Die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Moos hat eine Pionierrolle in der Schweiz inne – mit einem grossen Nachteil.
Es ist ein grosses Gebiet, für das die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Moos in Hefenhofen zuständig ist und deren betroffenen Gemeinden sich in einem Zweckverband zusammengeschlossen haben (siehe Kasten).
Elf Gemeinden – vorwiegend im Oberthurgau – von Sulgen bis Hefenhofen und von Langrickenbach bis nach Häggenschwil lassen ihr Abwasser von der ARA Moos in Hefenhofen reinigen, und von diesen haben sich die neun Gemeinden Amriswil, Erlen, Hefenhofen, Hohentannen, Langrickenbach, Sommeri und Sulgen aus dem Thurgau sowie die beiden sanktgallischen Gemeinden Häggenschwil und Muolen im Abwasserverband Aachtal zusammengeschlossen. Auch Zihlschlacht-Sitterdorf und Birwinken sind ans Leitungsnetz angeschlossen, diese zwei Gemeinden gehören aber nicht zu besagtem Zweckverband. (man)
Bereits im April 2019 startete die ARA Moos ein einjähriges Pilotprojekt und rüstete eine der vier Reinigungsstrassen um, setzte anstelle von DynaSand ein Granulat aus Aktivkohle (GAK) ein. Grund dafür waren gesetzliche Verschärfungen bei der Abwasserreinigung, dass mehr Mikroverunreinigungen herausgefiltert werden sollten.
«Wir mussten daher in unsere Anlage investieren.»
Das sagt Gabriel Macedo. Er ist in seiner Funktion als Amriswiler Stadtpräsident auch Präsident des Abwasserverbandes Aachtal.
Nach einem Jahr Pilotbetrieb wurde Bilanz gezogen. «Die Ergebnisse waren zufriedenstellend», sagte Andreas Buchmüller, Betriebsleiter der Kläranlage Moos. Im Spätsommer 2020 begann dann die ARA, auch die anderen drei Reinigungsstrassen mit Aktivkohle auszurüsten. Diese kann im Gegensatz zum Dynasand Pestizide, Hormone oder Rückstände von Medikamenten binden und so aus dem Abwasser herausfiltern. Diese Stoffe gelangen also nicht mehr über die Aach in den Bodensee.
Nun ist die Anlage schon seit fast eineinhalb Jahren in Betrieb. Aber ist das Abwasser wirklich sauberer geworden und beinhaltet weniger Rückstände von Pflanzenschutzmittel und Medikamenten, wie es das Ziel war? «Ja», sagt Andreas Buchmüller. Die Anforderungen seien, dass von bestimmten Substanzen 80 Prozent herausgefiltert werden müssen. Dazu wurden im ersten Betriebsjahr 2022 mit dem neuen Verfahren zwölf Proben genommen und analysiert. Zehn von diesem Dutzend Proben mussten die Anforderungen erfüllen, elf taten dies auch. Nur eine lag ganz knapp unter 80 Prozent. Ab diesem Jahr seien es jährlich nur noch fünf von sechs Proben, die diesen Wert erreichen müssten, erklärt der Betriebsleiter der ARA Moos.
Bei der ersten Analyse Ende September 2021 lag das Ergebnis bei nahezu 100, pendelte sich danach dann zwischen 80 und 90 Prozent ein. Dies deshalb, weil das Granulat Aktivkohle noch frisch war. Doch mit der Zeit füllen sich die unzähligen Poren in diesem Granulat mit Mikroverunreinigungen. Dazu gib es eine beeindruckende Zahl: Nur gerade vier Gramm dieser Aktivkohle, das sind ein paar wenige Körner in der Hand von Buchmüller, haben eine Porenfläche, die etwa der Fläche eines Fussballfeldes entspricht.
«Doch von Zeit zu Zeit muss diese Aktivkohle reaktiviert werden», erklärt Buchmüller. Dies passiert in einem Ofen, in dem die Granulate erhitzt und so die darin enthaltenen Schadstoffe verbrannt werden. Danach ist das Granulat wieder wie neu, jedoch nimmt die Menge jeweils um rund zehn Prozent ab, weil sich die Granulate aneinander reiben. Diese Differenz müsse dann wieder hinzugekauft werden, sagt Buchmüller.
Die ARA Moos war der erste Betrieb in der Schweiz, der seine Anlage auf diese Granulate aus Aktivkohle umgestellt hat. Diese Pionierrolle bringt einen grossen Nachteil mit sich. Buchmüller sagt:
«Das Granulat wird nach Belgien gefahren und dort reaktiviert.»
Es fehle an einem Anbieter in der Schweiz. Doch der Betriebsleiter der ARA Moos schätzt, dass sich dies bald ändert, denn der Abwasserverband Aachtal hat bereits einige Nachahmer im Land gefunden. Von den insgesamt rund 700 Kläranlagen in der Schweiz müssen vorerst die 100 wichtigsten ihren Betrieb den neuen Anforderungen anpassen. Das entspricht etwa der Hälfte des Abwassers in der Schweiz. Und je grösser die Nachfrage nach der Reaktivierung von GAK, desto wahrscheinlicher, dass dies bald hier angeboten werde.
Finanziell lohnt es sich für die Gemeinden des Zweckverbandes dennoch. Im Jahr 2022 konnten alleine die Stromkosten von 200'000 auf 160'000 Franken gesenkt werden. Und weil die ARA Moos nun bereits die Anforderungen erfüllt, muss sie ab diesem Jahr auch keine Abgaben mehr bezahlen, die Betriebe mit alten Anlagen noch entrichten müssen. Auch das waren jährlich rund 200'000 Franken.