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Mit knapp 19 Jahren schmuggelte ein junger Mann Kokain von Amsterdam nach St.Gallen. Am Kreisgericht erklärte er glaubhaft, dass er sein Leben neu ordnen will. Eine schwere Kindheit und Geldmangel haben ihn laut Aussage zur Tat getrieben.
Sowohl der Verteidiger als auch der Staatsanwalt und das Richtergremium waren sich einig: Der 22-jährige Schweizer, der am Kreisgericht St.Gallen vor Schranken sass, hat die Chance verdient, sein Leben in neue Bahnen zu lenken. Dies, obwohl er seit seinem 13. Lebensjahr mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt geriet.
Der Beschuldigte war angeklagt, weil er für eine Drogenbande Kokain von Amsterdam nach St.Gallen, Arbon und Friedrichshafen transportierte. Zwischen Juli bis Ende 2018 unternahm er mehrere Kurierfahrten, für die er jeweils 1500 Franken plus Spesen für Zugreise und Übernachtung bekam. Das Kokain war in einem Rollkoffer mit doppeltem Boden versteckt. Den Erlös aus den Betäubungsmittelverkäufen brachte er zurück nach Amsterdam.
Der junge Mann erzählte, wie er vor rund drei Jahren nicht mehr ins Massnahmenzentrum für junge Erwachsene zurückgekehrt sei, weil ihm kurz zuvor eine bedingte Entlassung verweigert wurde. «Auf Kurve» sei er in finanzielle Bedrängnis geraten und habe deshalb eingewilligt, als ihm der Auftrag als Kokaintransporteur angeboten worden sei. In jenem Moment sei er so verzweifelt gewesen, dass er nicht an die Folgen seines Tuns gedacht habe.
Auf seine Kindheit angesprochen erzählte er, er habe sich in seinem Elternhaus nie richtig wohl oder geborgen gefühlt. Seine alleinerziehende Mutter habe an starken Depressionen gelitten, Mutter und Vater hätten sich ständig wegen Unterhaltszahlungen gestritten. Den Schilderungen des Beschuldigten war zu entnehmen, dass seine Schwierigkeiten in der Familie so gross wurden, dass er mit 12 Jahren fremdplatziert wurde und Aufenthalte in Heimen und Pflegefamilien folgten.
Bei einer der Pflegefamilien habe er Übles erlebt, betonte er. Er berichtete von Vorfällen, die zeigten, dass der junge Mann aufs Schlimmste gedemütigt wurde. Aus Wut und Verzweiflung steckte er damals eine leere Scheune in Brand.
In den Plädoyers von Anklage und Verteidigung wurde ein psychiatrisches Gutachten angesprochen, welches zum Schluss kam, dass der Beschuldigte durch seine schwierigen Kindheits- und Jugendjahre schulische und berufliche Defizite hat, die er aufholen muss, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Genau dazu sei er bereit, betonte der 22-Jährige. Er wolle die Zeit im Massnahmenzentrum für junge Erwachsene nutzen, um eine Lehre in seinem Traumberuf zu absolvieren und in seinem Leben «aufzuräumen». Seine starke Motivation werde auch durch seine Freundin und seine Geschwister bestärkt.
Der Staatsanwalt erklärte, der Beschuldigte habe ein umfassendes Geständnis abgelegt. Er sei jung, intelligent und gewillt, seinem Leben eine Wende zu geben. Der Verteidiger betonte, bei der Strafzumessung sei zu berücksichtigen, dass sich sein Mandant vor drei Jahren in einer schwierigen Situation befunden habe, die von der Drogenbande für ihre Zwecke ausgenutzt worden sei.
Das Kreisgericht St.Gallen sprach den Beschuldigten erwartungsgemäss wegen schwerer Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Geldwäscherei und anderer Drogendelikte schuldig. Es verurteilte ihn im Zusatz zu einem Urteil des Obergerichtes Zürich zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten und einer Busse. Der Vollzug wird zu Gunsten einer Massnahme für junge Erwachsene aufgeschoben.
Was der Beschuldigte als Kind erlebt habe, wünsche man niemanden, erklärte der vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Das Gericht begrüsse den glaubhaften Willen des Beschuldigten, die Abwärtsspirale zu stoppen und sein Leben neu zu ordnen. Es hoffe sehr, dass er auch bei allfälligen Rückschlägen durchhalte und die Zeit im Massnahmenzentrum erfolgreich abschliesse. Sowohl der Richter als auch der Verteidiger und der Staatsanwalt zeigten sich optimistisch, dass der junge Mann seine Chance packen wird.