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Ostschweiz
Nachdem eine Wiler Schule drei Weihnachtslieder verbannte, muss sich jetzt auch die Regierung mit dem Thema befassen. Im St.Galler Kantonsrat sind gleich drei Vorstösse eingegangen.
Eine Wiler Primarschule will drei Weihnachtslieder aus ihrer Adventsfeier verbannen. Diese Meldung sorgte am Dienstag für Aufruhr. Am Mittwoch nun ist die Causa definitiv im St.Galler Kantonsrat angekommen. Dort gingen gleich zwei neue Vorstösse dazu ein, nachdem am Dienstag bereits eine erste einfache Anfrage eingereicht worden war. Die SVP-Kantonsräte Markus Wüst, Sandro Wasserfallen und Ursula Egli wollen mit der Motion «Weihnachtsfeiern gehören zu unserem christlich-kulturellen Erbe» eine Gesetzesänderung erreichen.
Von den 39 Mitunterzeichnern sind 30 SVP- sowie neun CVP-Mitglieder. Sie fordern die Regierung auf, das St.Galler Volksschulgesetz dahingehend anzupassen, dass «Schulträger bestärkt werden, namentlich die Weihnachtsfeiern als wichtiges christlich-kulturelles Erbe zu pflegen». Die Schweizer Gesellschaft und Kultur basiere nach wie vor auf christlichen Grundwerten, argumentieren die Motionäre.
«Wir glauben nicht, dass der Fall in Wil auf ein flächendeckendes Problem hindeutet», sagt Mitinitiant Sandro Wasserfallen auf Anfrage. «Aber wir wollen jetzt Klarheit schaffen und den Rahmen setzen, die christlichen Traditionen und Werte zu verteidigen.» Doch er betont auch, es gehe nicht darum, «mehr Religion in die Schule» zu bringen.
Nicht ganz so weit, eine Gesetzesänderung zu beantragen, ging die CVP-Fraktion. Sie reichte eine Interpellation ein. Aber auch Fraktionspräsident Andreas Widmer sagt auf Anfrage: «Es scheint ein schleichender Abbau unserer Kultur stattzufinden.» Die Fraktion wolle nun zuerst die Haltung der Regierung hören. In der Interpellation fragt sie unter anderem, wie «die christliche Werte solcher Feiern erhalten und gesichert werden» können und, wie verhindert werden könne, dass «andere Schulanlässe bezüglich Kultur und Religion neu ausgerichtet werden müssen».
«Diesen Weg haben wir gewählt, damit wir schnell Klarheit schaffen können», sagt Widmer.
«Denn ich kann mir vorstellen, dass das Thema politisch noch hohe Wellen werfen wird.»
Auf die Interpellation könne im besten Fall bereits in ein paar Wochen eine Antwort der Regierung vorliegen, während die Motion frühestens an der nächsten Session im Februar behandelt werde. Mittelfristig könne sich Widmer ebenfalls vorstellen, eine Gesetzesänderung zu unterstützen, «vielleicht stellt sich aber auch heraus, dass die Thematik auf Verordnungsstufe gelöst werden kann», sagt er. «Oder direkt durch den Erziehungsrat.»
«Offensichtlich hat der Wahlkampf für den 8. März 2020 bereits begonnen», schreibt dagegen der Fraktionschef der FDP, Beat Tinner, auf Anfrage. «Nur so ist es zu erklären, dass ein medial aufgepeitschter Einzelfall schon zu einer Gesetzesänderung führen soll.» Seine Fraktion sehe aktuell keinen Handlungsbedarf. «Grundsätzlich handelt es sich um eine Angelegenheit der Gemeinde Wil, beziehungsweise ihrer Schulbehörden.»
Persönlich sei er aber etwas irritiert über das Verbot einzelner Weihnachtslieder. «Selbstverständlich haben diese einen klar christlichen Hintergrund – aber das gehört zu unserem Land», sagt der Fraktionschef. Die Berichterstattung in den Medien habe gezeigt, dass weder muslimische Organisationen noch muslimische Gläubige in Wil Weihnachtslieder als Problem betrachten.
«Gleichzeitig kenne ich die spezifischen Umstände des Entscheides aber nicht.»
Auch die SP-Grüne-Fraktion sieht aktuell keinen Handlungsbedarf. Co-Fraktionspräsidentin Laura Bucher teilt auf Anfrage aber ebenfalls mit, dass «die christlichen Grundwerte und Traditionen unbestrittener Teil unserer Gesellschaft» seien. Es sei deshalb auch klar, dass Weihnachtsfeiern weiterhin Raum in der Schule haben. Grundsätzlich sei die Fraktion der Meinung, dass die Volksschule politisch und konfessionell neutral sein solle. «Dies in dem Sinne, als dass allen Kindern, unabhängig von ihrem religiösen Glauben respektive dem Glauben ihrer Eltern, der uneingeschränkte Zugang zur Volksschule möglich sein muss.»
Es wäre falsch, «ohne Not und vorauseilend vollständig auf das Durchführen von traditionellen Feiern zu verzichten». Es stehe den Schulen aber frei, zu entscheiden, welche Lieder gesungen werden – und in welcher Form solche Feiern durchgeführt werden sollen.
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