Ein hoffnungsloser Fall

Nicht immer weiss der Pfarreiseelsorger Rat. Manche Situationen von Hilfesuchenden hinterlassen auch bei ihm ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit.

Paul Hoch
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Niemand ist böse geboren, sagt der Wiener Psychiater Josef Grünberger. (Bild: depositphots/willeecole)

Niemand ist böse geboren, sagt der Wiener Psychiater Josef Grünberger. (Bild: depositphots/willeecole)

Als Pfarreiseelsorger treffe ich immer wieder auf Menschen, die – zum Teil regelmässig oder manchmal auch einmalig – bei mir anklopfen und um Hilfe in unterschiedlichen Belangen bitten. Manchmal reicht es, bei einem Kaffee einfach zuzuhören, manchmal ist es anspruchsvoller. Denn es gab immer wieder Situationen, in denen ich zu helfen versuchte, gleichzeitig aber wusste, dass sich die Lage des Hilfesuchenden nicht wesentlich verbessern würde. So manches Mal blieb ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, nachdem die Person mein Büro verlassen hatte.

In jenen Momenten macht mir eines von mehreren Büchern eines Wiener Psychiaters, das mir eine Bekannte schenkte, Hoffnung. Josef Grünberger therapiert seit mehr als einem halben Jahrhundert, unter anderem in einem Wiener Gefängnis, «zurechnungsfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher». Seine Klienten sind Schwerstkriminelle: Vergewaltiger, Mörder, Gewalttäter, Räuber, Drogenabhängige, Brandstifter...

Das Beeindruckendste dabei ist für mich das Menschenbild und die Art und Weise, wie der forensische Psychiater seine Arbeit versteht: Niemand sei böse geboren, sagt er. Jeder Mensch könne sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens verändern, ist Grünberger fest überzeugt. Und als Therapeut müsse er immer versuchen, etwas zu ändern. Noch nie habe er einen Klienten abgewiesen, in der Ansicht, es sei hoffnungslos.

Trotz dieser Mut machenden Sicht des Psychiaters wäre es natürlich illusorisch, zu meinen, eine bahnbrechende Veränderung im Leben jedes Hilfe- und Gesprächssuchenden bewirken zu können. Doch ich denke, es genügt in der Pfarreiseelsorge viel weniger: Ob ich jemanden, der an die Pfarrhaus- oder Pfarreiheimtür klopft, als hoffnungslos wahrnehme oder nicht, macht bereits einen Un­terschied. Wahrscheinlich ist es dieser hartnäckige und zutiefst jesuanische Glaube, dass es jeder Mensch immer Wert ist, sich um ihn zu bemühen.

Das ist ein hohes Ideal, werden sich vielleicht viele nun denken. Doch die Radikalität des Evangeliums kann Ansporn sein, als Christin oder Christ sich immerhin zu bemühen. Das menschliche Scheitern ist in Gottes grosser Liebe locker aufgehoben, darauf dürfen wir vertrauen. Denn auch das lehrt uns Jesus in den Evangelien.