Er hat keine Mühe, auch mal die eigenen Leute in den Senkel zu stellen und Direktiven auszugeben. Der neue St. Galler SVP-Präsident Walter Gartmann über Dominanz in der Politik, verschlafene Wahlen und Toni Brunner.
Herr Gartmann, haben Sie sich bei Toni Brunner schon bedankt? Sein Votum an der Delegiertenversammlung dürfte Ihnen zur Wahl verholfen haben.
Walter Gartmann: Selbstverständlich. Man bedankt sich bei jenen, die einen unterstützen.
Sie haben ein enges Verhältnis zu Brunner.
Gartmann: Ja. Ich bin wegen ihm überhaupt in der SVP gelandet. Wir waren zusammen im Militär, er kam 1997 in die gleiche Kompanie. Er war gerade frisch im Nationalrat. Am Anfang verstanden wir uns aber gar nicht so gut.
Brunner hat immer noch das Sagen in der Kantonalpartei. Wenn er findet, es brauche drei Bauern auf der Nationalratsliste, dann gibt es drei Bauern. Wenn er sagt, Gartmann müsse Präsident werden, dann wird Gartmann Präsident.
Gartmann: Das stimmt so nicht. Ich hatte schon nach dem ersten Wahlgang einen grossen Vorsprung. Dann ist Lukas Reimann aufgestanden und hat für den Mitbewerber Bruno Dudli gesprochen. Erst dann kam Toni Brunner.
Trotzdem: Er ist nach wie vor der einflussreichste Politiker in der Kantonalpartei.
Gartmann: Selbstverständlich kann er Mehrheiten bilden. Toni Brunner ist ein Naturtalent. Ich lege Wert darauf, dass der Vorstand mit dem Präsidenten an der Spitze die Partei führt. Wer mich kennt, weiss: Ich kann hinstehen und mich durchsetzen. Ich fordere, ich gebe aber auch gern etwas zurück. Fairness ist mir wichtig.
Was noch?
Gartmann: Die Wahrheit. Man muss zwar auch mal aufs Maul sitzen können. Aber Lügen gehört sich nicht.
Worauf spielen Sie an?
Gartmann: Wenn im Parteivorstand oder einem anderen Gremium vereinbart wird, dass man die Namen der Kandidaten für das Präsidium vorgängig nicht bekannt gibt, dann hält man sich daran und steckt sie nicht den Medien.
Sie wollen härter durchgreifen?
Gartmann: Ich finde es nicht gut, wenn ein Parteivorstand Vorgehen und Positionen vereinbart und diese dann ohne weiteres durch die Versammlung umgekehrt werden können. Es ist zwar richtig und wichtig, dass die Versammlungsteilnehmer mitreden und mitbestimmen. Wer gute Vorschläge hat, soll diese einbringen. Aber eine Strategie sollte immer vorher durch die Leitung festgelegt werden.
Mit Ihrem hemdsärmeligen Auftreten kommen Sie in der Partei an.
Gartmann: Mit dem Begriff hemdsärmelig kann ich gut leben. Ich bin ein bodenständiger Typ, der aus einer bodenständigen Region kommt. Im Sarganserland kämpfen wir mit dem Föhn und mit dem Neid. In unserer Region muss man sich immer zuerst beweisen, damit einem die Leute glauben. Ich habe gelernt, mich zu wehren.
Deshalb nimmt man Sie auch als Haudegen wahr.
Gartmann: Man darf nicht zu dominant werden, das ist nicht gut. Aber wenn man auch dann die Wahrheit sagt, wenn es nicht zum eigenen Vorteil ist, dann ist man glaubwürdig.
Sie sind das Kontrastprogramm zu Fraktionspräsident Michael Götte.
Gartmann: Inwiefern?
Götte ist einer, der Mehrheiten sucht. Sie ziehen ihre Linie durch, schauen weder nach rechts noch nach links.
Gartmann: Klar gibt es Unterschiede zwischen Michael Götte und mir. Ich bin zum Beispiel nicht Gemeindepräsident. Und ich habe keine Ambitionen, was die Mitarbeit in der Regierung angeht. Und ich bin gegen die Expo.
Das meinen wir nicht...
Gartmann: Ich weiss, was Sie meinen. Es heisst, ich sei ein Polterer. Das bin ich nicht. Ich weiss, dieser Ruf eilt mir voraus. Doch: Auch ich bemühe mich um Mehrheiten, wenn es diese braucht. Ohne Mehrheiten kommt man in der Politik nicht weiter. Ich bin allerdings stark zielfokussiert.
