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Caroline und Peter Brühlmann haben neben ihrer Liegenschaft Hochbeete aufgestellt. Damit wollten sie für ihre Mieter ein zusätzliches Angebot schaffen. Und das mit vollem Erfolg: Das Projekt wurde schnell zum Selbstläufer.
«In zwanzig Jahren als Vermieter haben wir schon alles erlebt», sagt Caroline Brühlmann, die mit ihrem Mann 28 Wohnungen an der Sonnenhügelstrasse in Amriswil vermietet. «Einmal wurden einer Mieterin sogar ihre BHs gestohlen», erzählt sie. «Dass meine Mieter durch dieses Projekt nun noch häufiger in den Austausch kommen, freut mich sehr.»
Seit Juli stehen auf der Liegenschaft des Ehepaars Brühlmann acht Hochbeete. Ihre Mieterinnen und Mieter dürfen diese kultivieren und bepflanzen. Und das ganz ohne Pestizide. Laut Caroline Brühlmann handelt es sich dabei um ein uneigennütziges soziales Projekt. «Die Coronazeit hat bei uns allen Spuren hinterlassen», sagt Peter Brühlmann. «Unser Ziel war es, die Leute während dieser schwierigen Zeit wieder zusammenzubringen», sagt er.
Anlass dazu gab den Brühlmanns einer ihrer Mieter. Tesfit Okbatinsae wohnt seit November 2020 in einer Wohnung der Brühlmanns. Kürzlich hat der Eritreer seine dreijährige Lehre als Elektriker abgeschlossen. «In Eritrea arbeitete ich bereits als Gemüsebauer», erzählt er. «Hier möchte ich das Gärtnern aber lieber als Hobby weiterführen.» Ursprünglich wollten seine Frau und er auf dem Balkon etwas Gemüse anpflanzen. Im Gespräch mit Caroline Brühlmann entstand dann die Idee für die Hochbeete.
«Seit wir die Hochbeete aufgestellt haben, herrscht hier eine enorme Dynamik», sagt Caroline Brühlmann. Man treffe sich am Abend bei den Hochbeeten und gebe sich gegenseitig Tipps. «Die Leute helfen sich untereinander und treten aktiv miteinander in Kontakt.» Beispielsweise habe Tesfit Okbatinsae bereits angekündigt, Kupferdraht mitzubringen. Dieser soll die Schnecken davon abzuhalten, in die Hochbeete zu kriechen. «Jeder trägt seinen Teil dazu bei», sagt Caroline Brühlmann.
Simone Studer hatte schon seit längerer Zeit Gemüsepflanzen auf ihrem Balkon angebaut. «Ich fand es eine total coole Idee», sagt sie. «Meine Pflanzen vom Balkon konnte ich direkt auf mein Hochbeet übersiedeln.» Den sozialen Aspekt dieses Projekts finde sie klasse.
Der Prozess wird auf der Website des Projekts genauestens dokumentiert. Diese hat Biologe Reto Bänninger extra erstellt. Er ist ebenfalls Mieter der Brühlmanns und kultiviert eines der Hochbeete. Er geht ausserdem mit seiner Fotokamera und dem Makromikroskop auf Suche nach Tieren. Dabei schaut er einerseits, welche Insekten sich auf den Hochbeeten tummeln, andererseits nimmt er Erdproben und untersucht diese auf Lebewesen in mikroskopischer Grösse. «Wir haben schon einige Tiere gefunden, allerdings wäre ich froh, wären es bald noch mehr», sagt er. Ihm sei es sehr wichtig, die Biodiversität in der Umgebung zu erhöhen. Dafür seien solche Hochbeete gut geeignet.
Die Resonanz auf das Projekt ist sehr positiv. «Ich finde es toll, dass es so gut funktioniert», sagt Bänninger. Dies sei aber auch dem tollen Verhältnis der Mieter geschuldet. «Ich bin mir sicher, dass so etwas in einer anonymen Nachbarschaft schwieriger gewesen wäre», sagt er. Der gleichen Meinung ist Fritz Baur, welcher sein Hochbeet zusammen mit seiner Frau bepflanzt. Dabei ist er vor allem für die Pflege der Pflanzen verantwortlich, während seine Frau das Gemüse jeweils erntet. «Ich war positiv überrascht, wie gut das Ganze klappt», sagt Baur. «Man hat uns ausserdem sehr gut instruiert.» Mittlerweile habe er beispielsweise gelernt, wie man Tomaten richtig anbaut und pflegt.
Dazu hat Vera Gafsi viel beigetragen. Sie ist Gärtnerin von Beruf und bringt daher das nötige Fachwissen mit. «Meine Nachbarn können sich bezüglich Tipps jederzeit bei mir melden», sagt sie. Die kleine Runde an Hobbygärtnern hat sogar einen Gruppenchat auf Whatsapp, auf dem Vera Gafsi sämtliche Fragen beantwortet. Ausserdem gibt sie regelmässig Tipps, wie man beispielsweise Schädlinge mit Hausmitteln fernhalten kann. «Beim Gärtnern kann man eigentlich nicht viel falsch machen», sagt sie. Man müsse sich auch nicht begrenzen in der Menge der Bepflanzung:
«Wer viel pflanzt, muss auch viel ernten, nur darauf muss man achten.»
Ihr gefalle an dem Projekt, dass sich dabei alle gegenseitig unterstützen. «Man achtet auch mal auf die anderen Beete, statt nur auf das eigene», sagt sie. Auch für die Kinder kann es sehr faszinierend sein, wenn sie Pflanzen beim Wachsen zuschauen können. Dass keinerlei Pestizide zum Einsatz kommen lohne sich ebenfalls. «Letztens habe ich Erdbeeren gepflückt», sagt Gafsi. «Die haben wunderbar geschmeckt – viel besser als die Gekauften.» Am Geschmack merke man, dass nichts chemisch behandelt wurde.
Die Brühlmanns sind durchweg zufrieden mit dem Projekt. «Wir sind froh, ist hier ein nachbarschaftlicher Treffpunkt entstanden», sagt Caroline Brühlmann. «Jeder Mieter hat auch eine gewisse Verantwortung», sagt sie. «Trotzdem sind wir freut es uns, dass das so gut funktioniert.» Auch Tesfit Okbatinsae ist sehr zufrieden damit, dass seine Familie dieses Angebot nutzen kann. «Wenn es weiterhin so gut läuft, bekommen wir nächstes Jahr vielleicht noch ein zweites Hochbeet», scherzt er.