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Ein Mann stand vor Gericht, weil er eine grössere Zahl an breit gefächerten Straftaten begangen hat. Er bestritt alles ausser seinen Betäubungsmittelkonsum, die Staatsanwaltschaft ging aber von Schutzbehauptungen aus und forderte einen Landesverweis. Da für viele Vergehen die Beweise fehlten, fiel das Urteil mild aus.
Die Staatsanwaltschaft hatte den 31-jährigen Staatsangehörigen von Bulgarien und Nordmazedonien wegen Diebstahls, Hausfriedensbruchs, Delikten gegen das Betäubungsmittelgesetz, Urkundenfälschung und mehrfachen Führens eines Motorfahrzeuges ohne Berechtigung angeklagt. Sie beantragte dem Kreisgericht St.Gallen eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon sieben Monate zu vollziehen seien. Zudem seien eine Busse und eine Landesverweisung von fünf Jahren auszusprechen.
An der Gerichtsverhandlung bestritt der Beschuldigte mehrere der Vorwürfe. So verneinte er, ein gesichertes E-Bike aus einer Tiefgarage gestohlen zu haben. Es wurde in der Wohnung gefunden, in der er bis zu seiner Verhaftung im Juni 2022 wohnte. Sowohl auf dem Fahrrad als auch auf einem Dutzend durchgetrennten Sicherheitsschlössern wurde seine DNA gefunden. Er habe in seinem Leben noch nie etwas gestohlen, betonte der Mann in der Befragung des vorsitzenden Richters. Die Wohnung habe nicht ihm gehört. Ein flüchtiger Bekannter habe sie ihm überlassen, während dieser für einige Wochen nach Albanien gereist sei.
Im Obergeschoss der Wohnung fanden die Untersuchungsbehörden eine verbotene Hanfanlage mit 176 Pflanzen, professioneller Entlüftung, Bewässerung und Beleuchtung. Den Vorwurf, er sei am Anbau des Marihuanas beteiligt gewesen und habe bei der Ernte geholfen, wies der Beschuldigte ebenfalls zurück. Geständig war er, Kokain und Cannabis konsumiert zu haben. Die Drogen habe er allerdings in Österreich und nicht in der Schweiz zu sich genommen.
Beim nächsten Vorwurf ging es um Urkundenfälschung und Anstiftung dazu. Der Mann soll in einem Testzentrum in St.Gallen einen Mitarbeitenden dazu überredet haben, ihm gegen Bezahlung ein Covid-Zertifikat auszustellen, obwohl er sich nie impfen liess. Auch dies verneinte er. In einem Café seien Leute aufgetaucht und hätten alle Gäste gefragt, ob sie ein Zertifikat benötigten. Sie hätten diese angeboten, ohne eine Bezahlung zu verlangen. Geständig war er, dass er mehrfach mit einem gefälschten bulgarischen Führerausweis Autos lenkte und einen Porsche mietete. Laut Anklage erwarb er den Ausweis für 3900 Euro in Nordmazedonien.
Der Staatsanwalt sah in den Unschuldsbeteuerungen des Beschuldigten Schutzbehauptungen. Als schwerste Straftat bezeichnete er die Hilfe beim Anbau des Marihuanas. Eine Strafmilderung sei nicht angebracht, da er kein umfassendes Geständnis abgelegt und auch nicht zur Beschleunigung des Strafverfahrens beigetragen habe.
Der Verteidiger verlangte mehrere Freisprüche. Sein Mandant sei lediglich wegen Führens eines Fahrzeuges ohne Berechtigung und Urkundenfälschung zu einer angemessenen Geldstrafe zu verurteilen. Die Mehrzahl der vorgeworfenen Straftaten seien von der Staatsanwaltschaft ungenügend abgeklärt worden, begründete er seine Anträge. Der Beschuldigte habe nur sieben Tage in der Wohnung gewohnt. Nachweislich hätten sich mehrere andere Personen auch dort aufgehalten, die ebenfalls verantwortlich für die Straftaten sein könnten. Da sich sein Mandant seit Mitte 2022 im Gefängnis befinde, sei ihm wegen Überhaft eine Genugtuung zu zahlen.
Das Gericht habe sich in diesem Fall bei der Entscheidfindung schwergetan, betonte der Richter vor der Urteilseröffnung. Obwohl es bei einigen der vorgeworfenen Straftaten auch Hinweise für eine mögliche Schuld gebe, reiche die Beweislage nicht aus. Der Beschuldigte wurde somit nur wegen Führens eines Fahrzeuges ohne Berechtigung, Urkundenfälschung und Anstiftung dazu sowie Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Franken und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Darin enthalten ist eine bereits im April 2022 ausgesprochene Geldstrafe. Aufgrund fehlender Katalogtat entfiel die Anordnung einer Landesverweisung.
Das Kreisgericht St. Gallen ordnete eine sofortige Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug an. Für die zu Unrecht im Gefängnis abgesessenen 77 Tage erhält der Beschuldigte eine Entschädigung von 11’550 Franken. Die Verfahrenskosten betragen rund 35’600 Franken. Davon muss der Beschuldigte zwei Fünftel bezahlen, der Rest übernimmt der Staat.