Nicht ganz frei von Humor

In St. Margrethen gibt es kaum mehr Fasnacht. Der zentrale Fasnachtsanlass im Dorf ist inzwischen der Fasnachtsgottesdienst in der reformierten Kirche. Er fand letzten Sonntag statt. Pfarrer Sven Hopisch hätte nächstes Jahr die Katholiken gern wieder dabei.

René Schneider
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Pfarrer Sven Hopisch (Bild: René Schneider)

Pfarrer Sven Hopisch (Bild: René Schneider)

Herr Pfarrer Hopisch, die Reformierten gelten traditionell nicht grad als überbordende Stimmungskanonen. Können und dürfen Reformierte Fasnacht machen?

Sven Hopisch: Auf jeden Fall! Es ist ja nicht so, dass alle Reformierten zum Lachen in den Keller gehen.

Es gibt aber solche?

Hopisch: Bestimmt. Ich kenne aber auch Katholiken, die gänzlich frei von Humor sind. Doch hat Fasnacht und das Lachen auch eine religiöse Komponente. Das Christentum pflegt an Ostern das Osterlachen. Vielleicht sind wir Reformierten etwas nüchterner in der Weltsicht, aber ich finde, Lachen und Fröhlichkeit sind wichtig.

Luther war doch ein durchaus sinnenfroher Mensch?

Hopisch: Naja, der konnte auch sehr böse sein. Zwingli in Zürich und Calvin in Genf wirken sehr ernst. Vielleicht prägte das die Haltung der Reformierten zum Lachen und zur Lebensfreude

Im Rheinland gründet die Tradition der Fasnacht eher auf behördlich geduldete Narrenfreiheit. In der Schweiz eher auf dem Austreiben von Geistern und Dämonen. Welche Fasnacht liegt Ihnen näher?

Hopisch: Ich bin mit der rheinischen Fasnacht aufgewachsen, aber beides hat ja den gleichen Ursprung. Die Wintergeister spuken auch noch durch die rheinische Fasnacht. Unterschiedlich ist erst die heutige Ausprägung der Fasnacht, also eher auf den Strassen oder eher in den Sälen. Das Dämonenaustreiben ist in beiden Formen in den Hintergrund getreten.

Sie haben in Mainz studiert. Was bedeutet Ihnen die Fasnacht?

Hopisch: Sie war mir als Kind wichtiger als sie es mir heute ist. Für Kinder ist sie etwas ganz Besonderes. Bei den Erwachsenen tritt eher das gemeinsame Feiern in den Vordergrund als die eigentliche Fasnacht. An der «Meenzer Fassenacht» habe ich immer gemocht, dass es auch einen gesellschaftskritischen und politischen Aspekt gibt.

Was ist die eigentliche Fasnacht?

Hopisch: Es ging ursprünglich darum, an der Nacht vor Beginn der Fastenzeit, also am Fasnachtsdienstag, noch einmal so richtig auf den Putz zu hauen und die Sau raus zu lassen. Das Institutionelle an der heutigen Fasnacht mit Beginn schon im November liegt mir nicht.

Hatten Sie die Idee für diese Art von Gottesdienst?

Hopisch: Nein. Es gibt den Fasnachtsgottesdienst schon seit 2009. Die Fasnachtsclique St. Margrethen regte damals einen ökumenischen Fasnachtsgottesdienst an und half bei der Realisation mit. Bis 2012 fanden dann jährlich ökumenische Fasnachtsgottesdienste in St. Margrethen statt. Dann stieg 2013 die katholische Seite aus; mit Verweis auf die Bildung der neuen Seelsorgeeinheit. Wir bedauern das sehr, die Fasnachtsclique wie die Kirchenvorsteherschaft. Wir machen jetzt den Anlass seit letztem Jahr ohne offizielle Vertreter der katholischen Kirche.

Sind in der Fasnachtsclique auch Katholiken?

Hopisch: Ja, klar. Ich glaube, dass sogar die Mehrheit in der Clique katholisch ist.

