ALTSTÄTTEN. Mit knapp 40 Jahren wurde der am Vierwaldstättersee aufgewachsene Paul-Josef Hangartner Chefarzt am Spital Altstätten. Nun geht er nach über 25 Jahren in dieser Position in Pension. Er wird mit seiner Frau in Altstätten bleiben.
Paul-Josef Hangartner: Ich bin in der Innerschweiz aufgewachsen, in Brunnen. Nach Gymnasium und Studium habe ich an verschiedenen Spitälern gearbeitet. Zuletzt am Universitätsspital Zürich. Dann hat es sich ergeben, dass man in Altstätten einen Chefarzt für die innere Medizin gesucht hat.
Hangartner: Altstätten ist zwar mein Heimatort. Aber das war nicht die Motivation, mich hier zu bewerben. Ich wusste zwar, dass Altstätten ein Spital hat; damals war es noch ein Gemeindespital. Aber im Übrigen kannte ich Altstätten kaum. Ich gehörte bereits der zweiten Generation meiner Familie an, die auswärts aufgewachsen ist.
Hangartner: Ich wollte von dem riesigen Betrieb weg, der das Unispital damals schon war, wieder in ein kleineres Spital. Es war meine erste Bewerbung – und ich war fast erstaunt, dass ich die Stelle bekommen habe. Ich war ja erst 39, knapp 40. Das war für diese Position auch damals relativ jung.
Hangartner: Davon gehe ich aus (lacht). Tatsächlich ist es so, dass die Spitalleitung einen Internisten mit besonderen Kenntnissen in der Behandlung von Magen-Darm-Krankheiten wünschte. Man wollte jemanden, der sich mit den neuesten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auskennt: Endoskopie und Ultraschall. Darin sah man die Zukunft, und ich konnte dieses Wissen bieten.
Hangartner: Ich denke nicht, dass dies eine Rolle gespielt hat. Ebenso wenig wie die Konfession. Solches mag früher einmal wichtig gewesen sein; 1988 aber wohl nicht mehr.
Hangartner: Ich fühle mich hier sehr wohl. Das Rheintal ist eine sehr schöne Region und bietet auch kulturell sehr viel – besonders, wenn man auch übers Rheintal hinaus schaut, nach St. Gallen, Vorarlberg, ins Fürstentum Liechtenstein … Meine Frau und ich werden auch nach meiner Pensionierung in Altstätten bleiben.
Hangartner: Wir haben uns das überlegt. Aber mittlerweile fühlen wir uns hier verwurzelt.
Hangartner: Ja. Ich hatte schon als Oberarzt Freude an Führungsaufgaben. In Altstätten kam mir das zugute. Man lernt dabei auch viel – zum Beispiel über Betriebswirtschaft.
Hangartner: Nein.
Hangartner: Offenbar (lacht). Viele Führungskräfte erachten heute einen MBA als Muss – ich bin ein wenig stolz, dass ich diese Aufgaben auch ohne gemeistert habe. Ich bin sogar der Meinung, dass geeignete Mediziner durchaus auch ohne MBA-Titel Managementfunktionen übernehmen können.
Hangartner: Ich habe in diesen Jahren zwar nicht weniger Patienten betreut als vorher, besonders in meinem Fachgebiet, der Gastroenterologie. Aber einen Teil der klinikinternen Aufgaben haben mir die Kaderärzte abgenommen. Anders wäre es gar nicht gegangen. Ich habe in dieser Zeit an Abenden und an Wochenenden fürs Spital und für die Spitalregion gearbeitet. Es gab kaum Freizeit.
Hangartner: Nein. Unsere Assistenzärzte arbeiten nach Arbeitsgesetz. Ein ausgeklügelter Arbeitsplan hilft uns, die Vorgaben darin einzuhalten. Alles andere wäre nicht korrekt. Vereinzelt kann es zwar einen Arbeitstag mit mehr als zwölf Stunden geben – diese Überzeit wird aber kompensiert. 70 Stunden in der Woche sind absolut nicht die Regel.
