ST.GALLEN. Der Kanton St.Gallen verlangt von den Gemeinden, dass sie das Rauchverbot selber durchsetzen. Doch den meisten Gemeinden fehlt das Personal, um die Beizen zu kontrollieren. Und die Polizei kommt nur, wenn man sie ruft.
Der Kanton St. Gallen scheint geahnt zu haben, wie schwierig die Durchsetzung eines flächendeckenden Rauchverbots im Kanton sein wird. Bereits im August vergangenen Jahres arbeitete das Gesundheitsdepartement zusammen mit den Gemeinden und den Wirten eine Broschüre aus, um «die Umsetzung der Bestimmungen über den Schutz vor dem Passivrauch zu erleichtern.» Die Absicht dahinter: Der Vollzug des Verbots sollte einheitlich und möglichst ohne Nebengeräusche über die Bühne gehen.
Gemeinden tun sich schwer
Seit dem 1. Oktober 2008 ist das Rauchverbot in Kraft – und die Nebengeräusche sind heftig. Die Gemeinden tun sich schwer mit dem neuen Gesetz, die Unterscheidung zwischen rauchfreien Betrieben, Betrieben mit Rauchzimmer und Raucherbetrieben lässt den Gemeindeenviel Spielraum – zuviel, wie Kritiker bemängeln. Einzelne Gemeinden zögerten den Vollzug hinaus, andere setzten die Vorgaben des Kantons eins zu eins um, wieder andere wie Flawil oder Widnau erteilten kurzerhand allen Beizen eine Ausnahmebewilligung.
Jetzt, da die Frist für Sonderregelungen zu Ende ist, rückt ein neues Problem in den Vordergrund: Eine flächendeckende Kontrolle fehlt. Besonders in kleineren Gemeinden haben Wirte ohne Ausnahmebewilligung trotz Verbot wenig zu befürchten. Wer rauchen will, findet im ganzen Kanton Gaststätten, die sich nicht um das Verbot scheren – im Wissen darum, dass die Aussicht, erwischt zu werden, gering ist.
Das Gesetz schreibt zwar vor, dass die Gemeinden für den Vollzug des Verbots verantwortlich sind. Doch in vielen Dörfern zählen Restaurants zu den Eckpfeilern des sozialen Gefüges: Sie sind Vereinslokal, Sitzungszimmer und nicht selten einziger öffentlicher Raum im Dorf. So dürften wohl zahlreiche Politiker auf Gemeindeebene nicht darauf erpicht sein, sich mit Stichproben unbeliebt zu machen.
Kontrolle nur bei Reklamation
Die Frage nach der Kontrolle war bereits in der Novembersession des Kantonsrats Gegenstand einer einfachen Anfrage. Die Antwort der Regierung: Das Rauchverbot durchzusetzen sei «eine gemeindepolizeiliche Aufgabe». Auf dem Papier ist die Sache also klar. Nur: Von den 86 Gemeinden im Kanton haben nur zwölf eigene Polizisten: St.Gallen, Rorschach, Altstätten, Grabs, Buchs, Sargans, Bad Ragaz, Mels, Rapperswil-Jona, Wil, Flawil und Gossau. Hat die Gemeinde keine eigene Polizei oder Sicherheitsdienste, soll die Kantonspolizei die Lücke füllen – «im Rahmen der personellen Möglichkeiten», wie es im regierungsrätlichen Schreiben heisst.
In Tat und Wahrheit ist es mit der Kontrolle aber nicht weit her. Denn weder die Kantonspolizei noch die gemeindeeigenen Polizisten führen aus eigenem Antrieb Kontrollen durch. Kontrolliert wird erst, wenn jemand reklamiert. Mit anderen Worten: Wo das Gesetz missachtet wird, muss der Kanton auf die Eigenverantwortung der Wirte hoffen – und auf Gäste, die fehlbare Wirte der Polizei melden.
Kaum Hinweise an die Polizei
Ein Gesetz, das auf Missgunst, Denunziantentum und verärgerte Nichtraucher setzt? Kapo-Sprecher Hans Eggenberger relativiert: «Die Selbstkontrolle funktioniert gut, wir erhalten nur sehr wenige Hinweise.»
Selbstkontrolle statt Polizeirazzien – darauf setzt auch die Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten (VSGP). «Wir gehen davon aus, dass nicht geraucht wird, wo nicht geraucht werden darf», sagt VSGP-Präsident Beat Tinner. Eine flächendeckende Beaufsichtigung der Betriebe ist für Tinner kein gangbarer Weg. «Den meisten Gemeinden fehlt dazu das Personal. Zudem reguliert sich das mit der Zeit von selbst.»
«Eine gigantische Aufgabe»
Tinners Befund deckt sich mit den Ergebnissen der jüngsten Umfrage des Gesundheitsdepartements. Tatsächlich lenken immer mehr Gemeinden auf den Kurs der Kantonsregierung ein und setzen das Verbot restriktiv um. Auch haben sich in den vergangenen Monaten viele Gaststätten mit der Situation abgefunden, wie Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann auf Anfrage bestätigt: «Der grösste Teil ist im grünen Bereich.»
Dennoch: Die Schwierigkeit, sämtliche schwarzen Schafe aus der Anonymität zu holen, bleibt trotz der zunehmenden Akzeptanz des Gesetzes bestehen. Und so lange die Gemeinden die Rolle des Wachhunds spielen muss, wird sich daran wenig ändern.
Wäre denn die Aufsicht über das Verbot beim Kanton besser aufgehoben? Roman Wüst, Generalsekretär des Kantonalen Gesundheitsdepartements, winkt ab: «Im Kanton St.Gallen gibt es 2500 Gastronomiebetriebe. Diese von zentraler Stelle aus zu kontrollieren wäre eine gigantische Aufgabe.» Zwar bekomme das Departement immer wieder Hinweise auf Verstösse, doch müsse man in solchen Fällen an die Gemeinde verweisen. Denn in diesem Punkt lässt das Gesetz keine Fragen offen: Steigt in einer Gaststätte unerlaubterweise Rauch zur Decke, bleibt bis auf weiteres die Gemeinde gefordert.