicht nur aus ein paar hingeworfenen Blättern besteht, sondern fein drapiert ist. Die Auswahl an Saucen (3). Die abschätzigen Mädchenblicke, als eine Gruppe anderer Mädchen vorbeigeht (grosses Kino). Der Bub, der tschick von Wolfang Herrndorf liest (aus dem wird mal was!).

Was uns nicht gefiel: Wir kamen mit dem Glockenklingeln und standen 19 Minuten fürs Essen an. Das Wochenmenü, das so wenig stilvoll auf jung macht wie ein alter Mann, der YOLO sagt: Riesen-Hotdog. (sta)

Aus allen Richtungen und Hierarchiestufen kommen sie ins Optik-Hus, Manager, Lehrlinge, Abteilungsleiter – was sie eint, ist der Badge am Hosensack. Darauf steht: Leica Geosystems, Leica Microsystems oder sonst ein vorzeigbarer Titel. Sie kommen in grossen Gruppen, oft bestehen Ess-Gemeinschaften seit Jahrzehnten. Und innerhalb der Gruppe gleichen sie sich je älter, desto eher. Es ist wie bei alten Ehepaaren.

Beim Eingang steht ein Schaukasten, die Leica-Mensa ist öffentlich und soll auch Auswärtige anlocken. Für den Menu-1-Aficionado gibt es heute Riz Casimir und Salat für 12.90 Franken (Angestellte mit Badge bezahlen weniger). Skilager-Groove im Optik-Hus. Die Curry-Sauce schmeckt, das Gericht ist sonst aber ziemlich lieblos hergerichtet: Dem Casimir fehlen die Früchte, dem Teller fehlt jegliche Verzierung. Bei Firmen-Kantinen kann man sich natürlich immer fragen, inwiefern sie die Kultur im Unternehmen widerspiegeln. Geht es hier darum, sich bescheiden zu geben?

Beim Blick in den Teller der Vegetarierin verfliegt dieser Gedanke rasch. Sie isst Rüebli-Kraut-Salat, Falafel-Burger und Kartoffelschnitze im viereckigen Spezialteller (17.50 Franken für Gäste). Ein Menü mit Chefetagen-Flair.

Man gibt sich hier sowieso international und geschäftig: Die Gerichte werden draussen auf der Karte auch in englischer Sprache angeschlagen. Hinter uns sitzen Krawattenträger beim Business-Talk. Und neben uns sitzt eine Frau, die bedeutungsschwanger die Augenbraue hebt und ihrem Esspartner dann sagt: «Weisch, ich schaff halt gern mit Lüüüt zemme.» Aha.

Während Kollegin Vegi-für-ein-paar-Tage gegen ihren Falafel-Burger kämpft, fällt mir ein, welches Restaurant als Vorbild fürs Optik-Hus gedient haben muss: Im Säntispark gab es einmal ein Migros-Restaurant in den Farben Türkis und Blau – da konnte man in den Badehosen Schnipo essen. Es wurde inzwischen ersetzt.

Hier sieht es ähnlich aus. Geschätzt: 70er-Jahre-Stimmung. Aber die soll ja wieder angesagt sein. (sta)

Nur Bares ist Wahres, sagt der Volksmund. Für gewöhnlich mag das ja auch in Restaurants stimmen, jedoch nicht in der Kantine von SFS. Sie ist das Pre-Payed-Personalrestaurant im Rheintal: Hier bekommt sein Mittagessen nur, wer ein aufgeladenes Kredit-Kärtli besitzt.

Natürlich haben nur Mitarbeiter ein solches – dem Ersatz-Zmittag aus dem Coop-Restaurant entkommen wir deshalb nur knapp. Dank einer Sekretärin, die ganz schön ins Schwitzen kam. Doch SFS wäre nicht SFS, hätte die Dame nicht den Einfall gehabt, uns als Kunden auszugeben und den Preis über die Geschäftsspesen zu verrechnen. Turn ideas into reality, steht auf der Firmen-Homepage. Die Sekretärin hält sich daran.

Ganz in ihrem Element, gab sie sogar eine Gratis-Führung durch die Räume von SFS, bis hin zum Buffet. Und das sieht herrlich aus mit den schön drapierten Salaten, den verschiedenen Menüs, die bereits auf dem Bildschirm am Eingang angepriesen werden. Der Kollege Fleischliebhaber lässt sich auf seinen Teller grosszügig Pastetli mit Rindsgeschnetzeltem und Rüebli-Buverli schöpfen, 6.90 Franken, eher eine Portion für Polymechaniker als für einen Büroangestellten. Ein gar biederes Menü, finde ich, und bin zufrieden, für ein paar Tage Vegi zu sein. Das ändert sich schlagartig, als ich mich in die Vegi-Schlange stelle. Pfannkuchen mit Honig-Apfel-Kompott und Vanillesauce. Ein Dessert zum Zmittag?

