In der Ostschweiz brüten in diesen Wochen Hunderte Teenager über den Aufnahmetests für die Kantonsschulen. Ablauf, Anmeldezahlen und Erfolgsquoten unterscheiden sich von Region zu Region. Nehmen Sie an unserem interaktiven Kanti-Aufnahmeprüfungsquiz teil!
Ein flaues Gefühl im Magen, taube Beine, zittrige Knie, feuchte Hände – das dürften diejenigen Schülerinnen und Schüler besonders gut kennen, die gerade vor der Kantonsschulaufnahmeprüfung stehen. Die Thurgauer haben den schriftlichen Teil bereits hinter sich, einigen von ihnen stehen am 20. und 21. März aber noch die mündlichen Prüfungen bevor. In den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und St.Gallen finden beide – die schriftlichen und mündlichen Prüfungen – zwischen dem 13. und 17. März statt. Getestet wird in Deutsch, Mathematik und Französisch. Das Aufnahmeverfahren der Kantonsschulen ist jedoch in allen drei Kantonen ein anderes. In St.Gallen gibt es eine Beurteilung des Oberstufenlehrers, aber nur, wenn ein Schüler knapp nicht besteht. Wer die schriftlichen Prüfungen bereits bestanden hat, muss nicht an die mündlichen. "Das menschliche Ermessen kommt nur in einem schmalen Bereich zum Zug. So bleibt es fair", sagt Stephan Wurster, Rektor der Kantonsschule Sargans.
Auch der Thurgau arbeitet mit Empfehlungen der Seklehrer. Allerdings hat diese eine grössere Bedeutung als im Nachbarkanton. Denn wer die beste Empfehlung A erhält, besteht die Kantonsschulaufnahmeprüfung auch mit einem Schnitt der schriftlichen und mündlichen Prüfung von 3,67. Bei einer B-Empfehlung reicht ein Schnitt von 3,83, um die Aufnahmeprüfung zu bestehen. In Romanshorn, wo auch die zweisprachige Matura angeboten wird, entscheidet die Kantonsschule anhand des Prüfungsergebnisses, welche Schüler sie in den zweisprachigen Unterricht aufnimmt. "Weil die Nachfrage so gestiegen ist, führen wir in der Regel zwei Klassen", sagt der Rektor der Kanti Romanshorn, Stefan Schneider.
In Appenzell Ausserrhoden wird ebenfalls die zweisprachige Matura angeboten. Allerdings müssen die Schüler hier an der Prüfung genügende Noten erreichen, dass sie in den zweisprachigen Unterricht dürfen.
Ansonsten gilt im Ausserrhodischen ein spezielles System bei den Aufnahmeprüfungen. "Die Noten werden in Punkte umgerechnet", sagt Erich Fässler von der Kantonsschule Trogen. Mindestens 38 von möglichen 57 Punkten sind für die Aufnahme an die Kantonsschule notwendig. Die Vornoten aus der Oberstufe ergeben maximal 33 Punkte. An der Aufnahmeprüfung können noch weitere 24 Punkte erreicht werden – 12 in den Sprachen und 12 in Mathematik. Grenzfälle werden unter Berücksichtigung des Arbeits-, Lern- und Sozialverhaltens überprüft.
Ostschweiz hat eine tiefe Maturitätsquote
Bei den meisten Kantonsschulen bleiben die Anmeldezahlen zur Prüfung in etwa konstant. Trogen hat dieses Jahr den Tiefpunkt an Anmeldungen erreicht, glaubt Erich Fässler von der Kantonsschule Trogen. Gerade mal 96 Anmeldungen hat es gegeben. Die Schüler müssen hier für die Aufnahmeprüfung 200 Franken bezahlen. Auch der Thurgau hat mit sinkenden Anmeldezahlen zu kämpfen. Dies hänge wahrscheinlich mit dem Schülerrückgang zusammen, sagt Harry Wolf vom Amt für Mittel- und Hochschulen des Kantons Thurgau. In der Ostschweiz ist die Maturitätsquote jedoch allgemein tief. Im Thurgau lag sie im Jahr 2015 gerade mal bei 13,2 Prozent. "Wir liegen auf dem zweitletzten Platz schweizweit", sagt Wolf.
