Reaktionen
Von Unverständnis bis «längst überfälliger Schritt»: So reagieren die Gewerkschaften und Parteien auf die angekündigte Schliessung des Spitals Heiden

Das Spital Heiden wird Ende Jahr geschlossen, 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren voraussichtlich ihre Stelle. Die Gewerkschaften wurden erst am Wochenende informiert, ein Konsultationsverfahren fand nicht statt. Die Ausserrhoder Parteien zeigen indes Verständnis für die Schliessung.

Adrian Vögele, Alessia Pagani, Astrid Zysset und Jesko Calderara
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Das Spital Heiden, aufgenommen am Montag, 26. April 2021, in Heiden.

Das Spital Heiden, aufgenommen am Montag, 26. April 2021, in Heiden.

Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone

Das finanzielle Defizit ist zu gross: Der Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden (Svar) hat beantragt, das Spital Heiden per Ende 2021 zu schliessen. Die Regierung hat zugestimmt. 130 von 180 Mitarbeitenden am Standort Heiden verlieren voraussichtlich ihre Stelle. Die Reaktionen zum Entscheid:

Pflegeverband: «Ein Schock»

Edith Wohlfender, Geschäftsleiterin Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK), Sektion St.Gallen-Thurgau-Appenzell.

Edith Wohlfender, Geschäftsleiterin Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK), Sektion St.Gallen-Thurgau-Appenzell.

Bild: PD

«Wir sind konsterniert über diesen Entscheid», sagt Edith Wohlfender, Geschäftsleiterin der Ostschweizer Sektion des Berufsverbands der Pflegefachpersonen (SBK). Es habe kein Konsultationsverfahren gegeben – am vergangenen Samstagabend erst sei der Verband informiert worden.

«Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt.»

Allerdings habe sie befürchtet, dass in den Standort Heiden nicht mehr investiert werde, sagt Wohlfender. «Am Sozialpartnergespräch, das vor kurzem stattfand, war von Heiden kaum mehr die Rede.» Die Gespräche über den Sozialplan für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben noch nicht begonnen – «sie starten nächste Woche», so Wohlfender. Für den SBK gehe es jetzt darum, die Betroffenen möglichst gut zu betreuen und alle Fragen und Erwartungen des Personals in die Verhandlungen zu tragen. «Wir werden uns vehement für einen guten Sozialplan einsetzen.» Auch müssten die Konditionen geklärt werden für jene Mitarbeitenden, die nicht entlassen werden und stattdessen am Standort Herisau arbeiten sollen. «Da geht es beispielsweise um die Frage, ob vorübergehend eine Wegentschädigung von Heiden nach Herisau gezahlt wird. Auch werden manche Mitarbeitende die Kinderbetreuung neu organisieren müssen.»

Barbara Dätwyler Weber, Präsidentin SBK, Sektion St.Gallen-Thurgau-Appenzell.

Barbara Dätwyler Weber, Präsidentin SBK, Sektion St.Gallen-Thurgau-Appenzell.

Bild: Donato Caspari

Die Präsidentin der Ostschweizer Sektion des SBK, Barbara Dätwyler Weber, spricht von einem «Schock»für das Pflegepersonal. «Bereits bei der Abstimmung über das Spitalverbundgesetz im Jahr 2018 haben wir die Befürchtungen über eine Spitalschliessung in Heiden geäussert», sagt sie gemäss einem Communiqué vom Montagmittag. Damals habe die Ausserrhoder Regierung dementiert und versichert, dass mit den vorgeschlagenen Gesetzänderungen alleine kein Betrieb geschlossen werde. Nach dem jetzigen Schliessungsentscheid stellt der SBK fest: «Der Spitalverbund Appenzell Ausserrhoden kommt nicht zur Ruhe.» In den letzten zehn Jahren habe es diverse Wechsel in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat gegeben.

«Eine konstante Führung und eine verlässliche Strategie mit einer klaren Ausrichtung der medizinischen und pflegerischen Leistungsangebote waren und sind nicht wirklich erkennbar.»

Wiederum seien nun die Angestellten des Spitalverbundes die Leidtragenden.

