Seit 50 Jahren bereiten die Balgacher Räblus-Köche aus einfachen Zutaten Spitzenmenüs zu. Zum Jubiläum im Juni werden sie sich aber bekochen lassen – nicht von ihren Frauen, sondern von den Kollegen der Burgchuchi Rhynegg.
BALGACH. Frauen an den Herd? Eine Frau, die einen Räblus-Koch zu Hause hat, muss sich etwas weniger über das Paschagehabe ihres Mannes ärgern als manche andere. Ihr Göttergatte stellt sich nämlich auch selbst einmal in die Küche und bekocht sie. Sich selbst natürlich auch, steigert doch jeder Schlenker mit dem Schneebesen und jedes Umrühren mit dem Kochlöffel die Vorfreude auf das feine Essen danach.
Am Herd stehen die Räblus-Köche seit 50 Jahren. Die späteren Gründer des Kochclubs wollten damals, im Herbst 1963, eigentlich an einem Kochkurs der Widnauer Schmugglerchuchi, einem weiteren, mittlerweile aufgelösten, Verein kochender Männer, teilnehmen. Die Balgacher waren aber überzählig. Und für einen zweiten Kurs zu wenige. Sie entschlossen sich, selber einen zu organisieren. Die nötigen Teilnehmer hatte man bald beisammen.
Einige trafen sich auch nach dem Kurs noch sporadisch beim damaligen «Steg»-Wirt Viktor Di Lena, der ebenfalls am Kurs teilgenommen hatte. Bald einmal reifte der Gedanke, diese Treffen zu institutionalisieren. Zusammen mit Albrecht Oesch und Gottfried Bircher lud Di Lena die Kursteilnehmer vom Winter zuvor zur Gründung eines Vereins ein. Die Versammlung fand am 2. Mai 1964 statt. Benannt wurde der Kochclub nach der Räblus (Reblaus), was nicht nur die Verbundenheit zum Weindorf Balgach zum Ausdruck bringt, sondern auch, dass die Räblus-Köche einen edlen Tropfen zum feinen Essen durchaus zu schätzen wissen.
Das ist im Kochclub auch heute, im 50. Jahr seines Bestehens, noch so. Der Räblus-Chuchi gehören aktuell zwölf aktive Köche an, wovon einer, der Heerbrugger Stefan Müller, noch «Mitkocher» ist. «Mitkocher» sind in der Räblus-Chuchi die Aspiranten, die sich vor der definitiven Aufnahme in die illustre Runde sechsmal bewähren müssen. Das klingt anspruchsvoller als es ist. Der bekannte Chorleiter und Komponist – und Gründungsmitglied! – Dölf Schelling hat zwar der Räblus-Chuchi sogar ein eigenes Lied geschrieben und sähe es nicht ungern, wenn das Singen des Lieds Aufnahmebedingung wäre. Weil in der Runde das Kochen aber wichtiger ist als das Singen, muss man sich in der Zeit als Mitkocher vor allem als engagierter Koch und guter Kamerad beweisen.
Weitere Mitglieder, so dass zu den heutigen drei vielleicht noch eine vierte Kochgruppe gebildet werden könnte, wären willkommen. Vorausgesetzt wird, dass man Freude am Kochen hat und sich die Zeit für die monatlichen Treffen nimmt. Auch sollte man dann und wann Zeit für ausserordentliche Einsätze aufbringen können. Die Räblus-Chuchi wird nämlich auch gelegentlich engagiert, für Versammlungen oder Firmenanlässe zu kochen. Ausserdem führt man selber jährlich eine Metzgete durch, die im Dorf regen Anklang findet. Auch darum sollte man nicht gerade Veganer sein, wenn man sich für einen Beitritt interessiert, meint Stefan Gemperle. Man wäre der einzige im Club.
