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Arbon, Kreuzlingen, Weinfelden
Bei den kühlen, oft feuchten Wetterbedingungen der laufenden Jahreszeit sichten Passanten am Bodensee vermehrt Schlangen. Es handelt sich in aller Regel um Ringelnattern. Reptilien-Experte Andreas Meyer sagt, wie man sich verhalten soll.
Gruselig. Das ging Passanten am Bodensee kürzlich durch den Kopf. Denn vor der Brücke, die in Arbon nahe Steinach über die Aach führt, kroch eine Schlange am helllichten Tag quer über den Fussweg – das Reptil war einen guten Meter lang.
Auf Anfrage sagt Erica Willi-Castelberg, die Präsidentin des Natur- und Vogelschutzes Meise Arbon und Umgebung, es handle sich um eine Ringelnatter. Die Expertin verweist auf die Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (Karch).
Laut Auskunft von Andreas Meyer, Leiter des Karch-Fachbereichs Reptilien, ist die Sichtung nicht überraschend. «Ringelnattern gehören seit Tausenden von Jahren zur natürlichen Fauna rund um den Bodensee.» Sehr stark beeinflusse das Wetter, wie sichtbar diese und andere Schlangen seien.
«Entgegen der landläufigen Meinung sieht man bei kühlen, wechselhaften oder gar feuchten Wetterbedingungen, wie wir sie dieses Jahr bisher oft hatten, viel mehr Schlangen.»
Die Tiere hätten ein Wärmedefizit, müssten sich bei jeder Gelegenheit der Sonne exponieren und dazu «kriechen sie vermehrt umher».
Wie viele Ringelnattern rund um den Bodensee leben würden, könne niemand sagen. «Es gibt heute sicher weniger Ringelnattern als noch vor ein paar Jahrzehnten, durch die Bautätigkeit des Menschen und durch die Intensivierung der Landwirtschaft sind viele Lebensräume verloren gegangen», sagt Meyer. Ringelnattern würden sich indes hauptsächlich von Amphibien wie Fröschen und Kröten, seltener Molchen und Salamandern sowie von Fischen ernähren. «Es erstaunt deshalb nicht, dass man sie vor allem in Gewässernähe und in Feuchtgebieten antrifft.»
Laut Meyer gehören Ringelnattern zu den grössten Schlangen der Schweiz. «Männchen erreichen eine Länge von 95 Zentimetern, Weibchen eine von maximal 130.» In der Aufregung würden Fussgänger die Länge indes «häufig stark überschätzen». Allerdings: «Ringelnattern sind absolut harmlos.» Von den Reptilien gehe nicht die geringste Gefahr aus, weder für Menschen noch für Hunde oder Katzen.
«Sie sind ungiftig und beissen nicht einmal, wenn man auf sie tritt oder sie in die Hand nimmt.»
Beissen gehöre schlicht nicht in das natürliche Repertoire des Abwehrverhaltens. «Ringelnattern flüchten, wenn man ihnen zu nahe kommt.» Wenn sie sich bedroht fühlen würden, könnten sie «ein ziemliches Theater» machen. «Sie zischen, und manchmal flachen sie den Vorderkörper ab, um grösser zu erscheinen.» Meyer sagt, er habe ab und an gehört, jemand hätte eine Kobra gesehen. «Nimmt man die Schlange in die Hand, verspritzt sie aus der Kloake häufig ein übelriechendes Sekret.» Manche Exemplare würden sich auch tot stellen, bis die Gefahr vorbei sei.
Meyer resümiert: «Passanten sollten sich einfach freuen, ein solches Tier beobachten zu können.» Wer Respekt oder sogar Angst habe, halte einfach etwas Abstand und gebe dem Reptil Raum und Zeit zur Flucht.