Hangartner: Da sieht's ein wenig anders aus. Für den gilt aber auch das Arbeitsgesetz nicht.
Hangartner: Ich habe nicht darunter gelitten. Im Gegenteil: Es hat mir Freude gemacht. Womöglich hatte ich aber auch den Vorteil, belastbar zu sein.
Hangartner: Ihr war immer bewusst, dass ein Arzt unregelmässige Arbeitszeiten hat, und hat dies mitgetragen. Sie freut sich aber mit mir, dass nun eine andere Zeit kommt.
Hangartner: Bestimmt nicht. Ich freue mich zunächst auf etwas Erholung. Ich habe aber auch schon diverse Angebote wie ein Beratermandat in einem grösseren Spital und werde Stellvertretungen in einer spezialisierten Praxis oder in Spitälern übernehmen.
Hangartner: Heute ist man mit 65 besser beieinander als früher. Ich bin darum sehr für eine flexiblere Pensionierung. Wer harte körperliche Arbeit verrichtet und nicht mehr kann, sollte früher in Pension gehen können. Man sollte aber auch die Möglichkeit haben, über 65 hinaus zu arbeiten – auch um das Know-how der älteren Generation möglichst lange nutzen zu können.
Hangartner: Seit einem Jahr, ja. Diese Funktion werde ich gerne noch weiterführen. Vorgesehen ist ausserdem, dass ich das Präsidium der Altstätter Museumsgesellschaft übernehme. So kann ich für die Öffentlichkeit ausserhalb der bisherigen Spitaltätigkeit etwas tun. Der geplante Museumsausbau wird ausserdem eine spannende Aufgabe sein.
Hangartner: In den letzten 15 Jahren wurde wegen des Baumoratoriums leider kaum in die Spitäler investiert. Jetzt steht ein Erweiterungsbau an. Über den und fünf weitere Ausbauprojekte im Kanton wird man Ende 2014 abstimmen. Da wird noch einiges an Überzeugungsarbeit nötig sein.
Hangartner: Unbedingt. Heute bieten nicht mehr alle Spitäler alles an. Man hat Leistungen konzentriert und Netzwerke gebildet. Die Schwerpunkte am Spital Altstätten in der inneren Medizin liegen bei Magen-Darm-Krankheiten, bei Herzkrankheiten und bei der Geriatrie. In den chirurgischen Fächern gibt es die Spezialangebote für die Tages- und Wochenklinik. Andere Spitäler haben andere Schwerpunktaufgaben. Nimmt man da ein Element heraus, fällt das ganze Konzept auseinander.
Hangartner: Er ist unrealistisch. Wollte man dies machen, verlöre man mindestens zehn Jahre. Unsere Spitäler würden in dieser Zeit dermassen an Konkurrenzfähigkeit verlieren, dass Patienten abwanderten. Dass es günstiger käme, hat auch noch niemand bewiesen. Man kann aber durchaus solche Überlegungen machen – aber mit einem Zeithorizont von 30 oder 40 Jahren, als Projekt für die nächste Generation.
Hangartner: Die Krankenkassenprämien steigen nicht, weil die Ärzte zu viel verdienen, sondern weil das Angebot laufend ausgebaut wird. Je mehr Leistungen angeboten werden und je mehr mit der technischen Entwicklung möglich wird, umso mehr nimmt die Anspruchshaltung der Gesellschaft zu und umso teurer wird die Medizin. Gleichzeitig hat man vielen Spezialisten, vor allem in letzter Zeit, eine Praxisbewilligung erteilt. So kommt es zu einer Mengenausweitung. Ob das richtig ist, muss die Politik beantworten.
Hangartner: Das ist so. Die Hausarztmedizin hat an Attraktivität verloren. Das müssen wir ändern. Denn die Hausärzte beurteilen den Menschen als Ganzes und bieten so eine kostengünstige Medizin. Zum Glück für das Rheintal ist die Situation hier noch nicht so dramatisch wie in weniger dicht besiedelten Regionen.
Interview: Max Tinner