Die Runde ist eine bunt zusammengewürfelte Truppe. Ein Elektroingenieur kocht ebenso mit wie ein Malermeister, die ältesten Köche sind pensioniert, der jüngste, Mitkocher Stefan Müller, erst 33. Dies ermögliche es ihm, eine neue, junge Note reinzubringen, sagt dieser. «Andere gehen einmal die Woche turnen oder singen, ich gehe Darts spielen und einmal im Monat kochen.» Müller, der sich auch gerne Kochsendungen anschaut, vor allem jene des britischen Starkochs Jamie Oliver, gibt zu, dass ihn die Räblus-Chuchi sogar etwas überrascht hat. Es werde innovativer gekocht als er es von der gestandenen Truppe erwartet hätte.
«Es macht halt einfach Spass», sagt der Lüchinger Viktor Di Lena, der vor ein paar Jahren den Platz des gleichnamigen und in den Kochruhestand getretenen Vaters eingenommen hat.
Die Köche der Räblus-Chuchi treffen sich jeweils am ersten Donnerstag des Monats im Restaurant Sonnegg von Katharina und Urs Graf. Letzterer ist selbst Mitglied, und das schon seit 20 Jahren. Dass während dieser Treffen nie alle Räblus-Köche kochen, sondern stets nur eine vierköpfige Gruppe, hat gute Gründe. Bekanntlich verderben zu viele Köche den Brei. Und ausserdem stünde man sich nur gegenseitig im Weg. Dies hat dazu geführt, dass zwischen den Kochteams ein Wettbewerbsdenken herrscht, das zu immer neuen Höchstleistungen anspornt.
Das macht Regeln nötig. «Sonst würde es ausarten», sagt der aktuelle Räblus-Kochpräsident Stefan Gemperle. So ist festgelegt, dass die Kosten des in der Regel viergängigen Menüs pro Kopf nicht mehr als 25 Franken betragen dürfen. «Den Wein eingerechnet», betont Gemperle.
Dies schränkt die Menüwahl freilich schon recht ein, motiviert aber umso mehr, aus einfachen Zutaten etwas Besonderes zu kochen. So gab es am Februar-Räblus-Kochabend nach einem Apéro mit warmen Häppchen einen Saisonsalat mit einer Käseterrine auf lauwarmem Traubenbeet und als Hauptgang geschmorte Kalbshaxen auf Saucengemüse mit Polenta und Spätzli als Beilage. Zum Dessert dann einen frischen Fruchtsalat mit Beerenglace unter einer Schlagrahmhaube. Und zum Abrunden servierten die Köche des Abends einen Kaffee, flankiert von einem Grappa. Als Belohnung erwartete sie die Kritik der Kollegen.
«Diese Kritikrunde gehört halt zu jedem Abend dazu», erklärt Stefan Gemperle, «sie hilft uns, besser zu werden.» Als Massstab wird jeweils das Rezept genommen, das hinten auf der Menükarte dem ganzen Verein zum Nachkochen zur Verfügung gestellt wird. Verantwortlich für das Rezept ist der Küchenchef des Abends. In dieser Rolle wechselt man sich ab. In der Regel trifft es jeden einmal im Jahr. Zum Menü-Zusammenstellen gehört auch das Einkaufen der Zutaten und die Instruktion der Köche in der Gruppe, die sich meist ein paar Tage vor dem Kochabend zu einer Vorbesprechung treffen.
Ihr 50-Jahr-Jubiläum werden die Räblus-Köche am Samstag, 21. Juni, feiern. Dann werden sie für einmal nicht selber kochen, sondern sich bekochen lassen. Nicht von ihren Frauen, sondern von den Kollegen der Burgchuchi Rhynegg.
Die Jubiläumsfeier wird nicht öffentlich, sondern Mitgliedern und Ehemaligen sowie geladenen Gästen vorbehalten sein. Die Dorfbevölkerung wird aber ebenfalls nicht zu kurz kommen. Diese will man zu einem separaten, noch nicht terminierten Anlass einladen.