Am Freitag heisst es in St.Gallen «Manege frei»: Der Circus Knie hat am Mittwoch sein sechs Tonnen schweres Zelt auf dem Spelteriniplatz aufgezogen. Auf dem Platz wuselt es von Mitarbeitenden, doch jeder Handgriff scheint zu sitzen.
Arbeiter mit orangen Westen und Helmen laufen kreuz und quer über den Spelteriniplatz. Eisenstangen scheppern, man hört es hämmern und bohren. Zwei riesige Stahlbögen ragen über dem Platz, «Knie» steht in blauen Buchstaben auf dem vorderen Bogen. Die Quartierstrassen rund um den Platz wurden von Wohnwagen eingenommen. Ab Freitagabend heisst es wieder «Manege frei». Vom 12. bis zum 21. November zeigt die Knie-Familie zusammen mit ihrem Ensemble auf dem Spelteriniplatz in St.Gallen ihr neues Programm. Bald treten Sänger Bastian Baker, fliegende Motorräder und Seiltänzer in der Manege auf.
Am Mittwochmorgen legen die Arbeiter das sechs Tonnen schwere Zelt auf dem Platz aus, an den vier Zipfeln wird das Zelt elektrisch mit Seilen hochgezogen. Noch sieht es aber unter dem blauen Dach eher nach einer Baustelle aus. Das Zelt hängt etwas schlaff, Arbeiter stellen die Masten unter dem Zelt nach und nach gerade. Stangen, die vollbehangen sind mit Scheinwerfern, werden zur Decke hochgezogen, letzte Bolzen in den Teer gebohrt. Es wird geschuftet, gehämmert, geschwitzt. «Innerhalb von acht Stunden wird das Zirkuszelt jeweils auf- und abgebaut», sagt Tamara Kury, Medienassistentin des Zirkus.
Ein Fahrzeug hebt einen Container an den Rand des Zeltes, Ton und Licht werden von dort aus gesteuert. Ein Mann zieht die Spannseile des Zelts nochmals enger, ein anderer beginnt damit, die Seitenwände aufzuziehen. Knapp 100 Mitarbeitende sind am Aufbau beteiligt. Einige würden hier schon seit über 20 Jahren arbeiten, sagt Géraldine Knie, Artistische Direktorin des Zirkus Knie.
«Die Arbeiter gehören zu uns wie auch die Artisten. Wir sind eine Einheit.»
Mitarbeitende, die beim Aufbau arbeiten, sind ab Freitagabend beim Buffet, den Requisiten oder bei den Tieren im Einsatz.
Für einen Moment wird es ruhiger auf dem Spelteriniplatz. Drei Arbeiter haben sich auf eine Mauer neben dem Platz gesetzt. Es ist 9.30 Uhr, Zeit für eine Kaffeepause. Aber nicht lange – und weiter geht es mit dem Aufbau. Geredet wird kaum, jeder weiss genau, was er tun muss. Auch mit den Fahrzeugen fahren die Arbeiter wie nach einem unsichtbaren Zeitplan ins Zelt rein und wieder raus. Ein Arbeiter beschäftigt sich in schwindelerregender Höhe auf dem Zeltdach. Der Aufbau ist wie eine Show, nur ohne Publikum, ohne Applaus.
Ein 37-jähriger Arbeiter trägt eine Eisenstange. «Ich wollte schon immer beim Zirkus arbeiten.» Ihn fasziniere diese Welt. Nun ist unter dem Zeltdach die Manege zu erkennen. Vorab wurden Bodenmarkierungen angebracht. «Alle Abstände müssen genau stimmen», sagt Tamara Kury. Dann wird die Bühne des Orchesters ins Zelt transportiert. Dieses Jahr sei es eine spezielle Bühne, denn sie könne hoch- und runtergefahren werden. Das ist nötig, um die Stahlkugel für die Motorradshow in die Manege zu transportieren. «Die Technik ist dieses Jahr besonders aufwendig», sagt Géraldine Knie. Die Zirkusdirektorin sagt:
«Vor zwei Jahren haben wir diese Show schon geplant und nun können wir sie endlich zeigen.»
Die Aufführungen seien am letzten Ort in Zürich jeweils ausverkauft gewesen, sagt Knie. Der Vorverkauf in St.Gallen laufe gut, es gebe aber noch freie Tickets. Der Vorverkauf ist wegen der unsicheren Planung eher kurzfristig gestartet. Das ganze Zelt mit den 2110 Plätzen kann gefüllt werden, denn es gilt die 3-G-Regel. «Die Saison läuft bisher gut», sagt Géraldine Knie. Auch wenn die achtmonatige Tournée Mitte März hätte starten sollen und 28 Städte auf dem Plan standen. Nun ist der Circus Knie seit Mitte Juli unterwegs und besucht bis Mitte Januar acht Städte.
In den letzten Tagen vor der Premiere in St.Gallen werden die Technik fertig eingerichtet, das Sägemehl in die Manege gestreut, Tonproben gemacht. Einzelne Artisten proben nochmals ihre Stücke. Besonders die Motorradfahrer müssen überprüfen, ob alle Distanzen stimmen, sagt Géraldine Knie. Im Innern des Zelts wächst die Zuschauertribüne nach und nach, darunter verschwinden die orangen Stromkabel. Bis das Publikum kommt, stehen ein paar Schaulustige um den Platz. Sie beobachten den Aufbau. Bei der Premiere am Freitag stehen Artistinnen und Artisten in der Manege, dann ist es eine Show mit Publikum.