«Bleib so, wie du bist»

Aus christlicher Sicht

Manuela Schäfer
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Manchmal tut Veränderung not. (Bild: depositphotos/AlvarraCrazy)

Manchmal tut Veränderung not. (Bild: depositphotos/AlvarraCrazy)

Die Konfirmandin spielt der Gruppe einen Rap vor: «Lass die andern sich verändern und bleib so, wie du bist!»

Selbstbewusst tönt der Refrain durch den Raum. Meine erste Reaktion halte ich zurück. Wie furchtbar, wenn Menschen sich nicht mehr verändern wollen, gerade wenn sie noch so jung sind. Was entsteht da nur für eine Haltung? Die anderen müssen sich mir anpassen. Ich mach mein Ding, egal was das für meine Mitmenschen bedeutet.

Wir entwickeln uns im Kontakt mit anderen doch immer weiter, lernen aneinander. Leben bedeutet Veränderung, nicht Stillstand und Erstarrung. Veränderung von Gewohnheiten ist nie leicht. Sie braucht einen starken Willen und viel Durchhaltevermögen. Bewusste Veränderungen in meinem Leben haben mich immer weitergebracht, so klein sie auch sein mochten. Mit einigem in meinem Leben bin ich nicht zufrieden. Wenn Veränderung gelingt, breitet sich eine tiefe Zufriedenheit aus. Das will ich immer wieder mal erleben. Deshalb stand ich dem Lied, das mich auffordert, so zu bleiben, wie ich bin, zunächst skeptisch gegenüber.

Einen Wunsch, den wir oft zu unserem Geburtstag entgegennehmen, macht mich ebenso nachdenklich. Er ist gut gemeint. «Bleib so, wie du bist!» Damit wollen die Menschen sagen, dass wir viele gute Eigenschaften haben, die wir bewahren sollen. Es ist ein Zuspruch. Wer das sagt, mag uns, so wie wir eben sind. Am Geburtstag ist einmal kein Platz für Verbesserungsvorschläge. Wir dürfen uns einen Moment angenommen fühlen in einem Alltag, der von Kritik nur so überquillt. Konstruktives Feedback heisst das dann in der Fachsprache. Aber allzu oft ist es ein Runtermachen von dem, was wir tun, und auch von dem, wer wir sind. Überall soll ich bewerten, den Service im Hotel, die Sängerin im Fernsehen. Der Zwang zur Selbstoptimierung ist übergross, die Ansprüche hören nie auf. Das kennen Kinder schon von klein auf von Elternhaus und Schule. Vielleicht gefällt den Jugendlichen daher ein Lied so gut, in dem einer mal nichts fordert und verlangt. Ich erkenne, wie wichtig das ist. Du bist nicht die Einzige, die sich verändern kann. Nur damit es für andere leichter wird, brauchst du dich nicht ständig an ihre Forderungen anzupassen. Du bist grundsätzlich gut so, wie du bist. Menschen an ihrem Geburtstag lese ich gern einen Vers aus dem Psalm 139 vor: «Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin.»

Gott sagt uns auch von Zeit zu Zeit: Bleib so, wie du bist. Übermorgen brauche ich wieder einen Anstoss für Veränderung. Aber erst dann.

Manuela Schäfer

Pfarrerin in Berneck