Die Leichtigkeit des Seins – auf Eis

WIDNAU. Der Swisscup ist ein Wettkampf und zum Teil auch eine Schweizer Meisterschaft. Dem Publikum gefällt, dass Kraft und Eleganz sich zu besonderer Ästhetik paaren. Die Silbermedaille für Widnau ist da fast so etwas wie ein Sahnehäubchen.

Gert Bruderer
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Das Widnauer Ice-Spice-Team gewinnt überraschend Silber – und kam mit seiner Leistung so nahe an Gold heran wie nie zuvor. (Bilder: Gert Bruderer)

Das Widnauer Ice-Spice-Team gewinnt überraschend Silber – und kam mit seiner Leistung so nahe an Gold heran wie nie zuvor. (Bilder: Gert Bruderer)

Das Schöne, Leichte fängt schon bei den Namen an. Schneeflocken, Eisbienen, Blaue Einhörner, Sächsische Eisperlen: So oder ähnlich zauberhaft heissen die Teams, selbstverständlich in zeitgemäss klingendem Englisch. Die einheimischen auftretenden Gruppen nennen sich Ice Storms und Ice Spice. Stürme und Schwung. Bezeichnungen wie ein Versprechen.

Verheissungsvoll sind auch die Cars vor der Eishalle. Die Kennzeichen: VD, Italien, dreimal BE, JU, Deutschland, NE. Ein Hauch von Welt. Ein Gütesiegel fürs Widnauer Turnier. Vorschusslorbeeren. Später bestätigt ein auswärtiger Teamchef: Turniere wie dieses gibt es in der Schweiz nur drei.

Rang nebensächlich. Wirklich!

Bevor dann, wie eine Fliegerstaffel im Formationsflug, die Ice Storms über das Eis flitzen, die Arme ausgestreckt wie Flügel, elegant und graziös, hat der Zuschauer schon 16 andere Teams gesehen, 16 andere Kostüme, 16 andere ausgeklügelte Programme, und immer das Lächeln der Frauen und Mädchen, als ginge es darum, die Leichtigkeit des Seins zu zelebrieren.

Es geht aber um Ränge, es geht um Medaillen. Die Ice Storms bilden eine Kette, einen Kreis, gehen kurz in die Knie, sie malen zauberhafte Bilder von sich selbst, in Vierergruppen auseinander und in Reihen dicht beisammen, es gefällt der Jury, aber einen Platz auf dem Podest erläuft das Team sich nicht. Es bleibt bei der Bronze-Medaille von 2005.

Dem Laien ist das nicht so wichtig. Dieser freut sich, dass er einen Wettkampf miterlebt, bei dem er Unterschiede feststellt. Nicht wie bei Skirennen, wo oft unerklärbar ein paar Hundertstelsekunden auf der Strecke bleiben. Beim Synchroneiskunstlauf springt jede Glanzleistung ins Auge.

Neue Kraft für Dresden

Als die Mädchen aus Ungarn – blaues Kostüm, Blume im Haar – mit einer Pirouette ihr Programm beschliessen, wissen alle: Das war klasse. Und als gleich danach die Dresdnerinnen sich zur Melodie von Pink Panther anschicken, zumindest vor dem ungeübten Blick mit einer makellosen Performance zu glänzen, pflichten die Preisrichter mit einer hohen Punktzahl weitgehend bei. Das Resultat befördert das Dresdner Nachwuchs-B-Team mit deutlichem Abstand auf den 1. Platz. Küsschen hier, Küsschen da, die Wangen der Sächsinnen färben sich rot. Umarmungen. Die Deutschen sind zum zweiten Mal in Widnau, schon beim ersten Mal gewannen sie. Team-Managerin Katrin Höhne sagt lächelnd: «Dieser Sieg gibt unsern Mädchen wieder Kraft.»

Das Eis ist knapp

Kraft ist nötig wie bei jedem Sport. Nicht nur die Kraft des Körpers, auch die Leistungsfähigkeit des Vereins. Während die Dresdnerinnen viermal wöchentlich trainieren, kommen die Widnauerinnen bloss einmal zusammen.

Das liegt aber nicht am Willen, sondern an den beschränkten Möglichkeiten. «Das Eis ist knapp», sagt Synchroneiskunstlauf-Team-Managerin Corina Rohrer und meint: Die vier EVM-Teams müssen sich samstags am Morgen das Eis teilen.

Dass der Verein die Zahl der Junioren um 16 auf 131 erhöhte, die teilweise erst sechsjährigen Ice Spätzli eine grosse Gruppe sind und seit dieser Saison wieder ein Erwachsenen-Team namens Ice Goldies besteht, ist zwar wunderbar, aber auch anforderungsreich.

Medaille auf sicher

Dass der EVM am Swisscup zu einer Medaille kommt, steht ausser Frage. Denn in der Kategorie des Widnauer Ice-Spice-Teams (Novice A) sind nur drei Mannschaften, die Gold, Silber und Bronze unter sich aufteilen. Die Konkurrenz der Rheintalerinnen ist somit klein – aber stark. Beim letzten Wettkampf lag das Ice-Spice-Team zehn Punkte hinter Burgdorf, auch der Starlight-Konkurrenz aus Zürich-Oerlikon begegnet man mit Respekt.

Die Widnauer starten in ihrer Kategorie als Erste. Zu Musik der Popgruppe Queen. Der Auftritt gelingt bestens. Die 31.14 Punkte für die Einheimischen setzen sich aus der technischen Note (16.82) und der Note für die Präsentation (14.32) zusammen.

Das Zürcher Team hat kurz vor Schluss einen Sturz wegzustecken und liegt – doch eher überraschend – 2.71 Punkte hinter den Widnauerinnen zurück. Die Mädchen aus Burgdorf siegen erwartungsgemäss. Aber das Team Ice Spice liegt nur noch um gut zwei Punkte zurück. Das ist bemerkenswert. Die Widnauerinnen gewannen nicht nur zum ersten Mal Silber, sondern sind ausserdem dem Gold so nahe wie noch nie.

Das einheimische Publikum freut sich. Sehr sogar. Ein Rang ganz vorne ist halt doch noch schöner als die blosse Freude an betörender Ästhetik. Und man ist sich einig: Dieses erste Ice-Spice-Silber glänzt besonders schön.

Die EVM-Mitglieder haben nicht nur Spass, sondern auch schön warm.

Die EVM-Mitglieder haben nicht nur Spass, sondern auch schön warm.

Die Cars deuten darauf hin: Viele Teams kommen von weit her.

Die Cars deuten darauf hin: Viele Teams kommen von weit her.

Die Ice Storms aus Widnau erreichten am Samstag Rang 6.

Die Ice Storms aus Widnau erreichten am Samstag Rang 6.

Kussmund als Siegeszeichen: Mädchen aus Dresden.

Kussmund als Siegeszeichen: Mädchen aus Dresden.

SYS-Managerin Corina Rohrer: «Das Eis in Widnau ist knapp.»

SYS-Managerin Corina Rohrer: «Das Eis in Widnau ist knapp.»