Der ehemalige kantonale Steuerkommissär Herbert Merz verfolgte die Gerichtsverhandlung mit dem Rheintaler Raser (siehe Kasten) als Zuschauer.
Der ehemalige kantonale Steuerkommissär Herbert Merz verfolgte die Gerichtsverhandlung mit dem Rheintaler Raser (siehe Kasten) als Zuschauer.
Herbert Merz: Ich fand wie das Gericht, dass man dem Mann eine letzte Chance gewähren soll. Aber mich störte, dass das Verfahren bis zum Gerichtstermin zweieinhalb Jahre dauerte. Gemäss Verteidiger lag der Grund für die Verzögerung bei der Staatsanwaltschaft.
Merz: Er sah aus wie ein gewöhnlicher Bürger. Gesetzten Alters, relativ gut gekleidet, vielleicht ein Vorgesetzter. Er entsprach nicht dem, wie man sich einen vorstellt, der mit über 100 km/h durch Wohnquartiere rast.
Merz: Überrascht hat mich, wie höflich der Gerichtspräsident gegenüber dem Angeklagten war. Obwohl dieser ab und zu kein Blatt vor den Mund nahm.
Merz: Nein. In der Sache fasste er den Mann nicht mir Glacéhandschuhen an, aber im Ton war er immer korrekt und freundlich. Nur ein- oder zweimal wies er den Angeklagten darauf hin, dass dieser ihn nicht zu belehren brauche oder dass er ihm, also dem Richter, nicht sagen müsse, was er zu tun habe.
Merz: Ab und zu vergriff er sich bös im Ton, spielte sich auf und sagte Dinge, über die ich nur den Kopf schütteln konnte. Er war vermutlich nicht immer ehrlich mit sich und dem Gericht, und oft war er widersprüchlich.
Merz: Zuweilen ja. Etwa als er dem Richter erklärte, dass das gerichtsmedizinische Gutachten falsch ist, weil er nach der Tat nie mehr Kokain konsumiert habe.
Merz: Ich wünsche ihm, dass es so ist. Aber ich glaube es ihm nicht. Trotzdem finde ich das Urteil richtig. Als Schuss vor den Bug. Wenn er ein Jahr ins Gefängnis müsste, seinen Job verliert, sich – auch finanziell – nicht um seine Familie kümmern kann, ist niemandem gedient. Es liegt jetzt an ihm, zu beweisen, was er behauptet und verspricht.
Merz: Was ist schon gerecht? Ich begrüsse, dass er aufgrund seiner Bemühungen eine letzte Chance bekommt.
Merz: Das stelle ich jedesmal fest. Wenn man nur die Tat kennt, aus den Medien, neigt man dazu, vorschnell ein Urteil zu fällen. Raser, einsperren, basta. Oder man liest hinterher das Gerichtsurteil und empfindet es als viel zu mild. Sieht man vor Gericht den Täter, erfährt von Staatsanwalt und Verteidiger die Umstände, den Hintergrund, Details aus den Untersuchungen, dann relativiert sich vieles.
Merz: Ich habe das Video aus dem Polizeiauto nicht gesehen. Es wurde einige Male erwähnt in der Verhandlung. Ich bin wie der Verteidiger der Ansicht, dass die Polizisten dem Rasenden schon kurz nach Rebstein mit Blaulicht und Sirene hätten klar machen können, dass die Polizei hinter ihm fährt. Statt ihm im zivilen Fahrzeug bis Altstätten nachzujagen. Allerdings muss man festhalten: Nachdem die Polizisten sich zu erkennen gegeben hatten, raste der Mann noch kopfloser davon. Interview: René Schneider