Krankenkassen
Wird die Ostschweiz bei den Prämien benachteiligt? Der Bundesrat widerspricht der SVP

Die Gesundheitskosten in der Region sind vergleichsweise tief, trotzdem steigen die Prämien, während sie anderswo sinken. Da stimme etwas nicht, kritisieren Ostschweizer SVP-Politiker. Der Bundesrat rechtfertigt sich.

Adrian Vögele Jetzt kommentieren
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Warum sinken die Prämien in der Ostschweiz nicht? Dazu hat sich jetzt der Bundesrat geäussert.

Warum sinken die Prämien in der Ostschweiz nicht? Dazu hat sich jetzt der Bundesrat geäussert.

Bild: Christian Beutler / KEYSTONE
Der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (SVP).

Der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin (SVP).

Bild: Andrea Tina Stalder

In der Ostschweiz steigen die Krankenkassenprämien nächstes Jahr leicht an – entgegen dem allgemeinen Trend: Schweizweit sinken sie um 0,2 Prozent. Ostschweizer SVP-Politikern ist das sofort negativ aufgefallen. Wenn man die Kostenentwicklung betrachte, dann sei der Anstieg der Prämien in der Region nicht nachvollziehbar, sagte der Thurgauer Gesundheitsdirektor Urs Martin schon im September. Er äusserte den Verdacht, dass bei den Prämiengeldern «eine gezielte Umverteilung von der Ost- in die Westschweiz stattfindet».

Parteikollegen in Bundesbern hakten nach: Der St.Galler Nationalrat Mike Egger und der Thurgauer Ständerat Jakob Stark reichten Vorstösse zur Frage ein, ob die Ostschweiz benachteiligt wird.

Viel tiefere Kosten als in anderen Kantonen

Mike Egger, St.Galler SVP-Nationalrat.

Mike Egger, St.Galler SVP-Nationalrat.

Bild: Anthony Anex / KEYSTONE

Egger wies darauf hin, dass die Gesundheitskosten pro Kopf in anderen Kantonen weit höher seien als in der Ostschweiz: 4485 Franken in Basel-Stadt, 4331 Franken in Genf – jedoch nur 3058 Franken in St.Gallen, 3081 Franken im Thurgau und 2337 Franken in Innerrhoden. Dennoch würden die Prämien in der Ostschweiz steigen, während sie in Basel-Stadt und Genf sänken. Eggers Fazit: «Kantone, die ihre Gesundheitskosten im Griff haben, werden nicht belohnt, sondern abgestraft.»

Jakob Stark, Thurgauer SVP-Ständerat.

Jakob Stark, Thurgauer SVP-Ständerat.

Bild: Alessandro Della Valle / KEYSTONE

Auch Stark verlangte in seiner Interpellation eine Klärung vom Bundesrat.

Jeder Kanton wird einzeln betrachtet

Jetzt widerspricht der Bundesrat dem Verdacht, es werde Prämiengeld von Ost nach West umverteilt. In der Antwort auf Eggers Interpellation heisst es:

«Die Prämien müssen so berechnet werden, dass sie die kantonalen Kosten decken, und zwar für jeden Kanton separat.»

Die Kostenunterschiede von Kanton zu Kanton haben laut Bundesrat keinen Einfluss auf die Festsetzung der Prämien. Vielmehr komme es auf die Entwicklung der Zahlen an: Der Rückgang in den Kantonen Genf und Basel-Stadt liege daran, dass die Prämien dort jetzt schon hoch seien und für das kommende Jahr ein geringerer Kostenanstieg erwartet werde. In den vier Ostschweizer Kantonen hätten grosse Versicherer im aktuellen Jahr die Prämien nicht erhöht oder sogar gesenkt. Zugleich aber zeichne sich in diesen Kantonen für 2022 ein überdurchschnittlicher Kostenanstieg ab. Daraus ergebe sich der Prämienanstieg in der Ostschweiz.

Kosten in der Ostschweiz stärker gestiegen als anderswo

Gesundheitsminister Alain Berset (SP).

Gesundheitsminister Alain Berset (SP).

Bild: Peter Klaunzer / KEYSTONE

Der Bundesrat liefert auch Zahlen zum Kostenwachstum in den Ostschweizer Kantonen in den letzten fünf Jahren: So nahmen die Pro-Kopf-Gesundheitskosten im Thurgau von 2016 bis 2020 um 9,5 Prozent zu, in St.Gallen um 7,4 Prozent. Deutlich weniger stark sei die Zunahme in Basel-Stadt (3,5 Prozent) und Genf (4 Prozent) gewesen. Das erkläre, warum die Prämien in den beiden erstgenannten Kantonen in den letzten Jahren stärker gestiegen seien als in den beiden letztgenannten. «Es ist also kein Zufall», betonte Gesundheitsminister Alain Berset am Montag im Ständerat, als Starks Interpellation behandelt wurde.

Stark will kantonale Zahlen zu den Reserven der Versicherungen

Stark bemängelte in seinem Vorstoss, das Ost-West-Gefälle bei der Prämienentwicklung sei schwer erklärbar. Da und dort komme der Verdacht auf, dass Reserven der Krankenversicherer einseitig zur Dämpfung des Prämienanstiegs in gewissen Kantonen eingesetzt würden.

Werden also Reserven verwendet, um etwa die hohen Prämien in Westschweizer Kantonen zu drücken? Der Bundesrat widerspricht: Der schweizweite Rückgang der Prämien um 0,2 Prozent habe nichts mit der Auflösung von Reserven der Versicherer zu tun. Jene Versicherungen, die Reserven abbauten, würden allen Versicherten – nach Altersgruppe – denselben Ausgleichsbetrag gewähren, unabhängig des Wohnkantons.

Stark wandte ein, es sei ein Widerspruch, wenn die Prämienberechnung für jeden Kanton einzeln erfolge, die Reserven der Versicherer aber nur für die gesamte Schweiz ausgewiesen würden:

«Damit ist Misstrauen vorprogrammiert.»

Der Thurgauer SVP-Ständerat schlug deshalb vor, dass auch die Reserven künftig pro Kanton angegeben werden. Berset entgegnete, diese Reserven würden nur für die gesamte Schweiz gebildet. Er stellte aber in Aussicht, das Bundesamt für Gesundheit werde künftig zusätzliche Informationen über die Prämienfestsetzung in den Kantonen liefern. Eine entsprechende Motion habe das Parlament bereits verabschiedet.

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