Der Marokkaner Nour Eddine Oulouda ist Koch beim Circus Knie. Pro Saison bereitet er in seiner fahrenden Küche 43 000 Mahlzeiten für Gäste aus über zehn Nationen zu.
Dampfschwaden strömen aus Wagen mit der Nummer 31. «Mannschaftsküche» steht gross auf der Aussenseite. Küchenchef Nour Eddine Oulouda grüsst auf der Wagentreppe und macht sich gleich wieder mit einer Kelle davon. Um 6 Uhr fängt sein Arbeitstag an. Wasser kochen, Croissants aufbacken, 30 Kilo Brot bereitstellen. Täglich arbeitet er bis 19.30 Uhr abends im Küchenwagen. Wenn die Saison im November im Tessin zu Ende geht, wird er zusammen mit seinem vierköpfigen, aus Polen und Marokko stammenden Team für den Circus Knie 43 000 Hauptmahlzeiten, 22 000 Frühstücke und 5000 Zwischenverpflegungen zubereitet haben.
Der 53jährige Marokkaner war Koch in einem Restaurant in der Hauptstadt Rabat und später bei einer Flug-Catering-Firma in Saudi-Arabien – bis ihn sein Bruder Ali, der 48 Jahre lang als Pferdebetreuer bei Knie tätig war, 1986 mit dem Zirkusvirus ansteckte. Nun ist Oulouda bereits die 28. Saison beim «Schweizer National-Circus Gebrüder Knie AG», wie das Unternehmen offiziell heisst.
Den Schritt von Nordafrika in die Schweiz habe er nie bereut, sagt Oulouda. Die Zirkuswelt fasziniere ihn, die Gastfreundschaft und das Bewirten habe er im Blut. «Und hier in der Kantine bin ich mein eigener Herr und Meister.» Wenn ihn doch einmal das Heimweh plagt, lädt er seine maghrebinischen Freunde aus der grossen Zirkusfamilie ein, die ihn jedes Jahr auf der Tournée begleiten. An den wenigen arbeitsfreien Tagen besucht Oulouda seine Familie in Zürich-Oerlikon. Dort schwingt seine 42jährige Frau Najia die Kochlöffel und er kann sich den sechsjährigen Zwillingen Youssra und Youssef widmen. Während der Wintermonate reist Oulouda mit seiner Familie jeweils nach Marokko in die Ferien.
240 Mahlzeiten serviert die Küchenmannschaft pro Tag. Für die Zeltarbeiter und Tierbetreuer ist Kost und Logis im Lohn inbegriffen. 210 Personen, darunter 40 Artisten, beschäftigt das Zirkusunternehmen heuer. Er kocht vor allem für jene, die keine eigene Infrastruktur im Wohnwagen haben. Eine Ausnahme bilden die asiatischen Artisten. Da sie andere Essgewohnheiten haben, stellt ihnen der Zirkus eine eigene Küche zur Verfügung. An Aufbautagen kann es aber ohne weiteres vorkommen, dass Oulouda 150 Mittagessen kochen muss.
Es ist nicht einfach, den Geschmack aller Zirkusangestellten und Artisten zu treffen, kommen diese doch aus über zehn Ländern. «Die Polen würden am liebsten schon zum Frühstück Kartoffeln und Koteletts verdrücken, die Marokkaner essen kein Schwein, dafür viel Lammfleisch und Teigwaren», sagt Oulouda. Marokkanische und polnische Hausmannskost stehen bei ihm ganz oben auf der Speisekarte. Der absolute Renner sind aber Koteletts mit Pommes frites.
Ouloudas Dressur mit Kochlöffeln kommt auch bei den Knies an. «Wir gehen oft zu Nour Eddine essen», sagt Fredy Knie junior. Der 67-Jährige ist künstlerischer Direktor des 1919 gegründeten Traditionsunternehmens. «Der Koch ist nicht nur auf einem Schiff oder U-Boot ein wichtiger Mann an Bord. Wenn die Moral in der Küche stimmt, dann stimmt auch die Moral im Zirkus.»