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Ostschweiz
Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Am Freitag um 18.30 Uhr lässt der HC Thurgau seine erfolgreiche Saison 2018/19 mit einer Schlussfeier bei der Eishalle Güttingersreuti in Weinfelden ausklingen. Trainer Stephan Mair führte den HC Thurgau in diesem Frühjahr erstmals seit 21 Jahren wieder in den Playoff-Halbfinal. Für den Club ist die akribische Arbeit des 51-jährigen Südtirolers Gold wert, für die Spieler gar bares Geld.
Stephan Mair zu charakterisieren ist etwa so einfach, wie den HC Ajoie in einem siebten, alles entscheidenden Playoff-Spiel auswärts zu besiegen. Der 51-jährige Italiener aus dem Südtirol wirkt unnahbar, ist kaum je lachend auf einem Bild zu sehen. Öffentliche Auftritte mag er nicht, viel lieber verbringt er seine Zeit mit der Mannschaft auf dem Eis oder ganz für sich beim Videostudium.
Mair ist ein Workaholic – zumindest von August bis April, wenn die Eishockeysaison läuft. Dann gilt die volle Aufmerksamkeit seinem Club, seinem Job. Mair liebt das Eishockey, vor allem aber lebt er es. Er ist immer bestens informiert: über die Gegner, über den Transfermarkt, über jeden Trend im Spiel mit dem Puck.
Wer sein Vertrauen einmal gewonnen hat, bescheinigt ihm auch Humor – und die Südtiroler Eigenheit, dass sich Sturheit und Flexibilität nicht widersprechen müssen. Aberglaube ist nicht sein Ding. Und Rituale sind für Mair Hokuspokus. Der Maestro seines Fachs beruft sich lieber auf Fakten, Zahlen, Statistiken. Nicht zufällig hält er auf der Bank oft eine Stoppuhr in der Hand. Bei ihm ist das Spiel durchgetaktet, der Plan so ausgeklügelt wie ein Uhrwerk.
Für den HC Thurgau zahlt sich Mairs Verpflichtung bislang aus. In drei Saisons brachte der Headcoach den Ostschweizer Swiss-League-Club Schritt für Schritt weiter – bis zur erstmaligen Halbfinal-Qualifikation seit 21 Jahren in diesem Frühjahr. Grosse Sprünge sind auch in Zukunft nicht zu erwarten. Mairs Arbeit ist auf den langfristigen Erfolg ausgelegt. Ihn holt man nicht, um innert Kürze einen Titel zu gewinnen. Mehr als zwei italienische Cup-Trophäen hat er noch nicht erreicht. Aber der Südtiroler schafft es im Thurgau, einer ganzen Eishockeybewegung neues Leben einzuhauchen und die Massen zu begeistern.
Stephan Mair besitzt eine Gabe, die für den HCT Gold wert ist. Der ehemalige Stürmer und Nationalspieler Italiens versteht es wie kaum ein anderer, aus noch ungeschliffenen Spielern, Diamanten auf Schlittschuhen zu machen. Mit Andri Spiller und Michael Loosli brachte er hintereinander zwei herausragende Schweizer Skorer hervor, die vor ihrem Wechsel zu Thurgau kaum bekannt waren. Und sie sind bei weitem nicht die einzigen, die unter den Fittichen des Bozners gedeihen.
Wer bereit ist, Mairs Weg mitzugehen, der steht am Ende als besserer Spieler da – meist mit einem besseren Vertrag im Sack. Natürlich tönt das viel simpler, als es in der Tat ist. Denn Mair geht nicht gerade zimperlich um mit seinen Spielern, staucht sie verbal auch mal zusammen. Das ist nicht jedermanns Sache. Doch hat der ehemalige Headcoach der italienischen Nationalmannschaft stets den Erfolg des Kollektivs vor Augen.
Diese Hingabe und Demut gründet in der Vergangenheit Mairs, der selber kein Starspieler war und als Trainer in Italien als viel zitierten Propheten im eigenen Land behandelt wurde, der trotz ausgewiesener Befähigung nichts zählt. Auch heute wäre er wohl viel umworbener, hätte er statt des italienischen Passes einen kanadischen oder schwedischen.
Für den HC Thurgau ist Stephan Mair das Beste, was dem Club in jüngster Zeit passieren konnte. Umgekehrt ist der HCT das Beste, was Mairs Karriere kreuzen konnte. Denn hier ist er dabei, sich den Respekt zu erarbeiten, den der 51-Jährige längst verdient hat. Das heisst nicht, dass er im Thurgau nicht auch weniger erfolgreiche Zeiten haben kann. Aber es ist ein Ort, wo seine Arbeit gewürdigt wird..
Als Mair nach dem Erreichen des Halbfinals – und nach der Vertragsverlängerung mit Thurgau – plötzlich bei anderen Swiss-League-Clubs ein Thema wurde, war das für ihn schon beinahe eine Beleidigung. Wahre Wertschätzung hätte für ihn bedeutet, dass die Interessenten schon vor dem Playoff-Coup auf ihn aufmerksam geworden wären.