Es harzt, weil Holz gefordert wird

Auch wer im Städtchen wohnt, verzichtet ungern auf Komfort. Und kein Besitzer einer Städtli-Liegenschaft wirft das Geld mit Freude aus dem Fenster. Doch im Städtli sind die Fenster manchmal dafür da.

Gert Bruderer
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Sehen gut aus, sind aber undicht: die Fenster des Hauses Stoss. Gefordert werden Holzfenster mit Sprossen, was die Eigentümer nicht verstehen. (Bild: Gert Bruderer)

Sehen gut aus, sind aber undicht: die Fenster des Hauses Stoss. Gefordert werden Holzfenster mit Sprossen, was die Eigentümer nicht verstehen. (Bild: Gert Bruderer)

ALTSTÄTTEN. Jürg Preising, Rebstein, legt die Zeitung vom 18. September auf den Tisch. Eine Kernaussage hat er gelb markiert: «Die Wohnqualität im Städtli erhöhen.» Genau darum müsste es gehen, findet der 79-Jährige, der das im östlichen Teil der Marktgasse gelegene Eckhaus Stoss erst kürzlich seinem Sohn Markus übertragen hat. In der Vergangenheit wurde viel in das Haus investiert. Jürg Preising spricht von einer knappen Million. Nun sind die Fenster an der Reihe. Doch die sollen nicht aus Kunststoff sein. Die kantonale Denkmalpflege möchte Holz. Drum harzt es nun.

Hart wie Buchenholz

Das Altstätter Bauamt hatte die Frage nach dem Material noch so beantwortet: Erwünscht seien Holzfenster mit nach aussen befestigten Sprossen; ein abschliessendes Urteil setze jedoch ein konkretes Baugesuch voraus. Inzwischen hat Jürg Preising nicht nur das Gesuch eingereicht, sondern an mehreren Sitzungen mit der Ortsbildkommission teilgenommen. Seine Haltung ist so klar wie die Vorteile von Kunststofffenstern es sind. Die kantonale Denkmalpflege aber bleibt hart wie Buchenholz, indem sie den Umbau der 46 bestehenden, jahrzehntealten und aus drei Fenstergenerationen stammenden Holzfenster propagiert oder alternativ den Einbau neuer klassischer Holzfenster mit echten Sprossen verlangt. Es sei «ein Grundsatz, dass in der Denkmalpflege die Materialauthentizität gewahrt wird», versichert Denkmalpflege-Chef Pierre Hatz. Das sei mit Kunststofffenstern nicht der Fall.

Holzfenster viel teurer

Die Kosten sind das eine. Geht es nach der Denkmalpflege, erwachsen Preisings für die Investition, den (bei Holzfenstern mit Sprossen aufwendigen) Unterhalt und Malerarbeiten jährliche Kosten von über 5000 Franken. Es ist Preisings eigene, nachvollziehbare Rechnung. Weniger als die Hälfte dieses Geldes wäre für Kunststofffenster aufzuwenden, weil diese deutlich pflegeleichter sind und doppelt so lange halten, was einer Energiestadt wie Altstätten nach Preisings Ansicht gut anstünde.

Der optische Wert von Holzfenstern ist das andere. Im Städtchen, sogar in der Marktgasse, gibt es durchaus Häuser mit Kunststofffenstern. Dass sie den Laien stören, scheint ausgeschlossen; er wird nämlich keinen Unterschied erkennen können.

Christof Steger, dem das Haus Nr. 7 am Rathausplatz (Pizzeria Elfi) gehört, sah sich wie Preisings mit der Forderung nach klassischen Holzfenstern mit aussen aufgesetzten Sprossen konfrontiert. Und dies, sagt Steger, obschon im Städtli 50 Gebäude zumindest teilweise nicht die verlangten Holz-, sondern Kunststofffenster (mit teils inliegenden Sprossen) hätten. Manche befänden sich in der Altstadt, andere seien geschützte Objekte ausserhalb der Altstadt.

«Keine Gleichbehandlung»

Steger wie Preisings beklagen die Ungleichbehandlung, weitere Stimmen verweisen ausserdem auf den ihres Erachtens grossen Widerspruch zwischen historischen Altstadthäusern und neuzeitlichen Bauten wie das Haus zum Falken (ehemals Vilan) oder – ausgerechnet – das Rathaus.

Zum Fenster-Streit ergänzt Jürg Preising: Schäbig anmutende Holzfenster seien eher als saubere Kunststofffenster geeignet, den Unmut genau hinschauender Ästheten zu erregen. Holzfenster mit Sprossen, die regelmässig zu reinigen die Hauseigentümer ihren Mietern schwer zumuten können. Jedoch: Überlässt man die Fenster sich selbst, sammelt sich Schmutz auf der obersten Sprosse, der schon bald den Weg nach unten findet und negativ das Bild von der properen Stadt beeinflusst, die der Denkmalpflege vorschwebt.

Die Augen des Hauses

Ist von Wohnqualität die Rede, versetzen Preisings sich vor allem in ihre Mieter hinein. Drei von ihnen arbeiten auswärts und zahlen in Altstätten Steuern. Sie wollen Fenster, die dicht sind und möglichst vor Lärm schützen. Sie wollen nicht Holzfenster pflegen. In den Augen Preisings ist die Denkmalpflege auf dem Holzweg. Diese nennt die Fenster Augen eines Hauses. Und «ein Blick in diese Augen», schreibt der Denkmalpflege-Chef, «zeigt unseren Umgang mit Kulturgütern». In allen einschlägigen, die Denkmalpflege und den Ortsbildschutz betreffenden Richtlinien, Chartas, Grundlagenpapieren und so weiter werde die Materialgerechtigkeit betont. Pierre Hatz spricht von anderen Anforderungen an Fenster von Schutzobjekten und Fenster in Ortsbildschutzgebieten. Es sei zudem eine «absolute Selbstverständlichkeit, dass an Schutzobjekten Fenstern mit richtigen Sprossen verwendet werden».

Unversöhnbare Ansichten

Die Positionen bleiben gegensätzlich. Da hilft es auch nichts, dass «die Denkmalpflege sich an einem Denkmalpflege-konformen Ersatz der Fenster oder an einer Instandstellung der vorhandenen Fenster fördernd beteiligen wird».

Pierre Hatz bietet zwar eine vertiefte Erörterung des Themas an, meint zugleich aber klipp und klar: «Falls der Artikel ein Pro für die Familie Preising erwirken soll, sind wir nicht der richtige Gesprächspartner.»