Frommer Auftritt mit Nachspiel

Als Rolf Baur und Lukas Egli auf dem Amriswiler Marktplatz zu einer öffentlichen Predigt ansetzen wollten, kam die Polizei. Passanten hatten sich belästigt gefühlt. Jetzt droht den beiden die Wegweisung.

Ida Sandl
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«Friede Euch, meine geschätzte Obrigkeit»: Rolf Baur und Lukas Egli im September 2013 in Frauenfeld. (Bild: Reto Martin)

«Friede Euch, meine geschätzte Obrigkeit»: Rolf Baur und Lukas Egli im September 2013 in Frauenfeld. (Bild: Reto Martin)

AMRISWIL. So einen Brief bekommen die Thurgauer Verwaltungsrichter nicht jeden Tag. Akkurate Buchstaben in sauberer Handschrift; zwischen den Zeilen: da ein Blümchen, hier eine Sonne. «Friede Euch, meine geschätzte Obrigkeit», steht da. Auf vier A4-Seiten wird die «geschätzte Obrigkeit» gebeten, ihres Amtes zu walten und Kantonspolizisten in die Schranken zu weisen.

Gott und Gehorsamkeit

Den Brief geschrieben haben die beiden selbsternannten Prediger Rolf Baur und Lukas Egli. Mit ihrem altertümlichen Pferdewagen ziehen sie über die Strassen – von Kanton zu Kanton. Wo sie hinkommen, predigen sie von Gott und von Gehorsamkeit. So laut, dass ihre Worte den Strassenlärm übertönen.

Mehrere Jahre waren sie in der St. Galler Innenstadt präsent, wo sie immer wieder mit Bussen wegen Lärmbelästigung und Hausfriedensbruch eingedeckt wurden. Im vergangenen September machten sie Halt in Frauenfeld. Die Frauenfelder störten sich nicht an den öffentlichen Bekehrungsversuchen. In Amriswil dagegen tauchten am 12. April nachmittags zwei Polizisten auf, gerade als die beiden Wanderprediger vom Coop zum Marktplatz gewechselt hatten. Schon vor dem Coop habe Baur seinen Gefährten Egli angewiesen, «das Wort zu eröffnen».

Das hat Lukas Egli auch getan. Daran haben sich wohl einige Passanten gestört. Dabei hätten sie sogar Rücksicht darauf genommen, dass der moderne Mensch ständiger Informationsflut und allen Arten von Lärm ausgesetzt sei.

Sie hätten es bei der Kurzansprache bewenden lassen, die genau 20 Minuten dauerte. Geholfen hat dies dem Duo nicht. Zwei Polizisten hielten die beiden an und warfen ihnen vor, ihr Auftreten sei «eine erhebliche Belästigung der Bevölkerung». Die Ansicht der Polizisten könne man nicht teilen, schreibt Baur. Es sei doch kein Nachteil, wenn ein Mann eine Stunde pro Woche von Gerechtigkeit und Frieden spricht. Umso mehr, wenn er dabei die Plätze wechsle. Zur Botschaft der beiden Strassenprediger gehört, die Kinder sollen ihren Eltern und die Menschen allgemein der Obrigkeit gehorchen.

Gegenüber der Polizei gilt solcher Gehorsam aber offenbar nicht. «Wir sind nicht bereit, uns solcher Willkür einer örtlichen Polizeitruppe zu beugen», heisst es im Brief. Immerhin hätten sich die Beamten korrekt verhalten. Die Polizisten seien ja auch «nur Befehlsempfänger».

Schriftliche Wegweisung

Der Auftritt in Amriswil hatte für Baur und Egli ein Nachspiel. Eine schriftliche Wegweisung aus dem Amriswiler Stadtzentrum bis 26. April, 17 Uhr. Folgen sie dem nicht, droht eine Busse. Gegen die Wegweisung/Fernhaltung haben die Prediger jetzt Beschwerde beim Thurgauer Verwaltungsgericht erhoben. Die Richter stellen die Grundrechte in Amriswil in ihrem Sinne wieder her, hoffen Baur und Egli.

Warum durften die Männer in Frauenfeld predigen, in Amriswil aber nicht? In Frauenfeld habe sich niemand beschwert, sagt Daniel Meili, Sprecher der Kantonspolizei Thurgau. In Amriswil dagegen hätten sich Personen «erheblich belästigt» gefühlt. Die Polizisten hätten die Männer zuerst formlos weggewiesen. Weil dies nichts gefruchtet habe, hat man nun eine formelle Wegweisung ausgesprochen.

Nicht das erste Mal

Rolf Bauer und Lukas Egli kommen nicht das erste Mal mit dem Gesetz in Konflikt. Baur sass mehrfach im Gefängnis, weil er Bussgelder nicht bezahlt hatte. Auch dabei ging es um öffentliche Belästigung. Es wird die Männer kaum von ihrem Weg abbringen. Es sei ihre Bestimmung, anderen als Vorbild zu dienen.