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Ostschweiz
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Der Märstetter Autor hat ein Buch verfasst mit dem Titel «Vom Berner Haus ins Thurgauer Haus». Er erzählt darin die Geschichte Dutzender Familien, die im vergangenen Jahrhundert aus den Berner Bergen in den Thurgau auswanderten.
Dem bäuerlichen Erbrecht im Kanton Bern verdankt der Kanton Thurgau die vielen Bauernfamilien, welche im 20. Jahrhundert aus den Voralpen nach Mostindien zogen. Namensschilder an den Briefkästen wie Schürch, Habegger oder Flückiger zeugen noch heute von dieser Flucht ins Flachland. «Es erbte in Bern immer der jüngste Sohn einer Bauernfamilie den Hof. Das bedeutete, dass die Älteren sich als Knechte verdingen mussten, was natürlich vielen nicht passte», sagt Robert Neuhaus aus Hugelshofen. Seinen Vater ereilte genau ein solches Schicksal, weshalb er im Jahr 1950 in den Thurgau zog.
«Im selben Jahr haben meine Eltern geheiratet, die Hochzeitsreise war dann sozusagen der Umzug in den Thurgau.»
Vergangenes Jahr anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums der Umsiedelung seiner Eltern reiste Robert Neuhaus mit seinem alten Bührer-Traktor nach Teuffenthal, deren alte Heimat. Werner Lenzin berichtete darüber und daraus entwickelte Neuhaus die Idee zum Buch. Fasziniert von dieser Familiengeschichte machte sich der Autor an die Recherche, wie viele andere Thurgauer Familien denn heute noch das gleiche Schicksal ereilte.
Ein Jahr lang hat Werner Lenzin nun diverse Bern-stämmige Familien im Thurgau besucht und Interviews geführt. Im Buch schreibt er über 18 Familien, drei Käser-Familien und drei Berner Vereine im Thurgau sowie Anlässe, welche die Exilberner im Thurgau veranstaltet haben. «Die Recherchearbeit war sehr intensiv, spannend aber aufwendig. Ich habe alle Leute besucht, darunter über 90-jährige Witwen und unzählige Bilder zusammengetragen», sagt Lenzin.
«Wir haben dann versucht, das Puzzle zusammenzusetzen.»
Der Autor hat dank der Gespräche auch von weiteren Gründen nebst dem bäuerlichen Erbrecht erfahren, weshalb Berner in den Thurgau kamen. «In Bernischen hatten viele Leute sehr steile, kleine Ländereien, im Thurgau lockten weite Flächen. Andere sind zuerst in die Innerschweiz gezogen, fanden dann aber nur katholische Mädchen für ihre Buben – und sind deshalb weiter in den protestantisch geprägten Thurgau gezogen.»
Auch einen vierten, weniger erfreulichen Grund gab es. «In der Seerückengegend gab es Gemeinden, wo Thurgauer Bauern dem Alkohol verfallen waren und deshalb ihren Hof nicht mehr führen konnten. Deren Höfe konnten die Berner dann kaufen – und das hat sich rumgesprochen», erzählt Lenzin.
Die Berner Zuwanderer hätten sich schon unter die Thurgauer gemischt. «Die Käser unter ihnen haben den Thurgauern auch aufgezeigt, wie sie richtigen Emmentaler Käse machen sollen», sagt Werner Lenzin. Trotzdem wollten sich die Berner ein Stück Heimatgefühl erhalten. «Sie gründeten Berner Vereine, Jodlerclubs oder Bernerchörli», sagt Robert Neuhaus. «Auch meine Eltern hatten sehr intensiv ihre Verwandtschaft und Freundschaften gepflegt. Unter den Bernern kannten sich fast alle.»
Spannend seien auch die Anlässe der Berner gewesen wie der Bernertag im November. «Zuerst gingen alle in die Chrischona in den Gottesdienst und nachher in den ‹Blumenstein› in Frauenfeld einkehren. Da hat man dann ‹dörflet›, also berichtet und geschwatzt.»
Heute sei von den einstigen Berner Verbindungen nicht mehr viel geblieben, bilanziert Werner Lenzin. «Viele Vereine haben sich aufgelöst oder sind auseinandergefallen. Es zeigt, dass das Interesse der dritten Generation an ihrer ursprünglichen Heimat nicht mehr so gross ist, sie sind jetzt einfach Thurgauer.»
Das fertige quadratische Buch mit vielen Bildern über die Berner im Thurgau halten Autor Werner Lenzin und Herausgeber Robert Neuhaus noch nicht in den Händen. «Es ist fertig gelayoutet und muss nur noch gedruckt werden. Wir drucken es in der Schweiz», sagt Neuhaus. Er hofft, das Buch noch vor Weihnachten in den Handel bringen zu können. Um den Preis des Buches tief halten zu können, hat Neuhaus auch Sponsoren angeschrieben wie den Bauernverband, die Landeskirche und Private. Über welche Kanäle das Buch verkauft werden soll, ist noch offen.