ST. GALLEN. Die Universität St. Gallen weihte gestern drei Kunstwerke ein. Die grösste mediale Aufmerksamkeit genoss dabei die Stubenfliege Erika. Im Beisein der Künstler Frank und Patrik Riklin fand sie an der HSG ihre letzte Ruhestätte.
Ein Dutzend Kameras richteten sich gestern Mittag auf Erika, eine tote Fliege. Als ihr kleiner Schrein aus Panzerglas in einem Gang zur Uni-Mensa beigesetzt wurde, waren sie alle da: Rektor Thomas Bieger, HSG-Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann, Kunstkommissionspräsidentin Yvette Sánchez und Hans-Dietrich Reckhaus, der Stifter des Werks. Die Fliege Erika der Künstlerzwillinge Frank und Patrik Riklin ist nur eines von drei Kunstwerken, das die HSG gestern einweihte. Sie zog die grösste Aufmerksamkeit auf sich.
Die Fliege Erika ist die Protagonistin einer ziemlich absurden Geschichte, die mit einem PR-Auftrag beginnt. Hans-Dietrich Reckhaus, HSG-Alumnus und Unternehmer für Insektenvertilgungsmittel, suchte eine Werbeidee für eine Fliegenfalle und wandte sich an Frank und Patrik Riklin mit ihrem Atelier für Sonderaufgaben.
Diese überzeugten Reckhaus davon, Fliegen nicht zu töten. Sie riefen im Herbst 2012 die Aktion «Fliegen retten in Deppendorf» ins Leben. Während dieser Aktion wurden 902 Stubenfliegen eingefangen. Die Brüder wählten eine davon aus, tauften sie Erika und schickten sie per Flugzeug – mit eigener Bordkarte – in ein Wellness-Hotel. Alles wurde mit der Kamera dokumentiert.
Es gehe ihnen darum, einen Diskurs über den Wert einer Fliege loszutreten, sagen die Brüder. Sie wollen die kleinen Dinge hochhalten, ja sie überhöhen sie geradezu und rufen Erika zur «Ikone der Insektenwelt» aus. Und sie sagen ihr menschliche Bedürfnisse nach. Ob Erika ihren Flug ins Wellnesshotel aber wirklich zu schätzen wusste, darf bezweifelt werden.
Die Aktion handelt aber auch davon, wie eine gewöhnliche Fliege ins Leben des Unternehmers Reckhaus trat, beziehungsweise flog. Und wie sich dieser vom Insektenvertilger zum Fliegenretter wandelte wie Saulus zum Paulus. Er krempelte seine Firma um und kompensiert seither den Verkauf von Insektiziden mit dem Anbau «insektenfreundlicher Grünflächen».
Die HSG-Kunstkommission versteht die Fliege Erika deshalb als Sinnbild dafür, «dass Kunst den Businessplan einer Firma zu beeinflussen vermag». Von den Studenten, die gestern an der im Boden eingelassenen Fliege vorbeigingen, zückte manch einer das Handy und machte ein Foto. Die Fliege polarisiert. Als müsste er die Seriosität der Aktion unterstreichen, sagte Verwaltungsdirektor Markus Brönnimann in seiner Ansprache, Reckhaus sei ein ernsthafter Mann – «kein Holdrio».
Drei ungleiche Gestalten standen derweil vor dem Schrein – mit ernster Miene: Reckhaus in Anzug und Krawatte wurde von den Riklin-Brüdern flankiert, die Wollmützen trugen. Für Reckhaus symbolisiert Erika die gegenseitige Befruchtung von Kunst und Wirtschaft. Er wolle seiner Alma Mater etwas zurückgeben, sagte der Unternehmer. Er vermacht der HSG die Fliege, die sein Leben veränderte. Ob er damit nicht vor allem sich selbst ein Denkmal setzt, blieb gestern unbeantwortet.