VPOD: «Verlust der Ausbildungsplätze ist besonders tragisch»

Alexandra Akeret, Gewerkschaftssekretärin VPOD Ostschweiz.

Alexandra Akeret, Gewerkschaftssekretärin VPOD Ostschweiz.

Bild: PD

Alexandra Akeret, Gewerkschaftssekretärin des VPOD Ostschweiz, des Verbands des Personals öffentlicher Dienste, sagt: «Es ist tragisch, dass ein weiteres Spital geschlossen wird. Besonders gravierend ist dabei der Verlust der Ausbildungsplätze angesichts der Personalknappheit in der Branche. Schweizweit gibt es 10'000 unbesetzte Stellen.» Gegen diesen Abbau des Service Public werde sich der VPOD entschieden wehren.

Der VPOD wurde ebenfalls erst am Samstag über die Schliessung informiert, vorgängig sei nicht kommuniziert worden. Angesichts der politischen Situation sei zwar klar gewesen, dass das Spital Heiden unter Druck sei, so Akeret. «Aber die komplette Schliessung, und das bis Ende dieses Jahres – in dieser Heftigkeit hat der Entscheid überrascht.» Bei den betroffenen Mitarbeitenden sei die Situation unterschiedlich. «Manche werden rasch wieder eine Stelle finden und keine Mühe damit haben, anderswo zu arbeiten.» Andere könnten jedoch nicht so leicht wechseln. «Der VPOD hat bereits interveniert zugunsten der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die teils kurz vor der Pensionierung stehen. Für sie wäre eine Kündigung verheerend.» Der Svar habe versichert, darauf ein besonderes Augenmerk zu richten.

Gemeindepräsident spricht von herbem Schlag für Heiden

Am stärksten betroffen von der Schliessung ist die Standortgemeinde. «Für Heiden ist der Entscheid ein herber Schlag und sehr tragisch», sagt Gemeindepräsident Gallus Pfister in einer ersten Reaktion. Die 180 wegfallenden Arbeitsplätze seien ein schmerzhafter Verlust. Pfister hebt zudem die Situation der Betroffenen hervor. Er sagt:

Gallus Pfister, Gemeindepräsident von Heiden.

Gallus Pfister, Gemeindepräsident von Heiden.

Bild: PD
«Nebst der Coronapandemie sind die drohenden Kündigungen für die Mitarbeitenden eine weitere psychische Belastung.»

Gute Chancen, eine neue Stelle zu finden, wird nach Einschätzung von Pfister das Pflegepersonal haben.

Dass eine Schliessung des Spitals im Vorderland früher oder später ein Thema sein wird, hat der Heidler Gemeindepräsident erwartet. Vom Zeitpunkt zeigt er sich nun aber überrascht. Der Gemeinderat Heiden wird am Dienstag die neusten Entwicklungen beraten. Mit der Schliessung des Spitals wird dem Vorderland ein erheblicher Teil der kantonalen Leistungen entzogen. Er dürfte daher Forderungen an den Kanton stellen, etwa dass dies kompensiert wird, zur Versorgungssicherheit und nach einer Berücksichtigung bei der Umnutzung des Spitalareals. Dabei gehe es auch darum, dass das Vorderland gleichbehandelt werde wie das Mittel- und Hinterland, betont Pfister.

SVP Appenzell Ausserrhoden spricht von einem längst überfälligen Schritt

Für Anick Volger, Präsident der SVP Appenzell Ausserrhoden, kommt der Entscheid zur Schliessung des Spitals Heiden nicht allzu überraschend. «Es ist grundsätzlich ein richtiger und längst überfälliger Schritt», sagt Volger in einer ersten Stellungnahme am Montagnachmittag. Er spricht das jährlich sinkende Eigenkapital und die finanziellen Schwierigkeiten des Svar an. «Für uns war klar: so kann es nicht weitergehen», so Volger weiter. Bereits seit einigen Jahren weist die SVP immer wieder darauf hin und verlangt Massnahmen. Kalt lässt die Schliessung den Politiker dennoch nicht. Mitgefühl hat Volger mit den betroffenen Mitarbeitenden. Dennoch sagt er:

Anick Volger, Präsident der SVP Appenzell Ausserrhoden.

