«Die Frau hat sich verändert»

RHEINECK. Am 7. Februar wird die Frauen- und Müttergemeinschaft Rheineck aufgelöst. Warum dieser Schritt gemacht werden muss, erläutert Daniela Lehner-Weber, langjähriges Mitglied des Leitungsteams und Ansprechperson des Vereins.

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Daniela Lehner-Weber bei den Vorbereitungen zu ihrer letzten Hauptversammlung: «Einen Verein aufzulösen, ist arbeitsintensiv.» (Bild: Bea Sutter)

Daniela Lehner-Weber bei den Vorbereitungen zu ihrer letzten Hauptversammlung: «Einen Verein aufzulösen, ist arbeitsintensiv.» (Bild: Bea Sutter)

Frau Lehner, wie fühlen Sie sich vor der letzten Hauptversammlung der Frauen- und Müttergemeinschaft Rheineck?

Daniela Lehner-Weber: Im Moment hatte ich noch nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. Es gab einiges zu tun, um die Auflösung vorzubereiten. Es mussten Abklärungen an verschiedenen Stellen wie beim Frauenbund und bei der Katholischen Kirchgemeinde Rheineck gemacht werden. Aber es ist ein eigenartiges Gefühl, dass es ab der kommenden Woche keine Frauen- und Müttergemeinschaft Rheineck mehr geben wird. So bedauerlich das ist, bin ich persönlich froh darüber, dass das Auf und Ab nun ein Ende hat.

Wie lange gab es diesen Verein?

Lehner: 65 Jahre. Die 65. Hauptversammlung wird die letzte sein. Es wurden im Vorfeld seitens der Mitglieder keine Anträge gestellt, den Verein weiterzuführen. Ich werte dies als stilles Einverständnis.

Hätten Sie denn erwartet, dass jemand das Ruder herumreisst?

Lehner: Nein, das war nicht zu erwarten. Leider. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Interesse der Mitglieder, sich aktiv im Verein zu engagieren, stark abgenommen hat. So ist die Auflösung des Vereins die logische Konsequenz.

Und eine Fusion mit dem Evangelischen Frauenverein Rheineck oder den der Seelsorgeeinheit Thal-Rheineck angeschlossenen Frauengemeinschaften wäre keine Lösung?

Lehner: Ich denke, das ist zu kompliziert. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das viel ändern würde.

Worauf führen Sie das schwindende Interesse zurück?

Lehner: Das ist eine Zeiterscheinung. Es hängt bestimmt damit zusammen, dass viele Frauen berufstätig sind und darum kaum Zeit haben, sich in einem Verein zu engagieren. Die Frau hat sich geändert. Sie ist mobil geworden und ist nicht mehr auf Veranstaltungen im Dorf angewiesen.

Nicht alle Vereine haben Nachwuchsprobleme, denken wir an Musik- und Sportvereine. Hat es nicht auch damit zu tun, dass sich jüngere Leute scheuen, sich in kirchlichen Institutionen zu engagieren?

Lehner: Sicher auch. Auch diesem Problem versuchten wir entgegenzuwirken. Vor einigen Jahren haben wir das Wort «katholisch» aus unserem Namen herausgenommen und dadurch gezeigt, dass wir offen sind für alle. Tatsächlich kamen einige evangelische Frauen dazu, was uns sehr freute.

Aber die Kirche spielt ja noch immer eine grosse Rolle?

Lehner: Ja, aber nicht mehr so wie früher. Die Frauen- und Müttergemeinschaften waren ursprünglich kirchliche Institutionen. Es sind Ortsvereine des Katholischen Frauenbundes St. Gallen-Appenzell und somit dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund angeschlossen. Die Aufgabe ihrer Mitglieder (eine christliche Grundhaltung wurde vorausgesetzt), den Menschen im Dorf zu helfen, die Unterstützung nötig hatten. Heute haben diese sozialen Aufgaben professionell geführte Organisationen übernommen.

Also haben die Frauenvereine ausgedient?

Lehner: Auf keinen Fall. Die Vereine haben sich den Bedürfnissen der heutigen Frauen angepasst. Waren früher die Frauen die Dienenden, Helfenden und Gebenden, so sind sie heute selbstbewusst und melden auch ihre Bedürfnisse an. Zahlreiche Kurse und Vorträge werden zur Weiterbildung angeboten. Zudem leisten die Frauenvereine nach wie vor sehr viel Freiwilligenarbeit. Wir organisierten Pfarreianlässe wie Spaghetti-Zmittag, Suppentage und «Roratezmorgä».

Und in Rheineck finden sich diese Frauen nicht mehr?

Lehner: Wir haben schon Mitglieder, die helfen und mitmachen. Aber niemand möchte Verantwortung übernehmen. Wir finden niemanden mehr für den Vorstand.

Wie gross ist der Vorstand?

Lehner: Laut Statuten hatte der Vorstand zwischen sieben und neun Mitglieder. In den vergangenen Jahren waren es nur noch zwischen vier und fünf Frauen.

Wenn das Problem mit dem Rückgang des Interesses schon länger bekannt ist, warum wird der Verein gerade jetzt aufgelöst?

Lehner: Auch das war eine Frage der Zeit. Ich bin seit 13 Jahren im Vorstand, die letzten zwei Jahre oblag mir die Leitung des Vereins. Meine Vorstandskolleginnen und ich beobachteten die Entwicklung genau und suchten nach Lösungen, den Verein irgendwie über Wasser zu halten.

Wie sahen diese Lösungen aus?

Lehner: Wir hatten bis vor einem Jahr unser Meinung nach sehr attraktive Jahresprogramme.

Wie war die Resonanz?

Lehner: Unterschiedlich. Man konnte keine Prognose mehr stellen, wie viele Leute an diesen oder jenen Anlass kommen würden. Das machte die Organisation einer Veranstaltung extrem schwierig. Die Konsequenz daraus war, dass wir 2011 kein Jahresprogramm mehr zusammenstellten und die Auflösung des Vereins für diese HV ankündigten.

Was geschieht mit dem Geld des Vereins nach seiner Auflösung?

Lehner: In den Statuten von 1999 ist festgehalten, dass im Falle der Auflösung des Vereins das Vermögen von der katholischen Kirchgemeinde verwaltet wird. Erfolgt innert fünf Jahren keine Neugründung, so fällt das Vermögen der Kirchgemeinde zu, mit der Auflage, dieses für soziale Zwecke in der Pfarrei einzusetzen.

Interview: Bea Sutter