Das Thurgauer Komitee gegen den Lehrplan 21 sieht die politischen Rechte der Lehrer eingeschränkt. Diese hätten Angst, sich öffentlich gegen den Lehrplan auszusprechen. Offiziell haben sich hierzu aber noch keine Lehrer beschwert.
FRAUENFELD. Kritische Lehrer müssen im Thurgau angeblich zurückbuchstabieren. Einige Lehrpersonen, die sich deutlich gegen den neuen Lehrplan aussprächen, hätten von ihren Schulbehörden einen Maulkorb verpasst bekommen: Das sagt CVP-Kantonsrat Reto Lagler. Der Ermatinger gehört dem Komitee der Lehrplangegner an. Dieses glaubt zu wissen, dass in einzelnen Schulgemeinden auf kritische Lehrer Druck ausgeübt wird, um sie bereits Monate vor dem Abstimmungskampf über die Lehrplan-Volksinitiative mundtot zu machen. Deshalb hätten schon bei der Unterschriftensammlung ihrer Volksinitiative nur die ganz mutigen unter den kritischen Lehrern unterschrieben.
Obwohl gemäss Lagler viele Lehrpersonen dem Lehrplan 21 kritisch gegenüberstehen, getraut sich keiner von ihnen, diese Meinung öffentlich zu äussern – auch aus Angst, die Arbeitsstelle zu verlieren. «Dass das aktuelle Diskussionsklima eine offene Kommunikation der lehrplankritischen aktiven Lehrpersonen nicht zulässt, ist schade», sagt Lagler. Aufgrund ihrer beruflichen Pflicht, den Entscheidungen der Schulbehörden und Anweisungen der Schulleitungen Folge zu leisten, sieht er die politischen Rechte kritischer Lehrer stark eingeschränkt. Die Meinungsfreiheit sei in Gefahr.
Lagler reichte deshalb im Grossen Rat die Einfache Anfrage «Politische Rechte von Lehrpersonen vs. Treuepflicht zum Arbeitgeber» ein. Er wollte erfahren, wo der Regierungsrat bei Lehrpersonen die Trennlinie zwischen privaten Äusserungen und Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber sieht. Der Regierungsrat stellt in seiner Antwort klar, dass Lehrpersonen ihre Meinung «in den dafür vorgesehenen Gefässen» frei äussern können. Im Sinne der Treuepflicht werde aber auch erwartet, dass die von den zuständigen Gremien getroffenen Entscheide von den Lehrpersonen gegen aussen entsprechend mitgetragen und vertreten werden. Allgemein gelte für Staatsangestellte sowieso das Gebot der Zurückhaltung in Bezug auf die Art und Weise der Meinungsäusserung. «Von einem Maulkorb für Lehrer zum Thema Lehrplan 21 habe ich aber bisher nur von Lehrplankritikern gehört», sagt Bildungsdirektorin Monika Knill auf Anfrage. Die Fragestellung, wie sehr sich ein Angestellter gegen den Entscheid seines Arbeitgebers stellen könne, sei aber omnipräsent.
«Den Vorwurf von Lehrern, die finden, ihre freie Meinungsäusserung werde durch Schulleitungen oder Schulpräsidien eingeschränkt, hören wir immer wieder», sagt Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau, der kantonalen Berufsorganisation. So komme es etwa vor, dass ein Lehrer angehalten werde, seine persönliche Meinung zu einem politischen Thema nicht öffentlich zu äussern. Bezüglich des Lehrplans, von dem die Lehrer direkt betroffen sind, sei aber bisher noch keine offizielle Beschwerde zu Bildung Thurgau gelangt, sagt Varenne. Nur hinter vorgehaltener Hand geäusserte Vorwürfe seien bislang bis zu ihr vorgedrungen, sagt die Befürworterin des neuen Lehrplans. Die freie Meinungsäusserung von Lehrern hält sie hoch: «Auch Lehrpersonen sind Stimmbürger. Sie müssen ihre politischen Rechte ohne berufliche Konsequenzen ausüben können und ihre private Haltung öffentlich kundtun dürfen.» An der nächsten Sitzung der Geschäftsleitung von Bildung Thurgau will Varenne das Thema traktandieren. Konkrete Fälle könnten jederzeit an Bildung Thurgau gemeldet werden. Wenn aber durch das Volk ein Entscheid gefällt worden sei, müsse dieser selbstverständlich von allen Lehrern gleich umgesetzt werden.