Anick Volger, Präsident der SVP Appenzell Ausserrhoden.

Bild: PD
«Um den Fortbestand des ganzen Spitalverbundes zu erhalten, ist die Schliessung des Spitals Heiden leider eine Notwendigkeit.»

Auch wenn die SVP über den regierungsrätlichen Entscheid erfreut ist, macht sie sich weiter Sorgen um die Zukunft des Svar. «Auch die Zahlen des Psychiatrischen Zentrums zeigen seit zwei Jahren in die falsche Richtung. Hier braucht es künftig grosse Anstrengungen», sagt Volger. Zumindest sei nun aber der Spitalstandort Herisau vorerst gesichert.

FDP und die Mitte zeigen sich nicht überrascht

Monika Bodenmann spricht von einem «schmerzlichen, aber notwendigen Schritt». Allzu viel kann die Präsidentin der FDP Appenzell Ausserrhoden am Montagnachmittag noch nicht zur Schliessung sagen. Die Partei wird den Entscheid in den Abendstunden noch breiter diskutieren. Überrascht ist Bodenmann allerdings nicht über die Spitalschliessung. Sie sagt:

Monika Bodenmann, Präsidentin der FDP Appenzell Ausserrhoden.

Monika Bodenmann, Präsidentin der FDP Appenzell Ausserrhoden.

Bild: PD
«Bedauerlich und schade ist es natürlich für die betroffenen Mitarbeitenden und die Gemeinde Heiden.»

Die Regierung und der Verwaltungsrat übernehme mit dem Entscheid aber die nötige Verantwortung für den gesamten Spitalverbund und dessen Fortbestand.

Auch die Mitte Appenzell Ausserrhoden hat die Entwicklungen rund um den Spitalverbund in den vergangenen Jahren genau beobachtet. Vizepräsident Glen Aggeler sagt in einer ersten Stellungnahme: «Wir begrüssen es, dass die Regierung und der Svar-Verwaltungsrat nun die entsprechende Verantwortung übernimmt und wir unterstützen den Entscheid sowie die Vier-Punkte-Strategie. Für uns kommt die Schliessung nicht überraschend, wenn man den Geschäftsgang in den letzten Jahren beobachtet. Es zeichnen sich schon länger Massnahmen ab.» Weiter begrüsst die Partei, dass die Regierung «konsequent gehandelt und nicht mehr Jahre zugewartet hat». Der Spitalverbund sei wichtig für die Grundversorgung der Ausserrhoder Bevölkerung und es sei essenziell, dass diese gewährleistet bleibe. Aggeler sagt:

Glen Aggeler, Vizepräsident die Mitte Appenzell Ausserrhoden.

Glen Aggeler, Vizepräsident die Mitte Appenzell Ausserrhoden.

Bild: PD
«Mit der Schliessung des Spitals Heiden können die beiden anderen Bereiche des Spitalverbundes gestärkt werden.»

Er schätzt allgemein, dass die übrigbleibenden regionalen Spitäler, wie jenes in Herisau, durch die Spitalschliessungen nochmals an Gewicht gewinnen.

SP stellt drei Forderungen

«Es ist eine schwerer Schlag für das Spital und die Gemeinde Heiden», sagt Jens Weber, Präsident der SP Appenzell Ausserrhoden. «Besonders bitter ist es für das Personal, das mit grossem Einsatz im Spital Heiden sehr gute Arbeit geleistet hat.» Die Zahlen und die Vorgaben des Krankenversicherungsgesetzes würden aber eindeutig gegen eine Weiterführung des Spitals in Heiden sprechen, so Weber.

Jens Weber, Präsident der SP Appenzell Ausserrhoden.

Jens Weber, Präsident der SP Appenzell Ausserrhoden.

Bild: PD
«Wir sind froh, dass wir nun alle Fakten auf dem Tisch haben. Man sieht, dass die Fallzahlen in Heiden so tief sind, dass ein Weiterführen des Betriebs nicht mehr möglich ist.»

Die SP hat die Spitalschliessung bereits intern besprochen und stellt drei Forderungen, wie Weber ausführt. Erstens verlangt sie einen Sozialplan, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine realistische Perspektive schafft und soziale Härten auffängt. Weber sagt:

«Der Spitalverbund steht in der Verantwortung.»

