Die Essiggurke ist in der Schweiz beliebt. Die einheimischen Gurken machen aber nur einen Bruchteil aus. Die IG Essiggurken Schweiz will nun die Produktion massiv erhöhen. Im Visier hat sie die Thurgauer Landwirte.
Christof Lampart
Es fehlt in der Schweiz an einheimischen Essiggurken. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach dem wahlweise «würzig» oder «süss-sauer» verarbeiteten grünen Kürbisgewächs. Ein Blick auf die Erntezahlen der vergangenen Jahre und auf die Prognose der Interessengemeinschaft Essiggurken Schweiz bestätigt dies. Konnten im Rekordjahr 2015 noch 310 Tonnen Cornichons (3 bis 6 Zentimeter Grösse) und Gurken (6 bis 9 Zentimeter) geerntet und in Gläsern verarbeitet werden, so waren es 2016 noch 250 Tonnen. Im Thurgau fiel die Ernte 2016 gut aus, aber nicht im zweiten grossen Schweizer Gurkenanbaugebiet, dem Chablais (VS, VD). Der einzige grosse Schweizer Essiggurkenhersteller, Hugo Reitzel aus Aigle, suchte deshalb im Oktober 2016 per Aufruf neue Cornichonproduzenten. Dies nicht zuletzt aus Eigeninteresse: Hugo Reitzel hat sich vor Jahren gegenüber den Schweizer Bauern verpflichtet, deren gesamte Gurkenernte abzunehmen. Und nun, da der Verkauf der Essiggurken massiv angezogen hat, will man den Boom auf keinen Fall verschlafen.
Das ist ganz im Sinn des Kesswiler Landwirts Ferdinand Vogel, Präsident der IG Essiggurken Schweiz. Zusammen mit Reitzel Suisse lud die IG Anfang März zum «Infonachmittag Essiggurken Schweiz» in den Weinfelder «Trauben» ein. Ziel der Veranstaltung: Nicht nur den Konsumenten sollen die Schweizer Essiggurken schmackhaft gemacht werden, sondern auch den Bauern. Rund 25 kamen – und einige zeigten durchaus Interesse. «Gegenwärtig haben wir in der Ostschweiz fünf Essiggurkenproduzenten und bald werden es wohl acht sein», sagt Vogel. Dabei würde der Markt problemlos mehr verkraften. «Wir wollen in den nächsten Jahren in der Schweiz 500 bis 1000 Tonnen einheimische Essiggurken verkaufen.» Das klingt ambitiös – allerdings machen die 300 Tonnen einheimische Essiggurken nur gerade einen Anteil von vier Prozent am Schweizer Markt aus. Der grösste Teil muss also auch nach einer allfälligen Produktionssteigerung aus dem Ausland importiert werden.
Im Kampf mit der internationalen Konkurrenz fallen vor allem die Lohnkosten ins Gewicht. Ausländische Produzenten, die in der Türkei oder in Indien anpflanzen, zahlen nur einen Bruchteil dessen, was ein Schweizer Landwirt seinen Angestellten zahlen muss. Kommt hinzu, dass aufgrund des Klimas bis zu dreimal jährlich geerntet werden kann. Gurken-IG-Präsident Vogel blickt dennoch optimistisch in die Zukunft. Grund ist nicht nur der Heisshunger der Schweizer auf Essiggurken: Deutschland führt ab 2018 den gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen ein. Dieser dürfte manch einen Gurkenpflanzer schmerzen, der heute noch billige Pflückerinnen aus Polen, Weissrussland oder Rumänien beschäftigt. «Wir zahlen schon seit Jahren gute Löhne. Das Niveau wird sich ein wenig zu unseren Gunsten angleichen», sagt Vogel. Das schlagkräftigste Argument für die einheimische Essiggurke ist laut Vogel allerdings ein qualitatives: «Wir Thurgauer haben ganz klar die knackigsten Gurken.» Vogel zeigt sich überzeugt: Der Trend wird sich in den kommenden Jahren zu Gunsten der Schweizer Produzenten entwickeln – Gurke für Gurke.