Mister Kinderfest

Wenn er durch St.Gallen geht, wird Schulamtsleiter Christian Crottogini in diesen Tagen immer wieder angehalten.

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Christian Crottogini ist Schulamtsleiter der Stadt St.Gallen, Kinderfest-Organisator und Bündner. (Bild: Urs Bucher)

Christian Crottogini ist Schulamtsleiter der Stadt St.Gallen, Kinderfest-Organisator und Bündner. (Bild: Urs Bucher)

Mister Kinderfest

Wenn er durch St. Gallen geht, wird Schulamtsleiter Christian Crottogini in diesen Tagen immer wieder angehalten. Die Leute wollen es persönlich von ihm wissen: «Findet das Kinderfest nun statt – oder doch nicht?»

Als Festorganisator entscheidet er darüber, ob das Kinderfest durchgeführt werden kann. Traditionsgemäss ist das nur bei strahlendem Sonnenschein möglich. Noch selten hat Crottogini die Wettervorhersage so genau studiert. Seit Mitte Mai musste er das Fest bereits sechsmal verschieben und neu terminieren. Auch heute wäre ein Festtermin gewesen. Doch das Wetter zeigt sich seit Tagen von der unbeständigen Seite. Die Kinderfestwiese oberhalb der Stadt ist vom Regen gesättigt, sie würde der Belastung durch die 30 000 bis 40 000 Besucherinnen und Besucher nicht standhalten, ist Crottogini überzeugt.

Noch nicht aus der Ruhe gebracht

Das Verschieben des Festtermins kostet Nerven – vor allem bei den Kindern. «Sie sind wie aufgeweckte Rössli», sagt er, «und wollen endlich zeigen, was sie für die Aufführungen auf der Kinderfestwiese eingeübt haben.» Die Lehrerinnen und Lehrer sind ihrerseits bemüht, das Einstudierte warmzuhalten. Crottogini selbst lässt sich dennoch nicht aus der Ruhe bringen. Es bleibe noch Zeit bis zum letztmöglichen Termin am 3. Juli.

Zu seiner Aufgabe als Festminister ist Crottogini wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Der Bündner, der in Andeer aufgewachsen ist, hatte noch nie am Fest teilgenommen – bis er es selbst organisieren musste. Das war vor sieben Jahren. Die damalige Stadträtin Liana Ruckstuhl steckte ihm eine Videokassette zu, die er sich zu Hause «im Selbststudium» zu Gemüte führte. Unterdessen organisiert er das Kinderfest bereits zum drittenmal und spricht mit dem Stolz eines Ur-Sanktgallers davon. Als Organisator müsse er das Fest nicht jedesmal neu erfinden. Es lebe von der Tradition und den Geschichten, die Generationen miteinander teilen. Neu ist für Crottogini allerdings das mehrfache Verschieben des Festtermins. Die letzten beiden Kinderfeste konnten bereits in der ersten Woche durchgeführt werden.

«…falls es dann nicht stattfindet»

Dieses Jahr befindet sich die Stadt im Terminprovisorium. Wer den Terminkalender füllt, tut dies seit Ende Mai nur noch unter der Voraussetzung: «Falls dann nicht das Kinderfest stattfindet.» Auswärtige können darüber nur staunen. Das weiss Crottogini. Doch es sei gerade die Besonderheit des Kinderfests, dass ihm «etwas Anachronistisches» anhaftet.

In einer Zeit, in der alles durchorganisiert wird, orientiere sich eine ganze Stadt am Wetter und an den Kindern. «Das ist schon fast aufmüpfig», findet der Alt-68er. Das Unvorhersehbare und Ungeplante liegt ihm auch persönlich. Seine Karriere habe er nicht andeutungsweise geplant, sagt der 62-Jährige. Er habe sich von dem leiten lassen, was sich gerade ergeben hat. So hat es den studierten Physiker auch zufällig nach St. Gallen verschlagen. Hier baute er in den 80er-Jahren die Stiftung Suchthilfe auf, sass in den 90er-Jahren für die SP im Kantonsrat und leitete zehn Jahre das Jugendheim Platanenhof in Oberuzwil. Seit 2004 steht er dem städtischen Schulamt vor.

Selbstversorger, dann Stadtmensch

Mit seiner Familie führte er lange – fast selbstversorgend – einen «halben Bauernhof». Diesem Lebensstil hat er mittlerweile den Rücken gekehrt und sich zum «militanten Innerstädter» gewandelt, der das kulturelle Angebot schätzt. Der Kinderfestumzug wird praktisch an seiner Haustüre vorbeiführen.

Crottogini hofft so lange auf Wetterbesserung. Der Lohn fürs lange Warten sei für ihn, wenn er dann oben auf der Kinderfestwiese steht und zusieht, wie sie in Beschlag genommen wird: von flanierenden Erwachsenen und spielenden Kindern. «Das ist schon bewegend.» Christina Weder