Kreuzlingen
Vom Velohelm bis zum Abendkleid: Die Kleiderbörse deckt ein Bedürfnis ab und für das Open Place springt erst noch etwas dabei raus

Zwischen einem und zehn Franken kosten hier die meisten der Anziehsachen. Ein Jahr nach der Eröffnung sind die Verantwortlichen glücklich über den Erfolg des Angebots.

Inka Grabowsky
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Silvia Napo und Hedi Fessler freuen sich, mit ihrer Arbeit in der Kleiderbörse Menschen zu helfen und Begegnungen zu ermöglichen.

Silvia Napo und Hedi Fessler freuen sich, mit ihrer Arbeit in der Kleiderbörse Menschen zu helfen und Begegnungen zu ermöglichen.

Bild: Ralph Ribi

Velohelme, ein Abendkleid, Winterjacken, Babystrampler und unzählige Pullover und Hosen in allen Grössen und Farben: Das Sortiment in der Kleiderbörse im Open Place in Kurzrickenbach ist riesig. Verkauft werden die Waren für bescheidene Summen von einem bis zehn Franken. Wer wirklich in Not ist, bekommt auch etwas gratis.

«Wir können grosszügig sein, weil die Bevölkerung mit uns grosszügig ist.»

Das sagt Silvia Napo, die Koordinatorin der Freiwilligenarbeit im Open Place. Hedi Fessler, die in ihrer Freizeit in der Börse arbeitet, ergänzt:

«Wir wollen kein Geld verdienen,
sondern helfen.»

Dennoch kann die Organisation unter dem Dach der evangelischen Kirchgemeinde eine stolze Bilanz vorweisen: Von Dezember 2020 bis Ende November sind allein aus dem Verkauf der gespendeten Kleider 12’700 Franken zusammengekommen, die nun dazu beitragen, die integrative und soziale Arbeit des Open Place zu finanzieren. Hinzu kommen noch rund 3300 Franken Erlös aus zwei Flohmärkten.

Auch Sachen, die nicht zum Anziehen sind, finden sich in der Bleichehalle.

Auch Sachen, die nicht zum Anziehen sind, finden sich in der Bleichehalle.

Bild: Ralph Ribi

Altkleider im Gemeinderaum

Entstanden sei die Kleiderbörse durch Nachfragen von Spendern der Verwertbar, erzählt Pfarrer Damian Brot.

Damian BrotPfarrer in Kurzrickenbach

Damian Brot
Pfarrer in Kurzrickenbach

Bild: Michel Canonica
«Menschen, die uns Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt haben, wollten wissen, ob wir auch Kleider brauchen können.»

Es kam schnell viel Kleidung zusammen, die alle 14 Tage im Rahmen eines mobilen Stands über die Verwertbar an Bedürftige weitergegeben wurde. «Wir haben jeweils drei Stunden aufgebaut, dann verkauft und schliesslich drei Stunden wieder alles abgebaut und in Bananenschachteln sortiert», erinnert sich Silvia Napo. Immer mehr Leute kamen, doch der Lagerplatz war beschränkt. Deshalb waren die Kleiderbörsen-Organisatoren froh, als ihnen die Kirchgemeinde vor einem Jahr den Raum im Tiefparterre des Hauses Zur Bleiche als permanenten Laden zur Verfügung stellte. Hier wartet nun dienstags und freitags Vormittag sowie jeden zweiten Mittwochnachmittag Kinder-, Damen- und Herrenbekleidung auf Abnehmer.

Auch Schuhe finden in der Kleiderbörse neue Besitzer.

Auch Schuhe finden in der Kleiderbörse neue Besitzer.

Bild: Ralph Ribi

Zu den Stammkunden gehört Elvira Zuppinger. Sie betreut ehrenamtlich neun Geflüchtete für Agathu, der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau. «Wenn jemand ankommt, dann fehlen oft die einfachsten Dinge – lange Hosen oder Socken. Und die Mütter brauchen immer wieder Kleider für ihre Kinder. Hier bekommen sie die Sachen fast gratis.»

Das Angebot nutzen Randständige, kinderreiche Familien, Migranten, junge Menschen mit wenig Geld und auch Ältere, die nicht Kleider, sondern Gesellschaft suchen. «Ich treffe hier Menschen, die sich sonst oft verstecken», sagt Elvira Zuppinger.

Hilfe zur Selbsthilfe

Kris Tarchini kennt sowohl die Verkäufer- als auch die Käuferseite. Sie ist zunächst als Kundin mit dem Open Place im Kontakt gekommen. «Ich hatte nach einem Burn-out sehr wenig Geld und kam wegen der Lebensmittel in die Verwertbar. Auch die Kleiderbörse hat mir geholfen. Inzwischen geht es mir wieder besser. Und wenn ich etwas empfange, dann will ich auch zurückgeben.» Deshalb gehört sie nun zum fünfköpfigen Helferteam. Pfarrer Damian Brot betont: «Die Kleiderbörse ist sehr partizipativ. Man kann mitarbeiten. Sie unterstützt aber vor allem Menschen in Not, und wie wir im vergangenen Jahr gesehen haben, bringt sie gleichzeitig dem Open Place etwas Geld ein.»

Unterstützung ist willkommen

An Kleiderspenden mangelt es dem Open Place nicht. Trotzdem nimmt das Team gerne weiter saubere und brauchbare Waren und auch Schuhe entgegen. Für die Infrastruktur sind die Organisatoren auf Geldspenden angewiesen. Die Kleiderbörse ist am 24. Dezember zwischen 9 und 11.30 Uhr geöffnet. Das Café im Open Place bietet zusätzlich am 1. Weihnachtstag zwischen 9 und 11.30 Uhr Raum für Begegnungen. (ig)

Hedi Fessler hängt einen Pulli auf.

Hedi Fessler hängt einen Pulli auf.

Bild: Ralph Ribi