In einer Wittenbacher Überbauung dürfen Kinder nicht mehr Fussball spielen. Während sich die Eigentümer zu dieser Massnahme gezwungen sahen, fühlen sich die Mieter brüskiert.
Ramona Riedener
Ein älteres Ehepaar geniesst auf einem Sitzplatz im Obstgartenquartier in Wittenbach den Feierabend. Auf dem Grill brutzelt das Abendessen. Plötzlich ist auf der Wiese zwischen den Wohnblocks Lärm zu hören. Eine Gruppe Buben trägt ein Fussballspiel aus. Kleine Tore sind auf dem Spielfeld aufgestellt. Zwei Mannschaften mit je sechs Spielern kämpfen um den Ball. Ein Vater, der den Schiedsrichter spielt, schreit seinem Sohn Anweisungen zu. Dann fällt ein Tor. Die Siegermannschaft jubelt.
Das war im vergangenen Jahr, als sich die Buben vom Fussballfieber während der Europameisterschaft anstecken liessen und ihren Idolen Ronaldo, Bale und Ibrahimovic nacheiferten. Heute ist das Fussballspielen in der gesamten Obstgartenüberbauung verboten. Eine schriftliche Ankündigung in den vier Wohnblocks und einbetonierte Verbotstafeln weisen darauf hin. Das Verbot hat zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Auf der einen Seite stehen die Eigentümer, die für das Verbot verantwortlich sind, auf der anderen die Mieter, die mit Wut und Empörung reagieren. Ein Leserbrief (Ausgabe vom 4. Juni) und Schlagzeilen im «Blick» sorgten zusätzlich für Zündstoff.
Dabei wollen eigentlich beide Parteien in Ruhe nebeneinander leben. «Wir lieben Kinderlachen. Wir wollen, dass die Kinder im Obstgarten Kinder sein dürfen», lautet der Tenor der Einwohner.
Das Verbot wurde unglücklich kommuniziert und umgesetzt. Das ist der Grund für die Empörung. Ein Teil der Mieter war nicht über die vorangegangenen Vorkommnisse informiert worden und weiss bis heute nicht, weshalb es zum Verbot gekommen ist.
Anders die Wohnungseigentümer; sie sahen sich gezwungen, Massnahmen zu ergreifen, weil es in der Liegenschaft immer wieder zu Beschädigungen und Lärmbelästigungen gekommen war. Ausserdem störten sie sich an Abfall, der liegen gelassen wurde. Und es sei bereits zu Verletzungen gekommen. «Kürzlich wurde ein fünfjähriges Mädchen von einem Ball erwischt. Das bewusstlose Kind musste mit der Ambulanz ins Spital gebracht werden», sagt Yvonne Neff. Sie wohnt als Eigentümerin mit ihrem Mann Alfred seit 1997 im ersten Wohnblock im Obstgarten. «Die schiessen richtig scharf. Das ist einfach zu gefährlich für die kleinen Kinder, die auf dem Spielplatz spielen.»
Man habe immer wieder versucht, mit den Kindern und deren Eltern zu reden. Das habe aber nichts gebracht. Die Eigentümer hätten daher das Verbot als einzig mögliche Massnahme gesehen. «Die sind doch alt genug. Sie können jederzeit aufs Fussballfeld Grünau gehen», sagt Alfred Neff. Er ist entrüstet, weil er nun als Buhmann dastehe. Dabei ist der Pensionär gar nicht unbeliebt bei den Kindern. Er verstehe auch, dass schon mal etwas passieren oder kaputtgehen könne, wenn Kinder spielten. «Ich erwarte jedoch, dass man dann für den Schaden geradesteht. Das machen sie nicht. Es war dann einfach niemand», sagt Neff.
«Schade», finden es die jungen Fussballer, der 9-jährige Lorenzo Podo und die beiden 11-jährigen Flon Thaqi und Adia Morina. Sie sprechen stellvertretend für ihre Gspänli im Alter von neun bis zwölf Jahren. «Wir sind zu alt für die Spielplätze und fanden das Fussballspielen schön. Wir hatten richtige Mannschaften mit 10 bis 20 Kindern. Bei uns durfte jeder mitspielen», erzählen sie. «Wir finden es sehr schade, dass dies nun verboten ist.»
Marco Leuzinger von der Treviso Revisions AG will das Verbot im Namen der drei Verwaltungen nicht in Stein gemeisselt sehen. Man wolle nun abwarten, wie sich die Sache entwickle.