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Die Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau, kurz Agathu, versucht derzeit ukrainischen Flüchtlingen die Ankunft in Kreuzlingen zu erleichtern. Das ist nicht einfach. Denn es gibt Engpässe bei den Helfenden. Ein Augenschein vor Ort zeigt, was nötig wäre und was bereits angeboten wird.
Dienstagnachmittag im Café Agathu: 16 Frauen, einige Kinder und zwei Männer haben sich versammelt, um sich erklären zu lassen, was sie tun müssen, um als Ukrainer in der Schweiz leben zu können. Was tun im medizinischen Notfall? Wie kann man arbeiten? Wo kann man günstig Lebensmittel oder Kleider bekommen?
Die Anzahl der Fragen ist gross, und Iris Lagrange wie auch Reiner Bodmer antworten nach bestem Wissen. «Wir sind jetzt in der Pilotphase, in der wir ständig dazulernen», sagt Bodmer. Er geht davon aus, dass in der nächsten Zeit noch sehr viel mehr Ukrainer zu betreuen sein werden und er das Wissen, das sich jetzt sammelt, gut wird brauchen können.
Agathu, die Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau, hat als Anlaufstelle für Geflüchtete über 25 Jahre Erfahrung. Trotzdem stehen die Helfenden im Augenblick wieder ganz am Anfang. «Noch ist viel im Fluss», sagt Reiner Bodmer. «Die Behörden müssen zunächst selbst beschliessen, welche Instanz wofür zuständig ist und welche Regeln gelten sollen. Insofern können wir den ratsuchenden Menschen nicht immer gleich die endgültige Antwort geben.»
Einiges immerhin ist klar: Wer sich für den «Schutzstatus S» registriert, muss nicht länger als Tourist mit dreimonatigem Aufenthaltsrecht leben, sondern kann eine Arbeit aufnehmen oder Sozialhilfen und eine Krankenversicherung bekommen. «Das lohnt sich für alle, die länger hier in der Schweiz bleiben wollen», erklärt Iris Lagrange auf Deutsch. Eine Ukrainerin, die schon lange in der Schweiz lebt, übersetzt. «Wer jetzt schon privat untergekommen ist und dort bleiben will, kann das auf der Anmeldung vermerken. Alle anderen werden nach der Registrierung vom Kanton betreut und weitergeleitet.»
Agathu hat die bestehenden Angebote für Geflüchtete aus aller Welt für die derzeit rund hundert Ukrainerinnen und Ukrainer im Raum Kreuzlingen etwas ausgeweitet. Neben dem speziellen Ukraine-Treff am Dienstag gibt es neu auch einen am Samstagvormittag, bei dem neu angekommene Kriegsflüchtlinge nach Möglichkeit auf Menschen aus ihrer Heimat treffen sollen, die schon länger hier leben und arbeiten.
«Es wäre schön, wenn sich noch jemand meldet, der seine eigenen Erfahrungen mit dem Einleben in der Schweiz auf Russisch oder Ukrainisch teilen mag», sagt Reiner Bodmer. Ausserdem dringend gesucht sind Gastgeber oder Vermieter, die Geflüchtete aufnehmen können. Derzeit sind viele der Teilnehmenden des Ukraine-Treffs auf dem Campingplatz in Kurzrickenbach in den Touristenunterkünften untergebracht, aber das ist naturgemäss keine Dauerlösung.
«Wenn jemand Platz hat, erklären wir natürlich die Regeln und stellen einen Kontakt her, sodass wir passende Mieter oder Mitbewohner vermitteln könnten.»
Niemand weiss, wie lange die Geflüchteten in der Schweiz bleiben müssen. Für die Bewältigung des Alltags ist es jedoch für alle sinnvoll, Deutsch zu lernen. Die Lernwerkstatt und die zwei, demnächst wohl drei Sprachcafés von Agathu könnten dementsprechend Verstärkung vertragen – auch bei der Kinderbetreuung, damit sich die Mütter auf den Spracherwerb konzentrieren können oder dem kreativen Gestalten. «Besonders bei der Besetzung des Samstagnachmittags haben wir noch Engpässe», sagt Karl Kohli, Präsident von Agathu.
Sobald man sich verständigen kann, dürfte es Arbeitsmöglichkeiten geben. «Wir haben hier sehr viele Berufsgruppen», erklärt Katya Voropay, die mit ihrer Tante und den rund 90 Jahre alten Grosseltern vor drei Wochen bei Familie Bodmer und Familie Wepfer untergekommen ist. Sie selbst sei Journalistin, im Netzwerk der ukrainischen Community gäbe es aber auch eine Ärztin, Physiotherapeutin, Coiffeurin, Übersetzerin, Lehrer, Handwerker oder eine Bürokauffrau. Katya sagt, sie fühle sich schuldig, weil sie nun in der Schweiz ein sicheres Bett habe, während in der Ukraine ihre Freunde kämpften oder die notleidende Bevölkerung unterstützten. «Also tue ich wenigstens hier alles, um bei der Organisation vor Ort zu helfen.»
Wer sich auf die eine oder andere Art für Geflüchtete engagieren kann, möge sich melden bei gabi.muehlboeck@agathu.ch, 071 670 10 36, www.agathu.ch.