Was meinen Sie damit?
Gartmann: Es spielt mir keine Rolle, mit wem ich das Ziel erreiche, Hauptsache, ich erreiche es. Ich muss nicht immer alle überzeugen und es allen recht machen. Das kommt nicht immer gut. Und manchmal verletze ich so jemanden. Andererseits schätzen die Leute meine fadengerade und ehrliche Art.
Also keine Berührungsängste mit dem politischen Gegner.
Gartmann: Ach was. Wenn es um Mehrheiten geht, kann ich mit allen zusammenarbeiten. Das habe ich zum Beispiel beim Kloster Mels bewiesen. Der Beitrag aus dem Lotteriefonds für die Renovation wurde zweimal abgelehnt. Ich habe den Gesuchstellern dann geschrieben, dass es eventuell auch Gläubige in anderen Parteien gebe, die am Sonntag in die Kirche gehen. Sie sollen doch bitte auch diese Politiker angehen. Zuerst hat das Aufruhr gegeben. Aber wir haben es daraufhin im Sarganserland hinbekommen, dass alle Parteien am gleichen Strick zogen und die Vorlage im Parlament eine Mehrheit fand.
Das Parteipräsidium ist auch eine Plattform. Wenn nicht in die Regierung, wo wollen Sie dann hin?
Gartmann: Wegen des Lohns muss man den Job des Präsidenten jedenfalls nicht machen. Es stimmt schon, das Präsidium ist eine Plattform. Aber ich stehe auch gern vor Leute hin, es fällt mir leicht. Ich habe das Ziel, einen zweiten Regierungssitz zu holen – mit der richtigen Person.
Mit Esther Friedli?
Gartmann: Das werden wir sehen. Sie hat ein grossartiges Ergebnis erzielt. Dass sie Partnerin von Toni Brunner ist, hat ihr nicht nur Vorteile gebracht. Sie hatte dadurch zwar viel Medienpräsenz, aber eben auch Nachteile.
Welche?
Gartmann: Viele Gegner haben es laufend thematisiert, warum Toni Brunner jetzt noch seine Lebenspartnerin ins Spiel bringen muss. Zudem hat auch Toni Brunner nicht nur Freunde.
Welche Lehren hat die Partei aus Friedlis Niederlage gezogen?
Gartmann: Man kann nicht vier Jahre schlafen und dann zwei Monate Wahlkampf betreiben. Wir müssen unsere Leute früher aufbauen.
Herbert Huser war aber bekannt. War seine Kandidatur von Anfang an ein Fehler?
Gartmann: Aus meiner Sicht nicht. Herbert Huser wurde leider von seinen eigenen Leuten nicht gewählt. Er hat in seiner Region – nebst der Stadt – am wenigsten Stimmen gemacht. Was auch gesagt sein muss: Huser hat Ordnung in die Partei gebracht und sie sehr gut geführt. Zuvor war die St. Galler SVP manchmal ein führerloses Schiff.
Unter Husers Vorgänger Thomas Zünd?
Gartmann: Nein, Thomas Zünd hat das Steuer wieder in die Hand genommen und auf einen Kurs gebracht. Vor allem die Zeit nach Toni Brunner bis zu Thomas Zünd habe ich in schlechter Erinnerung. Die Partei ist damals schnell gewachsen. Das war nicht immer einfach. Jetzt konnten wir konsolidieren.
Probleme hat die SVP aber noch immer: In den Städten kommt die Partei auf keinen grünen Zweig.
Gartmann: Wir wollen dort auf jeden Fall Fortschritte machen. Es gibt auch in den Städten Leute, die mit der Asylpolitik unzufrieden sind, die gegen höhere Steuern sind, die es nicht gern sehen, wenn der Stadtpark voll ist mit Leuten, die herumlungern und nicht arbeiten. Wir werden nie alle gewinnen können. Es gibt Leute, die werden uns nie wählen.
Die Partei leidet auch immer wieder unter einzelnen Exponenten, die sich zum Beispiel mit rassistischen Äusserungen in den sozialen Netzwerken äussern.
Gartmann: Rassismus ist ein No-Go. Das gibt es bei mir nicht. Dazu werde ich einen Kodex verfassen. Die Leute müssen wissen, was sich gehört. Grundsätzlich haben wir in der Partei kein Problem mit Rassismus, das sind Einzelfälle, wie es sie in jeder Partei gibt. Wenn sich jemand künftig wieder unvorsichtig äussern sollte, werde ich ziemlich rasch intervenieren.