Am Mittwoch beginnt das 50. St.Gallen Symposium. Mit dabei sind der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, Microsoft-CEO Satya Nadella, Klimaaktivistin Luisa Neubauer oder IKRK-Präsident Peter Maurer. Drei Tage debattieren 2000 Symposiumsteilnehmer darüber, wie wichtig «Vertrauen in Zeiten der Unsicherheit» ist. Was bringt das?
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Nie treffen sich in der Ostschweiz so viele Leute mit so viel Einfluss wie während des Symposiums. Zur illustren und teils auch umstrittenen Gästeschar der letzten zehn Jahre zählten IWF-Chefin Christine Lagarde, Fifa-Präsident Sepp Blatter, Historiker Niall Ferguson, Architekt Santiago Calatrava, Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der chinesische Milliardär Jack Ma (Alibaba-Gründer) oder Ruandas Langzeitpräsident Paul Kagame. Traditionellerweise wird das Symposium von einem Bundesrat eröffnet. Dieses Jahr hält Justizministerin Karin Keller-Sutter eine Rede.
Kaum mehr. In früheren Jahren gab es auch schon Proteste von links gegen das «kleine WEF». Juso und Co. kritisierten das Symposium, weil mit dem Anlass bestehende Machtverhältnisse zementiert würden, «um das Vermögen derjenigen zu vergrössern, die ohnehin schon am stärksten von der globalisierten Wirtschaft profitieren».
Kaum. Denn seit ein paar Jahren bemühen sich die Organisatoren, näher zur Bevölkerung zu rücken – mit einer Veranstaltung, die das Thema des Symposiums Mitte Mai nochmals aufnimmt. Und auch während des Symposiums sind einige Panels öffentlich. Um eine möglichst breite Diskussion zu garantieren, sind nicht nur Manager, Politikerinnen oder Forscher eingeladen. Dieses Jahr nehmen beispielsweise Klimaaktivistin Luisa Neubauer, Ski-Gesamtweltcupsieger Aleksander Aamodt Kilde oder der deutsche Jesuit Klaus Mertes teil, der mithalf, die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche aufzudecken.
Sämtliche Gäste werden eingeladen – dieses Jahr sind es fast 2000 aus 85 Nationen. Die rund 300 jungen Talente («Leaders of Tomorrow») werden vom Organisationskomitee sorgfältig ausgewählt. Sie können sich mit einem Aufsatz qualifizieren oder werden von einem weltweiten Netzwerk von Universitäten empfohlen. Wegen Corona sind aber nur ein paar Referenten auf dem Rosenberg anwesend. Der Rest wird via Livestream aus Konferenzräumen in Singapur, São Paulo, Tokio, Mexiko, Moskau oder von zu Hause aus zugeschaltet. 40 Prozent der Speaker sind Frauen – so viele wie noch nie. Wer einmal teilgenommen hat, schafft sich oft ein Netzwerk fürs Leben.
Eine grosse Frage. Das Symposium selber will Lösungen für die Welt von morgen suchen, indem Talente und Menschen, die bereits viel erreicht haben, miteinander diskutieren. Auch wenn die Welt teils besser wurde und in den letzten Jahrzehnten Hunderte Millionen dank wirtschaftlichem Aufschwung der Armut entfliehen konnten, bleiben die Gräben zwischen Arm und Reich enorm, ebenso die ökologischen Herausforderungen. Unbestritten ist: Gedankenanstösse sind garantiert, denn die Debatten auf dem Rosenberg sind hochstehend, manchmal herausragend – mit Teilnehmern, die viel wissen, viel können, grossen Einfluss haben und sich nach dem Symposium zuweilen in Start-ups, neuen Konferenzen oder anderweitig vernetzen.
Das Symposium, das sich selber als weltweit führende Plattform für den Dialog zwischen den Generationen sieht, ist für St.Gallen ein Imagefaktor. Es gibt keine Veranstaltung in der Ostschweiz, die auch nur annähernd derart global ausstrahlt wie das Symposium. In einem normalen Jahr generiert das Treffen auch Tausende von Logiernächten in Hotels.
Fünf HSG-Studenten hatten damals den Wunsch, konstruktive Lösungen zu erarbeiten, anstatt – wie die 68er-Bewegung – gegen bestehende Verhältnisse zu demonstrieren und Pflastersteine zu werfen. Sie standen explizit für den freien Markt, die liberale Wirtschaft ein. Im Kern hat sich daran bis heute nicht viel geändert, obwohl am Symposium immer wieder aus unterschiedlichsten Blickwinkeln auch die Grenzen des Kapitalismus diskutiert werden.
Das 4-Millionen-Franken-Budget wird hauptsächlich von einem Förderkreis bestritten, zu dem 200 Unternehmen gehören, die bis zu 50'000 Franken zahlen und als Gegenleistung mit Entscheidungsträgern am Symposium teilnehmen dürfen. Zu den wichtigsten Sponsoren gehören Konzerne wie Microsoft, Credit Suisse, ABB, Omega oder neu auch der Basler Agrochemiekonzern Syngenta, der in chinesischen Händen ist. Gemäss eigenen Angaben will Syngenta das Symposium auch als Plattform nutzen, um mit Innovationen in der Landwirtschaft globale Probleme wie Unterernährung oder Klimawandel zu bekämpfen.