Als Oberriet noch Seeanstoss hatte

OBERRIET. Die Ergebnisse aus der Ausgrabung bei der Deponie im ehemaligen Steinbruch Unterkobel werden in die neue Geschichte des Rheintals einfliessen. Am Samstag konnte man an einer Veranstaltung der Museen der Region erste Erkenntnisse erfahren.

Werner Ritter
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Den trockenen Platz am Fuss der Felswand haben Menschen über Jahrtausende genutzt. Der bogenförmige Damm ist aufgeschütteter Bauschutt im ehemaligen Steinbruch. (Bild: Stefan Beusch)

Den trockenen Platz am Fuss der Felswand haben Menschen über Jahrtausende genutzt. Der bogenförmige Damm ist aufgeschütteter Bauschutt im ehemaligen Steinbruch. (Bild: Stefan Beusch)

Am Samstag unternahm eine stattliche Anzahl Interessierter mit dem Leiter der Kantonsarchäologie, Martin Schindler, eine Reise in die Frühgeschichte des Rheintals, in die Steinzeit. Wegen schlechter Witterung konnte sie nicht bei der Ausgrabungsstätte im ehemaligen Steinbruch stattfinden, sondern musste im Theoriesaal des Werkhofs durchgeführt werden.

Platz über 10 000 Jahre genutzt

Nachdem sich der Rheingletscher nach der letzten Eiszeit nach Graubünden zurückgezogen hatte, bildete sich im Alpenrheintal ein See, der nach und nach verlandete. Als die ersten Menschen in der mittleren Steinzeit unter dem vorspringenden Felsen in der heutigen Deponie Schutz suchten, reichte der Bodensee bis Oberriet. Der Lagerplatz im Steinbruch gewährte nicht nur Schutz. Es bot sich hier auch ein guter Blick über das Land wie auch über den See. Sowohl Wild als auch Feinde konnten frühzeitig entdeckt werden. Der Platz war als Lagerplatz so gut geeignet, dass er während über 10 000 Jahren von der mittleren Steinzeit bis zur Zeit der Römer benutzt wurde.

Das Alpenrheintal war nicht nur Lebensraum, sondern auch wichtiges Durchgangsgebiet von Italien über die Tiroler und Bündner Pässe nach Norden und umgekehrt. Schon in der Steinzeit wurde Handel betrieben, war doch etwa der für die Werkzeugherstellung geeignete Feuerstein nicht überall verfügbar. Später waren Metalle, Werkzeuge und Bernstein für Schmuck wichtige Handelsgüter. Ein bedeutender Stützpunkt in dieser späteren Zeit war die befestigte Siedlung auf dem Montlinger Berg. Somit war das Rheintal schon in der Stein-, in der Bronze- und in der Eisenzeit auf den internationalen Handel angewiesen. Aufgrund der Funde in der Deponie Unterkobel kann möglicherweise geklärt werden, ab wann und mit wem man im Rheintal Handel trieb.

Aufwendige Forschung

Wie Martin Schindler ausführte, stellte die Ausgrabung im Steinbruch Unterkobel besondere Anforderungen. Zuerst musste aus Sicherheitsgründen eine instabile Felsplatte gesprengt und der Fels gereinigt werden. Dann wurde ein Gerüst erstellt, um sicher ausgraben zu können. Nun wird vorerst ein Teil der Fundstelle ausgegraben. Damit das archäologische Geschichtsbuch auch gelesen werden kann, müssen die Funde dokumentiert und gewaschen werden. Weiter ist ein Bericht über die Ausgrabung zu erstellen. Dann werden die Funde ausgewertet, archiviert und gelagert und die für Ausstellungszwecke geeigneten Funde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Weil die Fundstelle rechtzeitig entdeckt wurde, werden die Erkenntnisse der Ausgrabung auch in die neue Geschichte des Rheintals Eingang finden. Wesentlich erleichtert werden die Grabungen durch das Entgegenkommen der Robert König AG als Betreiberin der Deponie und durch die gute Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen für die Deponie.

Eine Notgrabung

Bei dieser Ausgrabung handelt es sich um eine Notgrabung. Es bestand Gefahr, dass die Grabungsstätte durch das Auffüllen der Deponie hätte Schaden nehmen oder gar zerstört werden können. Weil die Kantonsarchäologie lediglich mit 300 Stellenprozenten dotiert ist, muss sie ihre Tätigkeit auf das Notwendige beschränken, das heisst auf die Ausgrabung von Fundstellen, die durch Bauarbeiten bedroht sind. Dennoch kann sie immer wieder spektakuläre Erfolge verbuchen, letztes und dieses Jahr mit den Funden im Stiftsbezirk in St. Gallen und eben mit der Fundstelle bei Oberriet. Dabei hat diese Ausgrabungsstätte wohl längst noch nicht alle ihre Geheimnisse preisgegeben. Man hofft nun, das Kapitel über die Frühgeschichte in der neuen Rheintaler Geschichte wesentlich ausführlicher schreiben zu können, als vorgesehen war.