Endlich wieder Olma: Die 79. Messe für Landwirtschaft und Ernährung in St.Gallen ist feierlich eröffnet worden. In seiner Ansprache erklärt Bundespräsident Ignazio Cassis, wie stark die Bedeutung der Ernährungs- und Landwirtschaftsindustrie gerade in Zeiten von Pandemie und Krieg gestiegen sei. Und wie wichtig es deshalb sei, Nahrungsmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten.
Rundgänge durch Messe- und Degustationshallen, Schnäppchenjagd an den Ständen, Säulirennen – und die obligate Bratwurst darf natürlich auch nicht fehlen: Zehntausende Menschen werden in den nächsten eineinhalb Wochen die Olma und das Leben feiern. Der Ostschweizer Traditionsanlass findet heuer zum 79. Mal statt, Gastkanton ist Graubünden, das laut den Verantwortlichen «die Seele des Kantons» zeigen will. Das Motto des Bündner Gastauftritts: «aifach gspunna!»
In seiner Eröffnungsrede betont Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP), dass sein Besuch keine Pflicht sei, sondern ein Privileg.
«Die Anwesenheit des Bundespräsidenten an der Olma gehört zu den Schlüsselmomenten des Präsidialjahres.»
Dies sei umso wichtiger, je turbulenter die Welt sei. «Es ist ein wertvolles Zeichen der Stabilität in dem allgemeinen Klima der Besorgnis.»
In Bezug auf die Olma habe im Bundesbern dieses Jahr ohnehin Unruhe geherrscht, sagt Cassis. «Gemäss glaubwürdigen Gerüchten plant der Kanton Graubünden mit Nesa und Nina einen Putsch gegen das traditionelle Säuli. Für die wäre das ja voll patgific, aber für den Rest der Schweiz eine Revolution.»
Mit etwas ernsterer Miene weist Cassis denn auch darauf hin, dass die meisten innovativen Ideen erst tatsächlich, und um das Motto des Gastkantons zu zitieren, «eifach gspunna» seien. «Jede Veränderung verursacht zuerst Kritik, aber wer ausharrt, gewinnt.»
So lädt der Bundespräsident jeden ein, der Freude an Innovation und Vielfalt hat, an die Olma zu kommen. «Hier begegnen sich Zürcher und Appenzellerin, Bäuerin und Hipster, Bergler und Bänkerin», sagt er. «Kontakte generiere Ideen, Begegnungen ändern Perspektiven – vorausgesetzt man ist von der Vielfalt fasziniert und betrachtet sie als Reichtum und nicht als Störfaktor.»
Einen besonderen Dank richtet Ignazio Cassis an die Kinder. Sein Tipp: «Hören wir den Worten der Kinder gut zu. In ihnen steckt oft Logik, die zwar auf den ersten Blick seltsam erscheint, sich aber oft als wertvoller Denkanstoss erweist.» Daraus entwickelten sich Ideen, gar Innovation – kurz, die Zukunft.
Von der Zukunft kommt Cassis auch gleich auf seine Gegenwart, als Bundespräsident zu sprechen. «In den vergangenen Monaten durfte ich mich mit Duzenden von Staatsoberhäuptern, Regierungschefs und Aussenministern über den Zustand der Welt austauschen.» Die Besorgnis sei gross, da die aktuellen Weltkrisen Unruhe schaffen. «Daraus entstehen geopolitische Spannungen, gar Kriege.»
Jede Krise sei jedoch auch immer eine Chance, unsere Resilienz zu testen. «Bereits Winston Churchill meinte und ich meine das nicht zynisch: ‹Never let a good crisis go to waste.› Jede Krise muss auch eine Opportunität sein, Bilanz zu ziehen und neue Wege einzuschlagen», so Cassis.
Auch die Olma sei ein Produkt schwieriger Zeiten. Sie sei entstanden, als man während der Anbauschlacht des Zweiten Weltkriegs die Bedeutung des lokalen Mehranbaus habe aufzeigen wollen. «Auch heute steht das Thema Landesversorgung wieder ganz oben auf der politischen Agenda der Schweiz», sagt Cassis mit Nachdruck.
«Die Bedeutung der Ernährungs- und Landwirtschaftsindustrie bleibt gross.»
Wie wichtig dieser Sektor für die Ernährung der Weltbevölkerung sei, konnte in den vergangenen Jahrzehnten an der Armutsreduktion in der Welt gemessen werden. «Wie wichtig er weiterhin bleibt, sehen wir anhand der Hungerkrise, welche die Pandemie und der Krieg in der Ukraine geschaffen hat.» Die Schweiz habe kurzfristig mit humanitärer Hilfe reagiert, wichtiger sei jedoch die langfristige Arbeit, um die Nahrungsmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten.
«Gerade junge Bauern und Bäuerinnen in armen Ländern benötigen Ressourcen und Wissen. Das ist ein Schwerpunkt unserer internationalen Entwicklungszusammenarbeit», sagt Cassis. «Die Olma ermöglicht es der breiten Bevölkerung, die Leistungen der Schweizer Landwirtschaft direkt zu erfahren.»
Ein Dank richtet der Bundespräsident dann auch direkt an die Olma-Verantwortlichen für ihr grosses Engagement zu Gunsten der Landwirtschaft- und der Ernährungsindustrie. Zum Schluss zitiert er noch einmal Winston Churchill, von dem Cassis glaubt, er hätte bestimmt gerne einen Rundgang durch die Olma gemacht: «Ich mag Schweine. Hunde schauen zu uns auf, Katzen auf uns herab. Schweine begegnen uns auf Augenhöhe.» Herzliches Gelächter. Den Gästen empfiehlt Cassis schliesslich zur Eröffnung eine Olma-Bratwurst zu geniessen. «Ohne Senf!»
Die 79. Olma findet vor dem Hintergrund der finanziellen Probleme des Grossanlasses statt. Mitte August wurde bekannt, dass die Olma zur Aktiengesellschaft werden soll. Angestrebt wird ein zusätzliches Kapital von 20 Millionen Franken – Unternehmen, Privatpersonen und die bisherigen Genossenschafterinnen und Genossenschafter sollen entsprechend Aktien zeichnen.
Die Olma hat unter der coronabedingten Zwangspause massiv gelitten: 2021 kam ein Verlust von 3,3 Millionen Franken zusammen, im Jahr 2020 betrug er gar 5,8 Millionen. (red.)