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Sommerserie Rund ums Huhn: Reinhold Zepf kämpft als Präsident des Thurgauer Tierschutzverbandes gegen die Massentierhaltung.
Ist es ethisch vertretbar, Pouletfleisch zu essen?
Reinhold Zepf: Nein.
Warum nicht?
Ich als Tierschützer bin grundsätzlich gegen das Töten von Tieren. Aber als Mensch muss ich akzeptieren, dass zum Fleischkonsum das Töten von Tieren dazu gehört. Wenn man also Fleisch isst, dann ist wichtig, wie die Tiere gehalten und getötet wurden. Denn die Massentierhaltung und das Töten ohne Betäubung ist aus tierschützerischer Sicht nicht vertretbar.
Essen Sie selbst Fleisch?
Ja, allerdings nur sehr wenig und gar kein Pouletfleisch, da im Ausland die Masthühner mit Wachstumshormonen innerhalb kürzester Zeit auf ein hohes Gewicht gemästet werden. Beim Fleischkonsum gilt generell: weniger ist hier mehr. Dennoch will ich in der Realität bleiben und für mich gehört da Fleisch in gewissem Masse dazu.
Wie sieht es mit der Haltung von Hühner aus. Ist sie ausreichend?
Die gesetzlichen Vorgaben sind das Mindestmass aus meiner Sicht. Es ist besser, wenn man sich gerade beim Fleischkauf darauf achtet, Labels zu bevorzugen, die eine tierfreundliche Haltung verspricht.
Was müsste denn verbessert werden?
Für mich ist die Freilaufhaltung sehr wichtig. Schattenplätze und Stangen zum Draufsitzen benötigen die Tiere ebenfalls. Dann, wie angesprochen, das Futter, welches hochwertig und ohne Hormone sein sollte. Das schlimmste ist allerdings die Massenhaltung. Der Bauer hat so gar keine Beziehung zu seinen Tieren, das sollte nicht sein.
Gedenken Sie konkret etwas gegen die Massentierhaltung zu tun?
Manchmal studiere ich darüber nach, eine Volksinitiative dagegen zu lancieren. Das braucht aber Zeit und Geld. Aber ich denke, so eine Initiative hätte gute Chancen, denn die Menschen sind viel sensibler als noch früher was das Thema Tierhaltung anbelangt. Und eigentlich sollten wir gar keinen Tierschutz benötigen.
Weshalb nicht?
Ich finde, der Halter, in diesem Fall der Bauer, ist in der Pflicht, seinen Tieren eine tierfreundliche Haltung anzubieten. Ich halte es für verfehlt, den Bauern Subventionen dafür zu geben, wenn sie ihre Tiere besonders tierfreundlich halten. Eigentlich ist es die Pflicht jedes Halters, die Tiere würdig zu behandeln. Es nur zu tun, weil man Geld dafür erhält, ist die falsche Richtung. Auch dagegen könnte man eine Initiative starten.
Sie scheinen viele Mängel auszumachen. Ein weiteres schwieriges Kapitel ist das Töten männlicher Küken. Haben Sie dafür auch einen Lösungsvorschlag?
Man könnte die Männchen kastrieren und ebenfalls mästen. In Frankreich ist das eine Delikatesse. Das Töten sollte der letzte Ausweg sein.
Sollte man also auch keine Eier essen?
Ich esse Eier. Aber auch hier gilt: Wissen woher die Eier kommen und am besten selbst beim Bauern abholen, dann weiss man, wie die Tiere gehalten werden. Solches Verhalten führt schliesslich dazu, dass gesetzliche Vorschriften erhöht und eingehalten werden. Die Kontrolle dieser Einhaltung ist jedoch das eigentliche Problem.
Inwiefern?
Landwirte müssen über vieles ein Protokoll führen, doch wer kontrolliert, ob das, was in den Protokollen steht auch wirklich so umgesetzt wird? Manchmal erhalte ich Anrufe von Nachbarn, die vermuten, dass die Richtlinien nicht eingehalten werden. Damit muss man vorsichtig umgehen, denn jemanden ein Unrecht zu tun, ist schlimm. Wenn ich aber erkenne, dass Verstösse gegen das Tierschutzgesetz vorliegen, dann handle ich sofort. Auch gegen die Behörden.
Was raten sie Menschen, die trotz allem gerne Pouletfleisch essen?
Überlegt euch, ob es wirklich notwendig ist. Es muss nicht immer Fleisch auf dem Teller sein. Auch aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen kann es sinnvoll sein, weniger Fleisch zu essen. Und wenn, dann besser ein gutes Stück Fleisch, statt eines aus Massentierhaltung.
Der Thurgau ist aufgrund der Frifag in Märwil eine Pouletmast-Hochburg. Alle Ställe für Mastpoulet nach besonders tierfreundlicher Stallhaltung gebaut und bieten den Tieren einen geschützten Aussenbereich. Das sei auch ein klarer Vorteil gegenüber dem Ausland, das Tierwohl stehe hier im Fokus, sagt Christian Eggenberger, Leiter Beratung am BBZ Arenenberg. Gerade die Pouletmast sei eine Leistungszucht, die Hühner in nur 42 Tagen schlachtreif, doch Wachstumshormone im Futter seien in der Schweiz längst verboten. Das Töten männlicher Küken bei den Legehennen sei ein Problem, doch man sei bestrebt, dieses zu lösen. Etwa mit der Geschlechtsbestimmung bereits im befruchteten Ei bevor dieses ausgebrütet wird. Eggenberger rät Konsumenten Pouletfleisch und Eier aus regionaler Produktion zu wählen und «Fleisch im Mass zu geniessen». (sba)