Waren Sie kostümiert? Oder war der Talar für einmal Kostüm?

Hopisch: Nein. (lacht) Der Talar ist heute fast wie ein Kostüm. Jedenfalls ist er weder ein heiliges noch ein liturgisches Gewand. Es soll lediglich von der Person des Pfarrers ablenken. Ich trug den Talar am Fasnachtsgottesdienst, um klarzumachen, dass das keine Fasnachtsparty, sondern ein Gottesdienst ist. Ich trage den Talar in jedem Gottesdienst.

Hörten Sie kritische Stimmen zum Fasnachts-Gottesdienst?

Hopisch: Kaum. Es gibt welche, habe ich mir sagen lassen, die meinen, dass Fasnacht in der evangelischen Kirche nichts zu suchen habe. Andere finden, dass dieser Rahmen nicht feierlich und festlich genug sei. Persönlich hörte ich nur eine Kritik: Guggenmusik in der Kirche sei zu laut, und es kämen zu viele Auswärtige.

Doch war die Kirche nicht zuletzt wegen denen voll?

Hopisch:Ja. Der Fasnachtsgottesdienst wollte ursprünglich die Fasnachtstradition des Dorfes aufnehmen und vor allem die Menschen aus dem Dorf anziehen. Inzwischen ist der Fasnachtsgottesdienst der zentrale Fasnachtsanlass im Dorf.

Der reformierte Pfarrer Renato Tolfo hat vor Jahren in Berneck und jetzt in Rebstein Fasnachtsgottesdienste etabliert. Die Rebsteiner Fasnachtsgesellschaft wählte ihn dieses Jahr zum Obervogel. Wussten Sie davon?

Hopisch: Ja. Unsere Fasnachtsclique war im Gottesdienst in Rebstein, und in der Zeitung habe ich gelesen, dass Renato Tolfo zum Obervogel gewählt wurde. Er hat das Glück, dass sein Gottesdienst ökumenisch gefeiert wird. Wir würden das gern auch wieder so haben.

Haben die Fasnacht und die christliche Kirche gemeinsame Wurzeln oder gar reformierte Wurzeln?

Hopisch: Christliche Wurzeln sicher, speziell reformierte würde ich nicht sagen. Es ging um das Feiern und Fröhlichkeit vor der Fastenzeit. Das Christentum war immer geschickt im Anpassen und Aufnehmen dessen, was schon da war. Weihnachten zur Sonnenwende oder Ostern zum Frühlingsvollmond.

Ist jede Anpassung an den Zeitgeist richtig, um die Kirche zu füllen?

Hopisch: Nein. Das wäre allenfalls kurzfristig erfolgreich. Es müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein. Der Fasnachtsgottesdienst entsprach dem Wunsch eines Teils der Gemeinde. Und das Neue muss kirchlich, christlich bleiben. Wenn es nicht mehr um christliche Inhalte, geht, würde ich Abstand nehmen.

Gingen auch Rapper oder Motorräder im Gottesdienst?

Hopisch: Motorrad-Gottesdienste gibt es, aber ich denke, dass meine Frau und ich nicht die Richtigen wären, so etwas zu tun. Es hängt stark mit der Persönlichkeit der Pfarrer zusammen und wie erwähnt damit, wie das Neue zustande kommt. Wenn die Motorradfahrer in der Gemeinde den Wunsch haben nach einem speziellen Gottesdienst für sie, und der Pfarrer selber ein Biker ist, kann das gut werden.

Aus dem Rahmen fallen, das Motto des Fasnachtsgottesdienstes, ist das allgemein gut oder schlecht?

Hopisch: Wenn es nur darum geht, im Schutz einer Verkleidung, einer Maske, einfach alle Regeln über Bord werfen zu können, finde ich das «aus dem Rahmen fallen» schlecht. Wenn ich das aber so verstehe, dass ich Gewohnheiten durchbreche, mich ändere und auf diese Art aus dem Rahmen falle, dann ist es wiederum gut. Gerade das Letzte halte ich für etwas sehr Christliches und auch gerade Reformiertes.