Startseite
Ostschweiz
Die nationalen Wahlen sind Vergangenheit. Was haben die Gewinner- und Verliererparteien des Wahlsonntags für die Regierungswahlen im kommenden Frühling vor? Die SVP plaudert, die CVP schweigt.
Der St. Galler SVP ist die Spitzenkandidatin für die Regierung abhanden gekommen. Esther Friedli, Politologin, Parteisekretärin, Beizerin und Lebensgefährtin von Toni Brunner, ist am Wochenende auf Anhieb in den Nationalrat gewählt worden. Und sie machte am Sonntagabend auch gleich klar: Eine Kandidatur für die Regierung ist damit für sie definitiv vom Tisch – derzeit jedenfalls. Gut möglich, dass ihr Name irgendwann wieder auf der Favoritenliste ihrer Partei steht. Die Situation hat sich damit für die SVP über Nacht grundlegend geändert. «Esther Friedli war klar unsere Kandidatin für die Regierung», sagt Parteipräsident Walter Gartmann. Weiterhin klar ist vorläufig einzig: Die SVP strebt einen zweiten Sitz in der Regierung an.
Die Partei nimmt sich nun Zeit für ihre Regierungskandidatur. Die auf Ende Oktober geplante Nominationsversammlung wurde abgesagt und auf Dezember verschoben. Deutet diese lange Frist auf einen Notstand bei potenziellen Kandidaten hin? Gartmann verneint: «Auf meiner Liste stehen zahlreiche Namen.» Jene der Nationalräte Lukas Reimann, Mike Egger, Roland Rino Büchel? «Sicher.» Fraktionschef Michael Götte? «Gewiss.» Hegt der Parteipräsident selber auch Ambitionen? «Nein, ich bin nicht Kandidat», sagt Gartmann.
Doch ganz so üppig, wie der Parteipräsident zu verstehen gibt, ist die Auswahl nicht. Eine weitere Frau winkt ab – Claudia Martin, seit eineinhalb Jahren Gossauer Stadträtin. «Das Mandat erfüllt mich», erklärt sie auf Anfrage. Die Kombination Stadträtin, Kantonsrätin und Lehrtätigkeit passe für sie. Eine Regierungskandidatur sei für sie momentan kein Thema. Und wie reagiert Fraktionspräsident Götte, der bereits einmal für die Regierung kandidiert hatte? Der Tübacher Gemeindepräsident weicht aus: Bis Sonntagabend habe er «nullkommanull Gedanken» an eine Regierungsratskandidatur verschwendet. Und heute? Es sei alles offen.
Im Gegensatz zur Volkspartei weiss die CVP seit Monaten, dass sie eine Kandidatin oder einen Kandidaten für die Regierung suchen muss. Seit Benedikt Würths Wahl in den Ständerat im Frühling läuft in der Partei die Suche nach einem Ersatz, seit Monaten werden Namen herumgeboten. Auch nach dem Wahlsonntag läuft das CVP-Kandidatenkarussel auf Hochtouren. Bringt die Partei den abgewählten Thomas Ammann für die Regierung ins Spiel? Lässt sich Fraktionschef Andreas Widmer doch noch für eine Kandidatur erweichen? Hat die Wiler Stadtpräsidentin Susanne Hartmann Interesse? Ihr Lichtensteiger Amtskollege Mathias Müller? Oder kommt gar die Werdenberger Kantonsrätin Barbara Dürr, nachdem sie in den Nationalratswahlen das viertbeste Ergebnis der CVP erzielt hat?
Aus der Partei hört man freilich anderes. Als Favoritin gehandelt wird nach wie vor die 42-jährige Kantonsrätin Yvonne Suter aus Rapperswil-Jona. Suter gab sich bis jetzt bedeckt, was ihre Ambitionen angeht. Auch gestern war sie für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Dass sie Interesse an einem Wechsel in die Regierung hat, gilt aber als ausgemacht. Das Gleiche gilt auch für Parteipräsident Patrick Dürr. Auf seine Pläne für die Regierungswahlen angesprochen, antwortet er knapp: «Dazu nehme ich keine Stellung.» Eine Absage tönt anders.
In den nationalen Wahlen hat die CVP mit den Grünliberalen zusammengespannt: Die Strategie ging allerdings nur für die GLP auf – überraschend wurde der Stadtsanktgaller Parlamentarier Thomas Brunner in den Nationalrat gewählt. «Seine Wahl ist unter anderem seiner Fachkompetenz in Umwelt- und Klimafragen zuzuschreiben», sagt Parteipräsidentin Nadine Niederhauser.
Greift die GLP im März 2020 nun auch nach einem Regierungssitz? «Das ist durchaus ein Thema», sagt Niederhauser. Für Namen von möglichen Kandidatinnen oder Kandidaten sei es noch zu früh. «Wir haben uns bislang primär auf den nationalen Wahlkampf konzentriert. Jetzt müssen wir evaluieren, was unser Ergebnis bei den Nationalratswahlen für die Regierungsratswahlen bedeutet.» Die GLP ist bislang nicht mit bekannten Köpfen aufgefallen. Hat die Präsidentin jemanden im Auge? «Wie gesagt, ich kann Ihnen noch keine Namen nennen.»
Und die St. Galler Grünen? Sie sind zurück im Nationalrat – und sie haben deutlich an Parteistärke zugelegt. Erheben sie nun Anspruch auf einen Sitz in der Regierung? «Der Anspruch ist schnell erhoben», sagt Parteipräsident Thomas Schwager. Es müsse dann aber auch die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt parat sein. «Profilierte Leute für die Regierung lassen sich nicht so einfach aus dem Hut zaubern.» Die frisch gewählte Nationalrätin der Grünen, Franziska Ryser, ist 27. Ihr läuft die Regierung nicht davon. Sie wäre selbst in acht Jahren noch eine junge Regierungsratskandidatin. Und Yvonne Gilli? Die Ex-Nationalrätin sagt ohne Umschweife: «Nein, eine Kandidatur für die Regierung ist kein Thema für mich.»
Nebst fehlendem Personal steht den Grünen auch die Partnerschaft mit der SP im Weg. Im Kantonsparlament bilden die beiden eine Fraktionsgemeinschaft. «Die SP ist unsere naheste politische Partnerin», sagt Schwager. «Eine eigene Kandidatur wäre ein Angriff auf sie.» All dies lässt den Schluss zu: Eine eigene Regierungskandidatur steht bei den Grünen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. Schwager sagt denn auch: «Wir fokussieren auf die Kantonsratswahlen. Unser Ziel ist, Fraktionsstärke zu erlangen.» Dafür notwendig sind sieben Sitze, heute haben die Grünen fünf.