Den Lobbyisten auf der Spur

Mit wem sind eigentlich die Parlamentarier verbandelt, die wir im Herbst wiederwählen werden? Der Verein «Lobbywatch», ein Netzwerk von Journalisten, gibt Antworten darauf.

Sina Bühler
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Nicht nur Politiker haben Zutritt zum Parlament. (Bild: ky/Peter Schneider)

Nicht nur Politiker haben Zutritt zum Parlament. (Bild: ky/Peter Schneider)

Was macht ein Lobbyist? Eine vordergründige Antwort auf diese Frage ist einfach: Lobbyistinnen und Lobbyisten sind Interessenvertreter. Sie vertreten die Interessen ihrer Auftraggeber in der Politik. Besonders aktiv dabei sind beispielsweise Organisationen und Unternehmen des Gesundheitswesens, der Wirtschaft und der Umweltverbände. Eine zweite, präzisere Antwort darauf ist weniger simpel: Lobbying ist eine diskrete, intransparente Sache. Viel läuft über persönliche Kontakte und informelle Gespräche. Und das funktioniert am besten im Zentrum der Macht – in der Wandelhalle des Bundeshauses.

Churfirsten und Ballenberg

Die Schweizer National- und Ständeräte müssen ihre Interessenbindungen offen darlegen, eine Liste findet man auf der Webseite des Parlaments. Der St. Galler SVP-Nationalrat Toni Brunner gibt an, Präsident des Churfirsten-Clubs zu sein. Laut Eigenbeschrieb des Clubs handelt es sich um eine «exklusive Gönner-Vereinigung für innovative Unternehmer, wirtschaftliche Entscheidungsträger, bürgerliche Politiker und verantwortungsbewusste Bürger». Brunner ist auch im Stiftungsrat des Freilichtmuseums Ballenberg.

Dass die St. Galler FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter Präsidentin der Detailhändlerorganisation Swiss Retail Federation ist, steht immer wieder in den Medien. Sie sitzt aber auch seit zwei Jahren im Verwaltungsrat der Balôise Versicherung.

Badges zu vergeben

Weniger bekannt ist, welchen Lobbyisten diese Parlamentarier direkten Zugang zum Bundeshaus ermöglichen. Jedes Ratsmitglied kann zwei Zutrittsausweise an Bekannte, Mitarbeitende, Freunde oder Familie vergeben. Brunner gibt seine Badges Judith Uebersax, Präsidentin der SVP-Frauen, und an Thomas Bächler vom Verband Stahl-, Metall- und Papier-Recycling (VSMR). Keller-Sutter hat ihrerseits nur einen Ausweis verlangt, für ihren Ehemann, den Rechtsmediziner Morten Keller. Der Innerrhoder CVP-Ständerat Ivo Bischofberger hat ebenfalls nur einen Badge vergeben: Er ermöglicht Hans-Ulrich Bigler, sich in der Wandelhalle frei zu bewegen. Bigler ist Direktor des Gewerbeverbandes, vertritt die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen. Er macht zurzeit Kampagne gegen das neue Radio- und Fernsehgesetz. «Bis vor vier Jahren kam die Öffentlichkeit nur an diese Informationen, wenn sich Journalisten die Mühe machten, die Liste der Zutrittsberechtigten im Bundeshaus von Hand abzuschreiben», sagt Beobachter-Redaktor Thomas Angeli.

Krankenkassen vergeben Posten

Angeli ist Co-Präsident des Vereins «Lobbywatch». Dessen Mitglieder sind Journalisten, die seit einem Jahr Parlamentarierinnen und deren Gäste unter die Lupe nehmen. «Wir wollen genauer wissen, welche Einflüsse, Verbände und Organisationen hinter den Politikerinnen und Politikern stehen.» Als erstes sah sich «Lobbywatch» die Mitglieder der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit an. Für Angeli ein gutes Beispiel, was Unternehmen mit einem freien Zutritt zur Wandelhalle bewirken können: «Es ist bekannt, dass gewisse Krankenkassen wie die Groupe Mutuel immer wieder neu gewählte Parlamentarier angehen und diese in ihre Verwaltungsräte holen.» Ein Posten, der selbstverständlich mit Erwartungen bei der Gesetzgebung verbunden ist.

Ein weiteres Beispiel, warum die Transparenz so wichtig ist, lieferte Anfang dieses Jahres Thomas Borer. Als Gast des Schaffhauser SVP-Nationalrates Thomas Matter lobbyiert der ehemalige Schweizer Botschafter nun für die kasachische Regierung, welche die Auslieferung eines Regimekritikers verlangt, der in Genf lebt. Prompt reichte SVP-Nationalrat Christian Miesch (BL) einen ebensolchen Vorstoss im Parlament ein.

Aufwendige Recherchen

Die indirekten Interessenverbindungen der Ostschweizer Parlamentarier sind erst zart aufgearbeitet worden. Denn die Recherchen von «Lobbywatch» sind nicht nur aufwendig, sondern auch ehrenamtlich. Der Verein arbeitet sich von Kommission zu Kommission. Das ergebe mehr Sinn als eine alphabetische Recherche, sagt Thomas Angeli: «Zusammenhänge sind so schnell sichtbar. Wir haben bisher die Mitglieder der Kommissionen für Umwelt, Raumplanung und Energie, soziale Sicherheit und Gesundheit sowie Wirtschaft und Abgaben erfasst.»

Zurzeit untersucht «Lobbywatch» die Mitglieder der Sicherheitspolitischen Kommission und der Kommission für Verkehr- und Fernmeldewesen. Angeli hofft, dass bis zu den nationalen Wahlen im Herbst die Parlamentariernetzwerke in allen Legislativkommissionen sichtbar sein werden.