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In der Bevölkerung macht sich Erleichterung breit, dass das Thema Corona vorerst abgeschlossen scheint. Unsere Kolumnistin Samantha Wanjiru erinnert daran, dass die Pandemie auch positive Aspekte mit sich gebracht hat, die wir jetzt nicht aus den Augen verlieren sollten.
Nach über zwei Jahren Pandemie scheint die Odyssee ein vorläufiges Ende zu nehmen. Die Taskforce ist aufgelöst, die Medien sind beschäftigt mit dem Krieg in der Ukraine und das Leben verfällt wieder in eine gewisse Normalität. Die Maskenpflicht ist in allen Bereichen aufgehoben, Social Distancing ist nicht mehr nötig, und die Impfkampagne ist kein Thema mehr.
Ab und an liest man im Bus auf dem Weg zur Arbeit auf den News-Monitoren die aktuellen Fallzahlen. Im Bekanntenkreis hört man von einigen wenigen Erkrankungen. Aber im Grossen und Ganzen scheint das Thema Corona erst einmal abgeschlossen. Ist man am Wochenende in den Städten der Ostschweiz unterwegs, merkt man, wie sehr die Menschen diese neu erlangten Freiheiten geniessen. Restaurants und Clubs dürfen sich über hohe Besucherzahlen freuen.
Freizeiteinrichtungen wie Museen, Kinos und Sportanlagen können nach langer Coronaflaute wieder ihren Betrieb aufnehmen. Die Welt scheint wieder heile zu sein. Die grosse Frage, die sich jetzt stellt, ist: Was kann unsere Gesellschaft von dieser Pandemie lernen?
Denn auch wenn die negativen Aspekte der Pandemie im Zentrum standen, gibt es manch positive Entwicklung, die wir mitnehmen sollten. Schaut man sich nur mal das Thema Natur an. Durch den internationalen Reisestopp durfte die Natur für eine Zeit lang aufatmen. Korallenriffe haben sich von der jahrelangen Beschmutzung durch den Massentourismus erholt. Gewässer, die mit Plastikmüll gefüllt waren, strahlen wieder in neuem Glanz. Flora und Fauna in den Nationalparks der Welt sind wieder aufgeblüht.
Der direkte Einfluss des Menschen auf die Natur und den Klimawandel war noch nie so deutlich wie in den letzten drei Jahren. Auch wenn wir gezwungenermassen genau das gemacht haben, was die Natur gebraucht hat, sollte das neuerlangte Bewusstsein über seinen eigenen ökologischen Fussabdruck dazu genutzt werden, um langfristige Verhaltensveränderungen herbeizuführen.
Man muss nicht jeden Sommer über den Ozean fliegen, um einen schönen Urlaub zu haben. Lokale Ausflüge haben die letzten drei Jahre vollkommen ausgereicht. Man muss nicht jeden Tag mit dem Auto pendeln, sondern kann im Homeoffice genauso produktiv arbeiten. Alles Dinge, die ohne grossen Aufwand gerade in unserer aktuellen Klimakrise positive Veränderungen herbeiführen.
Handlungsbedarf besteht ausserdem bei den Arbeitsbedingungen in der Wirtschaft. Ausgebrannte Mitarbeiter aus allen möglichen Branchen haben in den sozialen Medien ihr Leid geteilt. Für viele war die Pandemie eine nötige Auszeit vom strengen Arbeitsalltag. Kellnerinnen und Kellner konnten wieder Zeit mit der Familie verbringen. Büromitarbeiterinnen und Büromitarbeiter nutzten das Homeoffice, um mehr Zeit mit ihren Partnerinnen und Partnern zu verbringen. Das grosse Durchhaltevermögen der Pflegerinnen und Pfleger rückte in die Mitte der Gesellschaft. Gerade in diesem Bereich wurden die unfairen Arbeitsbedingungen deutlich.
Überarbeitetes Personal setzte ein deutliches Zeichen, dass die Work-Life-Balance in der Schweiz fehlt. Ein Appell, der auch nach der Pandemie von den Verantwortlichen ernst genommen werden sollte. Es wurde noch nie so klar, wie abhängig der Mensch von gesunden sozialen Kontakten ist. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, dass wir als Gesellschaft zusammenkommen und uns gegenseitig in allen Lebensaspekten unterstützen.
Samantha Wanjiru ist Psychologiestudentin und Kopf der Black-Lives-Matter-Bewegung in der Ostschweiz. Sie schreibt diese Kolumne immer montags im Turnus mit Toni Brunner, Ulrike Landfester und Walter Hugentobler.