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Josef Grob lud Freunde der Familie und Studienkollegen zu einem gemütlichen Beisammensein ein. Mit dabei war auch Jack Streule aus Venezuela.
Beim ehemaligen Gasthaus Rothenbrücke in St. Pelagiberg zweigt von Lömmenschwil her kommend rechts ein Strässchen ab Richtung Lemisau. Dorthin weist auch der Wegweiser; «Süssmais zum Selberpflücken».
Unten in der Ebene ist das Maisfeld. Jetzt sind die Kolben im richtigen – noch milchigen – Stadium zum Ernten. Nach dem Erfolg der letzten Jahre beschloss Josef Grob, die Erntezeit zu verlängern, indem er und sein Sohn Tobias eine frühe und eine späte Sorte aussäten.
Das hat sich bewährt. So konnte die Erntezeit auf bis zu drei Monate gestreckt werden. Kürzlich lud Josef Grob Freunde der Familie und Studienkollegen zu einem gemütlichen Beisammensein ein. Wie schon im letzten Jahr war Jack Streule aus Venezuela dabei.
Darüber freuten sich alle, denn lange hatte niemand mehr etwas gehört von ihm, in den Nachrichten aber viel Beunruhigendes über Venezuela vernommen: «Man lernt, alles mit einer gewissen Gelassenheit anzunehmen, wie es ist», sagte Streule und konzentrierte sich darauf, dass die Cachapas, eine venezolanische Spezialität aus Süssmais, schön rund und knusprig wurden.
Der Vater von Jack Streule wanderte 1945 nach Venezuela aus, wo Jack die ersten Lebensjahre verbrachte. Für sein Studium und die Ausbildung zum Agroingenieur kam er in die Schweiz und lernte dabei Josef Grob kennen.
Anschliessend kehrte Streule zurück nach Venezuela. Dort hat er heute eine Farm mit Ackerbau und Milchkühen: «Bauern, so wie in der Schweiz, gibt es in Venezuela nicht. Die Bauern leben alle nicht auf ihren Höfen. Das wäre zu gefährlich», schilderte Streule, der in der Stadt lebt und täglich zu seiner Farm fährt, um zum Rechten zu sehen.
Streule kann sich auf seine 18 Mitarbeiter verlassen. Gegenwärtig seien Arbeitslosigkeit, Drogenhandel und Inflation grosse Probleme in Venezuela. Vor allem die jungen Menschen haben keine Perspektive mehr.
Sehr viele wanderten aus – nach Kolumbien, Ecuador, Peru, Chile und Panama. Besser Bemittelte und gut Ausgebildete wie Ärzte und Lehrer setzten sich eher in die USA ab.
Streule möchte lieber nicht krank werden in Venezuela, denn da sei die Versorgung schlecht. «Man lernt die Schweiz erst richtig schätzen, wenn man die Zustände in andern Ländern kennt», sagte Streule, der als Landbesitzer nicht zu den Ärmsten gehört.
Aber auch die gut Ausgebildeten und Begüterten im Land sind unfrei, denn sie leben in ständiger Angst vor Überfällen und Gewalt: «Es ist unmöglich, sich nicht mit venezolanischer Politik zu befassen in der gegenwärtigen Lage, aber es ist gefährlich, sich dazu zu äussern.»
Die Farm verkaufen und in die Schweiz kommen, das könne er wegen der Inflation nicht. Die 60 Bauern, mit denen er gemeinsam eine Milchverarbeitungsfirma aufgebaut hat, halten zusammen. «Gemeinsam haben wir schon viele Katastrophen durchgemacht und geben nicht so schnell auf.»
Jack Streule glaubt an seine Gruppe, hat Land und Leute lieb und weiss, dass die Menschen immer zu essen brauchen: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.»