Coronavirus
Der Kanton Thurgau feilt an Rettungsanker für Härtefälle

Der Thurgauer Grosse Rat soll noch im Dezember das Härtefallprogramm verabschieden. Volkswirtschaftsdirektor Walter Schönholzer findet, es müsse mit Zurückhaltung angewendet werden. Berechnungen zeigen: Das Maximum an finanzielle Hilfe beläuft sich im Thurgau auf 27,3 Millionen Franken. Theoretisch.

Sebastian Keller
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Romanshorn TG , 07.08.2020 / Die Kursschiffe der Bodensee Schiffahrt bleiben wegen Corona auf weiteres im Hafen.

Romanshorn TG , 07.08.2020 / Die Kursschiffe der Bodensee Schiffahrt bleiben wegen Corona auf weiteres im Hafen.

Donato Caspari

Corona vermiest manch einem gehörig das Geschäft. Auf Staatshilfe darf hoffen, wer einen Katalog von Kriterien erfüllt. Am Mittwoch hat der Bundesrat die Verordnung verabschiedet, welche die Details des Härtefallprogrammes regelt. Ein Härtefall liegt vor, wenn der Jahresumsatz unter 60 Prozent des mehrjährigen Durchschnitts fällt. Weiter muss ein Unternehmen belegen, dass es profitabel oder überlebensfähig ist. Es muss zudem mindestens 100000 Franken Umsatz erwirtschaftet haben. Dieses Minimum hat der Bundesrat nach der öffentlichen Anhörung nach oben korrigiert, zuvor sah er eine Untergrenze von 50000 Franken vor.

Walter Schönholzer, Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor.

Walter Schönholzer, Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor.

Andrea Stalder

Im Thurgau können noch keine Gesuche gestellt werden. Der Kanton muss zuerst sein Programm aufgleisen. Walter Schönholzer, Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor, sagt auf Anfrage, der Kanton sei daran, ein Konzept für die Regelung von Härtefällen zu erstellen. Geplant sei, dieses auf Paragraf 44 der Kantonsverfassung – Notstand – abzustützen. Denn es liege eine ausserordentliche Lage mit zeitlicher und sachlicher Dringlichkeit vor.

«Voraussichtlich verzichten wir deshalb auf die Schaffung von weiteren Grundlagen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe.»

Ein allfälliges Programm müsse aber noch von der Regierung und vom Parlament verabschiedet werden. «Wir setzen alles daran, dass dies noch im Dezember 2020 geschehen kann», sagt Schönholzer. Eine Angabe zur Höhe des Hilfsprogramms könne er nicht machen.

Maximal dürften es gemäss Berechnungen theoretisch 27,3 Millionen Franken sein, wobei der Kanton hierfür 8,73 Millionen Franken beisteuern müsste. Die Basis bildet die Verordnung des Bundesrates. Entsprechend der Einwohnerzahl und der wirtschaftlichen Leistung wird für jeden Kanton ein prozentualer Anteil berechnet. Das Hilfsprogramm von maximal einer Milliarde Franken besteht aus zwei Tranchen. Der Segen des Parlaments steht noch aus.

Schönholzer sieht Gefahr von Ungerechtigkeiten

Schönholzer sagt: «Aus unserer Sicht sollte das Härtefallprogramm mit Zurückhaltung angewendet werden.» Es müsse eng auf Unternehmen beschränkt bleiben, für welche die behördlichen Anordnungen einen «massiven und direkten Eingriff in deren Geschäftstätigkeit bedeuten». Es bestehe die Gefahr, dass die verschiedenen nationalen und kantonalen Massnahmen zu Wettbewerbsverfälschungen, Ungerechtigkeiten und Verzerrungen auf dem Binnenmarkt führten.

In Werkzeugkasten des Bundes finden sich mehrere Instrumente: Darlehen, Bürgschaften oder Garantien sowie nichtrückzahlbare Beiträge. Die Kantone sind frei, welche Hilfsangebote sie schaffen. Sie könnten auch darauf verzichten. Schönholzer sagt, er könne noch keine Angaben zur Ausgestaltung der Hilfsmassnahmen machen. Edith Graf-Litscher, Nationalrätin und Präsidentin des Thurgauer Gewerkschaftsbundes, forderte in einem Interview mit dieser Zeitung:

«Man wird nicht darum herumkommen, nichtrückzahlbare Darlehen zu schaffen.»

Der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor betont, dass die wichtigsten Instrumente zur Stützung der Wirtschaft weiterhin greifen würden: «Es sind dies die Kurzarbeitsentschädigung, die Auszahlung von ­Erwerbsersatzzahlungen an Selbstständigerwerbende sowie die Coronanotkredite.» Die Anträge auf Kurzarbeit haben im Oktober gegenüber dem Vormonat deutlich zugenommen: 310 Betriebe reichten Gesuche ein, im September waren es laut Statistikportal des Kantons 124.