Zweitens verlangt die SP, dass der Spitalverbund gestärkt aus diesem Schritt hervorgeht. Der Svar brauche eine Strategie, die in einem Ostschweizer Kontext eingebettet und erfolgreich umsetzbar sei. «Die Gewährleistung der Grundversorgung ist enorm wichtig und dafür braucht es eine überkantonale Kooperation und Koordination», so Weber. Weil der Standort Heiden durch die Schliessung einen herben Verlust erleide, müssten drittens gesellschaftlich und volkswirtschaftlich Perspektiven geschaffen werden, dass mit dem frei werdenden Areal schnell und nachhaltig Nachfolgelösungen gefunden werden. Weber sagt: «Hier wäre es denkbar, dass auch der Kanton mithilft.»

EVP nennt Entscheid «richtig, hart und zu spät»

Die EVP nimmt den Entscheid «mit Betroffenheit zur Kenntnis», wie Präsident Mathias Steinhauer am Abend sagt. «Der Entscheid ist richtig, für die Mitarbeitenden allerdings hart, und er kommt mindestens drei Jahre zu spät.» Die Gründe für die Schliessung seien aber nachvollziehbar. Steinhauer verweist auf die permanenten kritischen Voten in Bezug auf den Svar. «Nachdem der Spitalverbund nun über Jahre auf die falsche Strategie gesetzt hat und das Dotationskapital praktisch halbiert wurde, ist dieser Strategiewechsel überfällig. Das Spital Heiden hat über Jahre aufgrund viel zu tiefer Fallzahlen defizitär gearbeitet», so Steinhauer. Die Coronapandemie als Entschuldigung lässt er nicht gelten. Steinhauer sagt:

Mathias Steinhauer, Präsident der EVP Appenzell Ausserrhoden.

Mathias Steinhauer, Präsident der EVP Appenzell Ausserrhoden.

Bild: PD
«Bei ehrlicher Betrachtungsweise war diese Entwicklung schon lange sonnenklar.»

Die EVP nimmt auch die Verantwortlichen in die Pflicht. «In der aktuellen Krise werden es die Mitarbeitenden doppelt schwer haben eine adäquate Stelle zu finden. Wir erwarten für alle diese Mitarbeitenden einen überdurchschnittlichen Einsatz bei der Suche nach Anschlusslösungen und einen sehr gut ausfinanzierten Sozialplan.»

Die Fraktion der PU hat den Entscheid bis zum Redaktionsschluss noch nicht intern beraten. Präsidentin Arlette Schläpfer zeigt in einer ersten Reaktion angesichts der finanziellen Schwierigkeit des Spitalverbunds «Verständnis für den Entscheid des Ausserrhoder Regierungsrates».

David Zuberbühler hat mit dem Entscheid gerechnet

David Zuberbühler, Ausserrhoder Nationalrat.

David Zuberbühler, Ausserrhoder Nationalrat.

Bild: Alessandro Della Valle / Keystone

Der Ausserrhoder Nationalrat David Zuberbühler erinnert sich an eine Debatte, die 2016 im Kantonsrat geführt wurde. In dieser habe sicher der ehemalige FDP-Kantonsrat Jean-Claude Kleiner, der selbst Verwaltungsrat eines grösseren Spitals war, dahingehend geäussert, dass ein gut funktionierendes, allgemeines Spital ein Einzugsgebiet von etwa 100'000 Einwohner haben sollte, damit es wirtschaftlich betrieben werden kann. Züberbühler sagt:

«So gesehen, kommt die Schliessung in Heiden für mich nicht überraschend.»

Auch aufgrund der grossen Defizite, welche der Spitalverbund in den vergangenen Jahren hinnehmen musste, sei ein solcher Schritt absehbar gewesen. Doch auch wenn der Schritt unausweichlich gewesen sei, so der Ausserrhoder Nationalrat weiter, sei der Entscheid natürlich tragisch für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die grosses Engagement an den Tag gelegt hätten.

Der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni wollte sich auf Anfrage hin nicht zur Spitalschliessung äussern.