Die Rettung: der hilfsbereite Koch hinter dem Tresen, ein Wegweiser zum Selbstbedienungsbuffet mit warmen Speisen, währschaft und gut gewürzt. Den grossen Teller gibt es ebenfalls für 6.90 Franken, darauf schöpfe ich Krautwickel mit Quorn-Füllung, Blumenkohl, Gorgonzola-Tortellini und ein paar Croquetten. Im Vergleich zu den Pfannkuchen eine fade Farbkombination mit Gerichten, die hinten und vorne nicht zusammenpassen. Selbst geschöpft ist selbst geschöpft, fein ist es auf jeden Fall.

Das Publikum in der SFS-Kantine besteht vor allem aus Karten-zückenden Männern; die Sekretärin, eben noch damit beschäftigt, uns das Angebot zu erklären, gehört zu den wenigen Frauen im Raum. Rechts sitzt ein Mann mit Techniker-Brille, links einer, der aussieht wie Steve Jobs. Die Kantine versprüht ein modernes Flair, ist hell, an giftgrünen Wänden hängen Bilder mit Ananas, Sternfrucht und Kirschen. Man könnte meinen, man befinde sich in einem hippen Vegi-Restaurant oder gar in einem Ikea-Möbelhaus.

Nach dem Kaffee geht es für uns zurück zur Rezeption, die meisten Angestellten haben das Lokal schon verlassen. Ohne Sekretärin wird der Rückweg aber schnell zum Labyrinth. Vor allem, wenn man auf dem Firmenareal von einem ins nächste Gebäude wechseln will, steht man vor einem unüberwindbaren Hindernis: Ohne Karte bleibt die Tür verschlossen. (seh)

Bon appétit. Bon appétit. Bon appétit. Das Jansen-Personalrestaurant begrüsst seine Gäste in Endlosschlaufe. An der Decke reihen sich grosse weisse Lettern aneinander, passend zu den Farbklecksen an den Wänden, die der Kantine das Aussehen eines Google-Entwicklungs-Ateliers verleihen. Oder, wenn man so will, das Ambiente eines Kindergartens.

So nett die Decke uns auch begrüsst, gegen Chefkoch René Schirmer kommt sie nicht an. Er erklärt das System seiner Kantine, das sogenannte Vier-Punkte-System: Es gibt Fleisch, Beilage, Gemüse, Salat, Suppe und Fruchtsaft – daraus sind vier Elemente auszuwählen. Als Vegi nehme ich drei Frühlingsrollen, Auberginen-Auflauf, Gnocchi, Gurken- und griechischen Salat. Für Interne kosten die Menüs 9 Franken, für mich sind es 13. Aber Externe sind ja eigentlich nicht zugelassen, ausser es sind Handwerker, die auf dem Jansen-Campus arbeiten. Was kurz vor der Kasse auffällt: Ein Glas selbst gemachter Eistee ist im Preis inbegriffen.

Während der Kollege noch immer isst – Fleischvögel, Kartoffelstock, gebackene Tomaten und einen gemischten Salat – ist es Zeit für einen Rundgang. Mit Herrn Schirmer, natürlich. Vorbei am Buffet, hinter dem auf einer überdimensionalen Schiefertafel die Menüs in bunter Schrift präsentiert werden, betreten wir durch eine Passage den zweiten Teil der Kantine. Das Kreativ-Atelier im Rücken, verschwinden in dieser Nische des Restaurants die knalligen Farben und weichen vornehmlich hellen Tönen, auf einzelnen Tischen liegt Gedeck. Obwohl auch dieser Teil für Mitarbeitende zugänglich wäre, sitzt niemand hier. Der Raum, so erzählt Schirmer, werde vor allem für Geschäftsessen genutzt.

Zurück am Tisch, stochert der Kollege in seinem Essen. Exzellent, ja, die Jansen-Mitarbeiter können sich heute glücklich schätzen. Aber zu viel, findet er.

Doch Chefkoch Schirmer ist noch nicht zufrieden und schickt in diesem Moment eine Küchenmitarbeiterin los. Mit zwei gestylten Desserts, die man auch in einem Gourmet-Restaurant hätte servieren können, steuert sie auf unseren Tisch zu. Wir werten das mal nicht als Bestechungsversuch. Wäre ja auch gar nicht nötig gewesen. (seh)

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Bon appétit. Bon appétit. Bon appétit: Jana Walker und Thomas Maissen essen mehrmals in der Woche im Personalrestaurant der Jansen AG. (Bilder: Samuel Tanner/Seraina Hess)

Bon appétit. Bon appétit. Bon appétit: Jana Walker und Thomas Maissen essen mehrmals in der Woche im Personalrestaurant der Jansen AG. (Bilder: Samuel Tanner/Seraina Hess)

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