Ähnlich sieht es bei der Kantonsschule Sargans aus: Obwohl das Einzugsgebiet von Schänis bis Bad Ragaz und im Norden teilweise bis Oberriet reicht, besuchen nur 120 Schüler die Kantonsschule. "Wir haben in unserem Gebiet eine sehr tiefe Maturitätsquote, nur gerade 12 Prozent", sagt Stephan Wurster von der Kanti Sargans. Das sei sowohl unter dem schweizerischen wie auch unter dem kantonalen Durchschnitt. Die Tradition, ins Gymnasium zu gehen, sei hier nicht sehr gross.
Im Gegensatz dazu liegt die Maturitätsquote in der Stadt höher als der kantonale Durchschnitt von 14 Prozent. "Die Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen hat dieses Jahr 383 Anmeldungen zur Prüfung erhalten", sagt Marc König, Rektor der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen. Im Rekordjahr 2007 waren es über 400. Ein Grund für diese Unterschiede zwischen der Stadt St.Gallen und den ländlichen Gebieten wie der Region Sargans und dem Thurgau liege in der Stärke der Berufslehre, vermuten die Rektoren. Nur Appenzell Ausserrhoden erreicht den schweizerischen Durchschnitt von 20 Prozent. Ausserrhoden sei seit je ein bildungsfreundlicher Kanton, begründet Fässler von der Kanti Trogen den Unterschied. Trotzdem würden die Kantonsschulen den Lehrbetrieben nicht die Schüler abjagen.
Schulen haben keine festgelegten Aufnahmequoten
Bei allen Unterschieden bezüglich der Aufnahmeprüfungen, sind sich die Vertreter der Ostschweizer Kantonsschulen einig: Wichtig sei, dass jede Schülerin und jeder Schüler für sich selbst den richtigen Weg findet. Alle Befragten betonen ausserdem, dass es keine vorbestimmte Quote gebe bei den Aufnahmen. In Trogen bestehen etwa 80 Prozent der Schüler, die sich anmelden, die Prüfung. Im Thurgau haben vergangenes Jahr nur knapp 64 Prozent von insgesamt 726 angemeldeten Schülern bestanden. Der Grund sei schwierig zu eruieren, sagt Harry Wolf. Die Ausfallrate während der Maturität sei dafür sehr gering. Und: "Die tiefe Maturitätsquote steht gemäss Untersuchungen eng mit dem Erfolg an einer Hochschule in Zusammenhang."
Wer an eine Kantonsschule will, sollte nebst guten Noten auch noch andere Eigenschaften mitbringen. Dazu zählen die Befragten neben Neugier effizientes und selbstständiges Arbeiten. Denn an der Kanti werde man nicht so eng geführt wie in einer Lehre. Ein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit zur Abstraktion gehörten ebenfalls dazu. Die Anforderungen an die Gymnasiasten sind entsprechend hoch. Über die Aufnahme nur mit einer fachlichen Prüfung zu entscheiden sei dennoch ausreichend, sagen die Rektoren. "Das Gymnasium ist für junge Menschen gedacht, die intellektuell begabt und motiviert sind", sagt etwa Stefan Schneider aus Romanshorn. Und auch Erich Fässler von der Kantonsschule Trogen hält die jetzigen Prüfungsanforderungen für ausreichend: "Wir haben danach noch vier Jahre Zeit, die Schülerinnen und Schüler zu selbstbewussten, zielorientierten und sozialgesinnten Personen zu formen."
Nervosität bringt hohe Konzentration
Um die Aufnahmeprüfung zu bestehen, haben die Rektoren einen ganz einfachen Tipp: sich gut vorbereiten. Dies hält auch Markus Hartmeier vom Schulpsychologischen Dienst St.Gallen für einen Vorteil. Damit könne man einen gewissen Puffer schaffen, der einen beruhige. "Wenn man weiss, dass man gute Vornoten und ausreichend gelernt hat, ist man automatisch sicherer und weniger nervös." Aber: Eine gewisse Portion Nervosität gehöre auch dazu; sie sei sogar notwendig, um die höchste Leistung abzurufen. Hartmeier empfiehlt ausserdem, jeden gut gemeinten Tipp anzunehmen, um sich etwas zu beruhigen. Das flaue Gefühl im Magen, die tauben Beine, die zittrigen Knie und die feuchten Hände gehören zu einer wichtigen Prüfung also dazu.